von Tanja Lindauer
Er war der berühmteste, bestbezahlteste und meistgelesene Dichter seiner Zeit, doch heute sind seine Werke etwas in Vergessenheit geraten. Dabei war Christoph Martin Wieland noch viel mehr als Dichter: Journalist, Philosoph, Gesellschaftskritiker und sogar ein Erzieher für Prinzen. Denkt man an das Weimar des 18. Jahrhunderts, so verbindet man es mit vier wichtigen Denkern und Autoren dieser Zeit: Goethe, Herder, Schiller und Wieland. Es war Wieland, der die Gruppe berühmter Denker nach Weimar lockte. Wer war dieser besondere Mann und was zeichnet sein Werk aus?
Bestimmt hast du auch schon einmal den Spruch gehört, "den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen" - der Dichter der Aufklärung hat dafür gesorgt, dass sich diese Redewendung tief in unserem deutschen Sprachschatz verwurzelt hat. Wer war Christoph Martin Wieland und was macht ihn so besonders? Am 5. September 1733 wurde der Dichter und Denker in Oberholzheim, in Schwaben, geboren. Christoph Martin genoss eine sehr frühe Ausbildung, die er im Alter von gerade einmal drei Jahren begann. Unterrichtet wurde er von seinem Vater Thomas Adam Wieland, einem evangelischen Pfarrer. Als der Junge älter wurde, übernahm ein Privatlehrer den Unterricht und so konnte Christoph Martin schon im Alter von acht Jahren Texte in lateinischer Sprache problemlos lesen und sogar Verse verfassen. Als er 16 Jahre alt war, hatte er bereits alle Klassiker der römischen Antike gelesen.
Die Erziehung und Bildung des Jungen lag dem Vater sehr am Herzen, so dass er ihn später auf das Schulinternat zu Kloster Berge in Magdeburg schickte, wo Christoph Martin seine Ausbildung weiterführte. Vor allem Fremdsprachen erlernte der Junge dort und er verschlang regelrecht die Klassiker, natürlich auch auf Latein. Allerdings konnten sie seinen Wissensdurst nicht stillen und so las er heimlich philosophische Werke von Voltaire und anderen Autoren der Aufklärung, deren Gedankengut die Schulleitung für gefährlich hielt. Aber lange war Wieland nicht an der Schule, nach zwei Jahren verließ er den Stift ohne Abschluss. Er begann 1749 ein Philosophiestudium an der Uni Erfurt, das er aber ebenfalls nach einem Jahr wieder abbrach. Seine Familie riet ihn zu einem Studium der Rechtswissenschaften, welches Wieland dann auch widerwillig 1750 in Tübingen aufnahm.
Die Liebe zu Sophie und zum Schreiben
Bereits als junger Mann im Alter von 17 Jahren war Wieland von einem ständig bedrückenden Gefühl geplagt, er fühlte sich einsam und traurig. Dies sollte sich ändern, als Sophie Gutermann in sein Leben trat. Sophie war eine entfernte Cousine und Wieland verliebte sich Hals über Kopf in sie. Recht schnell folgte auch die Verlobung. Der junge Christoph Martin Wieland war mit seinem Jura-Studium alles andere als zufrieden, das Fach lag ihm einfach nicht. Sein Herz schlug für die Literatur, er beschäftigte sich mehr mit dem Schreiben von Gedichten als mit Gesetzen. Und so brach er auch dieses Studium bald ab.
Nun begann er sich mit dem zu beschäftigen, für das sein Herz schlug: mit dem Schreiben. Vor allem Sophies Einfluss auf Wieland hatte hierzu maßgeblich beigetragen. Er selbst beschrieb seine Gründe für die Schriftstellerei später mit folgenden Worten: "Die Liebe zu Sophie und die jämmerliche Aktenkrämerei". Er schrieb anfangs viele Gedichte, die teils sehr realistisch waren, teils aber auch sehr empfindsam. 1751 verfasste er seine erste größere Arbeit "Die Natur der Dinge. Ein Lehrgedicht in 6 Büchern", ein Gedicht, in dem auf philosophische Weise sein Weltbild beschrieben wird. Wieland war ein talentierter Dichter, der sich bereits mit seinem ersten Gedicht die Anerkennung von anderen Schriftstellern sichern konnte. Eines seiner Vorbilder war der bekannte Schweizer Übersetzer und Kritiker Johann Jakob Bodmer. Wieland wollte den Kritiker persönlich kennenlernen und von ihm lernen. Daher bat er um ein Treffen. Er schickte Bodmer das Heldengedicht "Hermann" - so nennt man ein Gedicht, bei dem die antike Heldensage als Thema aufgegriffen und neu verarbeitet wird. Bodmer antwortete mit einem Brief und es kam zu einem regen Austausch zwischen beiden. 1752 bekam Wieland endlich die heißersehnte Einladung in die Schweiz.
Wielands Lehrjahre in der Schweiz
Christoph Martin Wieland zog nach Zürich und wurde zwei Jahre lang von Bodmer unterrichtet. Bodmer war ein strenger Lehrer und forderte von seinem Schüler, dass er sich der leichten Lebensart zu entledigen habe. Wieland folgte gehorsam und lernte Tag und Nacht, Freizeit hatte er kaum. Nach einem Jahr löste Sophie daraufhin die Verlobung, Wieland blieb bei Bodmer und ließ sich nicht beirren. Nach einiger Zeit erhielt er die Nachricht, dass Sophie geheiratet hatte - und zwar den Ministerialbeamten Georg Michael Frank von La Roche. Für Wieland war dies ein Grund, seine fromme Lebensweise zunächst weiter beizubehalten, die er bei Bodmer erlernt hatte. Nach zwei Jahren zog es den Dichter dann aber weiter.
Wieland machte sich 1754 als Hauslehrer selbstständig. Vier Jahre lang bestritt er so seinen Lebensunterhalt, bis es ihn nach Bern zog. In Bern hatte er eine zündende Idee und es entstand das Werk "Lady Johanna Gray" (1758). Dabei handelte es sich um eine kleine Sensation, denn es war das erste deutsche Drama, das in Blankversen verfasst wurde. Ein Blankvers stammt eigentlich aus dem Englischen und bezeichnet eine bestimmte Art der Dichtung, in der es keine Reime gibt. Nur eine gewisse Satzmelodie wird in einem Vers eingehalten. Das Schreiben war nun vollends der Mittelpunkt seines Lebens.
Wielands Traum war es, einen eigenen Verlag und eine Zeitschrift zu gründen. Doch leider fehlten ihm die finanziellen Mittel, um sein Vorhaben zu verwirklichen. Der Dichter musste schon bald feststellen, dass er allein mit seinen Werken nicht genügend Geld verdiente. Es musste ein Job her, und so bewarb er sich in Biberach als Senator und wurde 1760 auch als solcher eingesetzt. Zwar verdiente Wieland nun mehr Geld, aber sein Privatleben verlief in dieser Zeit recht turbulent. Er verliebte sich in Christine Hagel, eine Katholikin, die aus einer armen Familie stammte. Zur damaligen Zeit waren die Regeln bezüglich der Hochzeit sehr streng, und da der Dichter evangelisch war und damit nicht die gleiche Konfession hatte wie Christine, durften sie sich nicht das Ja-Wort geben. Er stellte sie als Haushälterin an, damit sie sich sehen konnten. 1763 wurde sie von ihm schwanger. Aber ihr gemeinsames Kind starb nach der Geburt. Jetzt schaltete sich Wielands Familie ein, die ihn bedrängte, eine andere Frau zu heiraten.
Wielands Gedichte verändern sich
So heiratete er 1765 Anna Dorothea von Hillenbrand, eine Kaufmannstochter aus Augsburg. Das Paar sollte in ihrem Leben 14 Kinder haben. Die Erfahrungen, die der Dichter in dieser Zeit machte, schlugen sich auch in seinen Werken nieder. Waren seine anfänglichen Gedichte oftmals noch verträumt und schwärmerisch, kennzeichnete sie nun ein nüchterner, zum Teil auch ironischer Ton. Wieland schrieb beispielsweise: "Nicht Liebe und Geist, sondern Geld und Verstand herrschen in der Welt, ja wer mit den Idealen wirklich Ernst macht, ist sicher Elend zu werden." Er wurde zu einem Vertreter der Aufklärung - einer philosophischen Denkrichtung, in der die menschliche Vernunft in den Mittelpunkt gerückt wurde.
Beruflich ging es für Wieland weiter bergauf, bereits 1762 begann er seine Übersetzungen von Shakespeares Werken, die später das deutsche Theater maßgeblich beeinflussen sollten, und 1766 veröffentlichte er den Bildungsroman "Die Geschichte des Agathon", der ein großer Erfolg wurde. Dieser Roman gilt als der erste große Bildungsroman in der deutschen Literatur. Er erzählt die Geschichte des jungen Agathon, der etwas verträumt ist und an seinen Idealen festhält. Doch muss er bald lernen, dass es in der Welt auch viel Böses gibt. Er lernt unter anderem die Priester im Heiligtum von Delphi kennen, die sehr hinterlistig sind. So muss Agathon immer mehr die Erfahrung machen, dass seine Ideale in der wirklichen Welt nicht anwendbar sind. Er beginnt die Menschen zu verachten, lernt dann aber Archytas kennen, der ihn lehrt, dass man auch mit Tugend, Vernunft und Gefühl in der Welt weiter kommen kann.
Weitere Werke, wie die das Gedicht "Idris" (1768) und die Erzählung "Combadus" (1770), folgten. Wieland war nun ein anerkannter und äußerst einflussreicher Autor und so wurde er an der Universität Erfurt zu einer außerordentlichen Professur für Philosophie berufen. Die Stelle als Professor lieferte ihm neue Denkanstöße und Ideen für seine Werke. Vor allem philosophische Fragen beschäftigten ihn natürlich und so verfasste er 1772 den Staatsroman "Der goldene Spiegel" - bei einem Staatsroman geht es vor allem um die Fragen der Erziehung.
Von diesem Werk angetan, nahm nun Herzogin Anna Amalia Kontakt zu Wieland auf. Sie bat ihn, als Prinzenerzieher an ihrem Hof zu arbeiten. Zunächst zögerte Wieland, ob er das Angebot wirklich annehmen sollte. Denn der Absolutismus war ihm eigentlich zuwider. Andererseits konnte er aber so zukünftige Herrscher beeinflussen, was für ihn einen so großen Anreiz hatte, dass er schließlich zusagte. Und so zog Wieland nach Weimar. Hier nahm er sich Carl August Herzog zu Sachsen-Weimar-Eisenach an und unterrichtete den Jungen in Polizeiwissenschaft, Naturrecht und Staatsökonomie. Aber auch die Literatur legte er dem Jungen ans Herz. Am 3. September 1775 war die Ausbildung offiziell beendet, da Carl August nun seine Herrschaft antreten konnte. Dank Wielands Einfluss beschloss der Großherzog, den Hof zu einem Musenhof umzugestalten. So wurden Johann Wolfgang von Goethe, später auch Friedrich Schiller und der Philosoph Johann Gottfried Herder, an den Hof eingeladen.
Ein Traum wird wahr
In Weimar konnte sich der Dichter und Prinzenerzieher endlich einen Traum erfüllen, er gründete seine eigene Zeitschrift. So erschien 1773 der "Teutsche Merkur". Die Zielgruppe waren in erster Linie Kulturliebhaber, Wieland selbst war sowohl Verleger als auch Redakteur. Neben der Kultur war aber auch das aufklärerische Gedankengut von großer Bedeutung, und es fanden sich viele Leser. Später arbeitete auch Friedrich Schiller an der Zeitschrift mit.
Wieland hatte es geschafft: Er war zu einem angesehenen Mann geworden, der von anderen Schriftstellern, Dichtern und Philosophen respektiert wurde. Goethe sagte einmal über ihn: "Auch versammelten sich wertvolle Männer bald um ihn her, und dieser Verein vorzüglicher Literatoren wirkte so viel, dass man durch mehrere Jahre hin sich des Merkurs als Leitfaden in unserer Literaturgeschichte bedienen kann."
Im Alter von 42 Jahren zog sich Wieland dann immer mehr zurück. Die neue Literaturepoche war für ihn unverständlich, junge Autoren brachten nun neue Strömungen mit und die Zeit des Sturm und Drang begann. Eine Entwicklung, an der Wieland nicht teilhaben wollte. Mit der Zeit wurde er auch Weimar überdrüssig und so beschloss er, ein Gut in Oßmannstedt zu kaufen. Dies sollte seine "Insel des Friedens und des Glücks" werden - doch es war eine unsichere Zeit und die Napoleonischen Kriege bahnten sich bereits an. Dank einer Gesamtausgabe seiner bis 1802 erschienenen Werke konnte er sich das Anwesen kaufen. Hier abseits des Trubels am Hof schrieb er weitere Romane, suchte nach neuen Ideen und betätigte sich zudem als Landwirt.
Die letzten Jahre
Eines Tages erhielt Wieland Besuch von seiner einstigen Jugendliebe Sophie von La Roche, die ihn gemeinsam mit ihrer Enkelin, Sophie Brentano, besuchte. Zwischen Wieland und Sophie Brentano entstand ein enges Band und schon bald verband sie eine tiefe Freundschaft. So besuchte die junge Sophie den Dichter 1800 erneut, doch sie wurde schwer krank und verstarb noch im selben Jahr. Wieland traf der Verlust seiner Freundin hart, doch es sollte noch schlimmer kommen. Ein Jahr später starb seine Frau und Wieland konnte das Gut finanziell auch nicht mehr halten.
Daher zog er 1803 wieder zurück nach Weimar und lebte dort im Kreise der Herzogin Anna Amalia. Er widmete sich der Zeitschrift "Das neue attische Museum", die er mit Friedrich Jacobs und Johann Jakob Hottinger von 1802 bis 1810 herausgab. Auch wenn Wieland einige herbe Schicksalsschläge in seinem Leben einstecken musste, so verlor er nie seinen Lebensmut. Im Alter von 79 Jahren wurde der Dichter schwer krank. Der Arzt sprach ihm noch Mut zu, dass er schon bald wieder auf den Beinen sei, doch Wieland antwortete ihm mit abgewandelten Worten Shakespeares: "Sein oder Nichtsein - das ist mit jetzt so ziemlich gleich." Schließlich erlag er seiner Erkrankung am 20. Januar 1813. Christoph Martin Wieland wurde neben seiner Frau und Sophie beigesetzt.
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letzte Aktualisierung: 24.01.2013
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