von Britta Pawlak
Weiß, groß und stark ist das Erscheinungsbild des Eisbären. Er ist das größte an Land lebende Raubtier und bewohnt den Nordpol. Der Eisbär steht in der Nahrungskette ganz oben und hat keine natürlichen Feinde. Trotzdem ist der Bewohner der Arktis bedroht. Wie ist es möglich, dass Eisbären in klirrender Kälte überleben? Welche Tiere gehören zu ihrer Beute? Wie werden die Jungen aufgezogen? Liegt die Ursache dafür, dass einige Weibchen in Zoos ihre Neugeborenen gefressen haben, in der Gefangenschaft der Tiere?
Nur noch den Inuit ("Eskimos") ist es heute erlaubt, Eisbären zu erlegen - jedoch unmotorisiert. Im Jahr 1967 traf man ein Abkommen, in dem Eisbären unter Schutz gestellt wurden. Seither hat sich die Situation etwas entspannt und die Anzahl der Eisbären ist von schätzungsweise 10.000 auf 25.000 angestiegen. Es gibt jedoch keinen Grund zur Entwarnung.
Der Eisbär wird zwar nicht mehr wegen seines Fells von den Menschen gejagt, jedoch ist sein natürlicher Lebensraum bedroht. Als Folge der fortschreitenden Erderwärmung schmilzt das "ewige Eis" an den Polen. Das Packeis ist nur noch halb so dick wie vor etwa 20 Jahren. Im Frühling schmilzt es immer früher, im Herbst gefriert es später. Aus diesem Grund wird die Jagdzeit der Eisbären zunehmend kürzer.
Eisbären - auf Lateinisch "Ursus maritimus" ("Seebären") - werden auch Polarbären genannt und gehören zur Familie der Bären. Von ihren Artverwandten unterscheiden sie sich nicht nur durch ihr weißes Fell, sie sind außerdem die Giganten unter den Bären. Mit bis zu 3,5 Metern Länge und einem Gewicht, das bei einigen Männchen an die 1.000 Kilogramm erreicht, sind sie die größten an Land lebenden Fleischfresser weltweit. Eisbären bewohnen die nördliche Erdhalbkugel, die Arktis und die angrenzenden Länder. Die gigantischen Tiere trotzen den Extrembedingungen am Nordpol und haben sich ihrem Lebensraum hervorragend angepasst. Ein Eisbär kann in der Wildnis bis zu 30 Jahre alt werden.
Nicht durch Kälte, sondern durch Wärme bedroht
Den Großteil ihrer Zeit verbringen Eisbären damit, der Eisgrenze zu folgen. Denn nur in diesem, sich ständig verändernden Gebiet herrschen die für Eisbären ideale Temperaturen. Die großen Tiere bewegen sich sehr bedächtig, dafür aber ausdauernd. Es ist keine Seltenheit für einen Eisbären, hundert Kilometer täglich auf Wanderschaft zurück zu legen. Der Kopf des Eisbären ist, wenn man ihn mit der Proportion des Braunbären vergleicht, verhältnismäßig klein.
Sein cremefarbiges Fell verleiht ihm nicht nur ein stolzes Aussehen, sondern es bietet zusätzlich zur Fettschicht darunter vor allem ausreichend Schutz vor Kälte. Außerdem lässt sein Fell die Sonnenstrahlen bis zu seiner schwarzen Haut durch. Dadurch erwärmt diese sich sehr schnell, denn das warme Sonnenlicht wird komplett absorbiert, also aufgenommen. Die Fähigkeit, sich vor Erfrierungen zu schützen, ist jedoch nicht nur von Vorteil: Eisbären kämpfen oft mit Überhitzung. Durch große Anstrengungen, wie beispielsweise schnelles Laufen, erhitzt der Körper des Eisbären rasch. Außerdem ist der Eisbär durch die zunehmend wärmeren Temperaturen bedroht: Durch den Klimawandel werden die Eisschollen im Polarmeer dünner. Die Bären sind durch die Eisschmelze gefährdet, und immer mehr junge Bären ertrinken im Meer.
Bären auf Wanderschaft
Eisbären sind am Tag aktiv. Während sie einen Großteil der Zeit mit Wanderungen und Schwimmen verbringen, machen nur wenige Prozent davon das eigentliche Jagen und Fressen aus. Über die Hälfte des Tages ruhen sich die Bären wiederum aus oder lauern auf Beutetiere. In den Wintermonaten ernähren sich Eisbären ausschließlich von Fleisch.
Eisbären sind zwar hervorragende Schwimmer, im Wasser haben sie jedoch kaum Chancen, die schnelleren Robben zu fangen. An den Atemlöchern der Robben im Eis warten sie geduldig, bis ein Tier auftaucht, um Luft zu holen. Mit ihren mächtigen und kraftvollen Pranken ziehen sie ihre Beute blitzschnell aus dem Wasser. Die Tiere, die sie mit einem Schlag an Land befördern, wiegen manchmal ganze 200 Kilogramm. Bei ihrer Jagd können Eisbären eine Geschwindigkeit von bis zu 40 Kilometern pro Stunde annehmen.
Außer Robben, die wegen ihres hohen Körperfettanteils zur bevorzugten Beute gehören, jagt der Eisbär auch Lachse, Polarfüchse, Hasen und Wühlmäuse. Ebenso Walrosse, Wale und verletzte Rentiere stehen gelegentlich auf seinem Speiseplan, wenn auch seltener. Setzt im Sommer das Tauwetter ein, verlässt der Eisbär das Packeis und wandert in für ihn weniger futterfreundliche Orte: Gebiete auf dem Festland. Dort fällt die Nahrungssuche um einiges spärlicher aus. In den Sommermonaten ernährt er sich meist von kleineren Tieren, Vögeln und auch von Beeren und Pflanzen wie zum Beispiel Seetang. Mit dem Einbrechen des Winters macht der Eisbär sich dann wieder auf seinen Weg Richtung Süden.
Aufzucht der Jungen in Schneehöhlen
Eisbären machen keinen Winterschlaf. Während die Männchen auch in den Wintermonaten durchgehend aktiv sind, halten trächtige Weibchen lediglich eine Winterruhe. In der Zeit, die sie in Höhlen verbringen, werden Atemfrequenz und Herzschlag stark heruntergefahren. Die Körpertemperatur geht - anders als bei Tieren, die Winterschlaf halten - nur leicht zurück. Geschlechtsreif sind Eisbären, wenn sie ein Alter von fünf bis sechs Jahren erreicht haben. Die Paarung der Tiere findet in den Frühlingsmonaten März bis Juni statt.
Erwartet eine Bärin Junge, muss sie sich in den spärlichen Sommermonaten ausreichend Reserven anfressen, um für die Strapazen der Geburt und der anschließenden Aufzucht der Jungbären gewappnet zu sein. Stellt der Körper des Weibchens im Oktober aber fest, dass keine ausreichenden Grundlagen vorhanden sind, setzt ein raffinierter Schutzmechanismus ein: Das bereits seit dem Frühling vorhandene Ei wird resorbiert. Es nistet sich also nicht ein, und das Weibchen wird damit nicht trächtig. So erhalten die weiblichen Eisbären eine Chance, bei den schwierigen Bedingungen zu überleben. Ist das Weibchen ausreichend genährt und wird trächtig, sucht es sich eine geschützte Stelle in einem Südhang und gräbt dort eine Höhle, in der es die nächsten Monate verbringt. Die eigentliche Tragzeit der Jungen dauert etwa drei Monate.
Eisbärenbabys: blind und winzig klein
Im Januar ist es dann soweit: Die Jungen kommen zur Welt. Ein Wurf besteht aus ein bis vier, durchschnittlich aber zwei Bären. Die Jungen sind anfangs noch blind, gerade mal knapp 600 Gramm schwer und etwa kaninchengroß. Sie sind völlig auf ihre Mutter angewiesen. Nach etwa vier Monaten verlassen sie dann erstmals die Höhle, in der sie aufgewachsen sind. Jetzt haben die Kleinen schon ein Gewicht zwischen zehn und 15 Kilogramm erreicht. Sie fressen bereits von den gefangenen Robben der Mutter mit.
Die Wanderschaft beginnt für die kleinen Bären schon recht früh nach wenigen Ausflügen aus der Schneehöhle. Dann laufen sie bereits bis zu 50 Kilometer am Tag ihrer Mutter hinterher und lernen allmählich, in der Arktis zu überleben. Das Eisbärenweibchen hält sich mit ihren Jungen von männlichen Artgenossen fern. Kommen sie ihr und ihrem Nachwuchs zu nahe, verjagt sie diese mit Drohgebärden. Bei den Männchen ist Kannibalismus - also das Fressen der eigenen Art - nicht ungewöhnlich. Deshalb müssen sich Eisbärenjunge davor in Acht nehmen, nicht als Beutetiere älterer Männchen zu enden.
Der Eisbär und der Mensch
Die Mutter trennt sich erst nach zwei bis drei Jahren von ihren Jungen. Von da an geht für das Tier alles wieder den gewohnten Lauf im "Einzelgänger-Dasein", zumindest bis zur nächsten Schwangerschaft. Zwar gelingt es immer wieder, Eisbären in Gefangenschaft zu züchten, trotzdem ist die Züchtung dieser Tierart sehr kompliziert und oft von Misserfolgen geprägt.
Eisbären sind sehr neugierige Tiere und ständig auf der Suche nach Nahrung. Daher scheuen sie auch nicht vor Beutezügen bis in die Siedlungen der Menschen zurück. Zunehmend wird den Bären der schon von Natur aus sehr eingeschränkte Lebensraum durch den Menschen entzogen. Den Menschen sehen sie normalerweise nicht als Beute an. Dennoch sind Eisbären für ihn nicht ungefährlich. Es sind nicht nur Neugier oder extremer Hunger, die die Tiere zur Gefahr machen können. Eisbären verfügen kaum über eine sichtbare Mimik oder Gestik und gelten deshalb als schwer einzuschätzen und damit unberechenbar. Meist spielt aber vor allem die Unvorsichtigkeit von Menschen eine Rolle, wenn es zum Angriff durch einen Eisbären kommt.
Bären in Gefangenschaft - Tierquälerei?
Tierschützer kritisieren immer wieder die Haltung von Eisbären - wie auch die anderer Wildtiere - in Zoos und Tierparks. Als artgerecht kann das Dasein der Bären in Gefangenschaft nicht bezeichnet werden. Der Eisbär lebt normalerweise am Nordpol und hat sich durch seinen Körperbau der eisigen Kälte angepasst. Bei warmen Temperaturen fühlt er sich weniger wohl. Außerdem kann er in Gefangenschaft weder jagen noch seinen sonstigen Gewohnheiten, die er in der Wildnis pflegt, nachgehen. Er lebt in einem kleinen Gehege, sein Futter muss er sich nicht selbst beschaffen.
Kritiker sagen, dass der Eisbär im Käfig völlig unnatürliche Verhaltensweisen annimmt. So gibt es zum Beispiel eine Diskussion darüber, warum es in Zoos immer wieder vorkommt, dass Eisbärenmütter ihre Jungen verstoßen oder auffressen. Während manche der Ansicht sind, dass dies kein unnormales Verhalten sei, da es auch in der freien Natur beobachtet wird, sehen Tierschützer die Ursache in der Gefangenschaft der Tiere. Tatsächlich kommt es auch in der Wildnis vor, dass Muttertiere ihren Nachwuchs vernachlässigen, töten und auch fressen. Allerdings sind viele Forscher überzeugt davon, dass die Ursachen völlig andere sind.
Nicht selten töten Mütter ihre Jungen in freier Natur, wenn diese ohnehin keine Chance haben zu überleben. Auf diese Weise wird ihnen mitunter ein qualvoller Tod erspart. Aber auch Konkurrenzdenken und Nahrungsmangel können zum Auffressen der Jungen führen. Unter Löwen kommt es zum Beispiel vor, dass ein männliches Tier nach dem Sieg über den Rudelführer dessen Junge tötet. Tierschützer sind überzeugt, dass die Eisbärenweibchen im Zoo ihre Neugeborenen aus völlig anderen Gründen getötet haben. So können Enge, Langeweile und Stress dazu führen, dass die Tiere ein unnatürliches Verhalten entwickeln. Denn die Bedingungen in Zoos sind widernatürlich, und deshalb verändert sich auch das Wesen der Tiere.
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