von Tanja Lindauer
Im ersten Teil des Artikels über die Gebrüder Grimm hast du mehr über das Leben von Jacob und Wilhelm Grimm erfahren. Nun stellen wir dir die wichtigsten Werke der beiden Brüder vor.
Große Forschungen zur deutschen Sprache
Die Brüder Grimm waren nicht nur Märchensammler und -schreiber, sondern auch Wissenschaftler, die sich mit der deutschen Sprache befassten. Jacob und Wilhelm Grimm waren bekannte Sprachwissenschaftler, die sich bereits einen Namen gemacht hatten, als sie mit ihrem deutschen Wörterbuch begannen. Beide wurden später Professoren und arbeiteten als an der Universität - zunächst in Kassel, dann in Göttingen. Jacob Grimm beschäftigte sich vor allem mit der Grammatik und veröffentlichte ein zweibändiges Werk zu diesem Thema. Wilhelm Grimm widmete sich Rechtstexten und Runen. Beide interessierten sich auch für die Entstehung sowie den Ursprung der einzelnen Wörter und dafür, wie sie sich im Laufe der Jahre ändern (dies nennt man "Etymologie").
Aufgrund ihrer Liebe zur deutschen Sprache entschieden sie sich, ein deutsches Wörterbuch zu schreiben. Sie hatten das Unterfangen aber eindeutig unterschätzt und erst lange nach ihrem Tod, nämlich am 4. Januar 1961, wurde der letzte Band veröffentlicht. Die Brüder starteten das Projekt 1838, unterstützt wurden sie dabei von mehr als 80 Mitarbeitern. Sie gingen dabei alphabetisch vor und begannen so mit dem Buchstaben "A". Jacob Grimm schaffte es allerdings nur, die Buchstaben A, B, C und E zu beenden (1863), der Buchstabe D wurde von seinem Bruder übernommen. Aber auch Wilhelm sollte nicht viel weiter gelangen und verstarb 1859 beim Begriff "Furcht". Die beiden Brüder arbeiteten also knapp 20 Jahre an den ersten vier Buchstaben des Alphabets, das insgesamt bekanntlich 26 Buchstaben umfasst.
Ein Wörterbuch als Lebensprojekt
Man kann sich also ausrechnen, wie alt die Brüder hätten werden müssen, um alle Buchstaben zu behandeln: ungefähr ein Alter von 180 Jahren hätten sie erreichen müssen, um in diesem Tempo alle Buchstaben zu beenden. Sie wollten damit ein Standardwerk für die deutsche Sprache schaffen, den so genannten "Grimm", in dem alle Wörter enthalten sind. Jedes einzelne Wort wurde genauestens untersucht: Wo kommt das Wort her? Wie entstand es? Wie wird es verwendet? Wie wurde und wie wird es geschrieben?
Nach dem Tod der zwei Brüder übernahmen andere Sprachwissenschaftler die Aufgabe: Und endlich nach 123 Jahren konnte das Wörterbuch fertiggestellt werden. Es ist sogar das erste deutsche Wörterbuch, in dem auch Schimpfwörter untersucht wurden. Es ist eines der größten Werke der europäischen Sprachwissenschaft und besteht aus 350.000 Stichwörtern. Heute gelten die Brüder als die deutschen Gründungsväter der Germanistik (die Wissenschaft, die sich mit der deutschen Sprache und Literatur beschäftigt).
Märchen zur Kindererziehung
Zu ihrer Zeit als Studenten an der Universität Marburg lernten die Brüder die romantischen Schriftsteller Clemens Brentano und Achim von Armin kennen. Durch sie wurde bei Jacob und Wilhelm das Interesse an Märchen geweckt. Die beiden Brüder begannen schließlich, in Kassel mündlich überlieferte Märchen zu sammeln. Eine große Hilfe war ihnen dabei Dorothea Viehmann, eine Märchenerzählerin. Aber auch von dem Franzosen Charles Perrault (er hat in Frankreich Märchen gesammelt und aufgeschrieben) erhielten sie viele Märchenerzählungen.
Von manchen Märchen glauben einige Wissenschaftler, dass sie von den Gebrüdern Grimm selbst verfasst wurden. Das Ziel der Brüder war es, zum einen altes Volksgut zu bewahren, zum anderen aber auch die Ängste der Kinder anzusprechen. Die Märchen sollten den Kindern dabei helfen, diese Ängste zu überwinden. In dem Vorwort wiesen die Brüder daraufhin, dass die Märchen vor allem als Unterstützung zur Erziehung der Kinder dienen sollte - sie nannten ihre Märchensammlung ein "Erziehungsbuch". 1812 veröffentlichten sie die erste Ausgabe des ersten Bandes der Hausmärchen, 1815 folgte der zweite Band.
Grausam und nicht kindgerecht?
Jedoch blieb der Erfolg zunächst aus. Kritiker hielten die Märchensammlung aufgrund der brutalen und grausamen Darstellungen für Kinder als ungeeignet. In den folgenden Jahren überdachte Wilhelm Grimm die Kritik und überarbeitete schließlich die Sammlung. Er schrieb die Märchen teils um, teils strich er sie auch ganz. Er wollte, dass nur deutsche Märchen in der Sammlung enthalten waren. Daher strich er beispielweise die meisten französischen Erzählungen (wie etwa "Blaubart" oder "Der gestiefelte Kater") wieder. Manche französischen Erzählungen blieben aber dennoch erhalten, die Brüder waren also nicht ganz konsequent.
Von Rotkäppchen existiert auch eine französische Version, die die Brüder kannten, hier aber ist das Ende eher tragisch. Sie wandelten das Ende einfach ab. Und auch Aschenputtel ist alles andere als ein typisch deutsches Märchen, denn in ganz Europa wurde diese Geschichte erzählt. Es war also gar nicht so einfach, zu entscheiden, welche Märchen nicht gestrichen werden sollten und welche doch - so wurden einige einfach etwas überarbeitet. Zum Beispiel kann man das sehr gut an Hänsel und Gretel verfolgen: Die Mutter aus Hänsel und Gretel wurde später zur Stiefmutter, denn eine Mutter, so war die Meinung, könnte so etwas Grausames, wie ihre Kinder zu verstoßen, niemals übers Herz bringen. Es gab auch neue Geschichten, die in die Sammlung aufgenommen wurden - wie etwa "Die Bremer Stadtmusikanten" oder "Hans im Glück". Die Überarbeitung der beiden Bände erschien 1819 und wurde von Kritikern sowie der Leserschaft dankend angenommen und damit positiv bewertet.
Bahnbrechender Erfolg von Grimms Märchen
Der Erfolg ließ auch nicht mehr lange auf sich warten. Die Märchen wurden schnell über die deutschen Grenzen hinaus bekannt und Übersetzungen in andere Sprachen durften daher nicht fehlen. 1825 erschien von den Kinder- und Hausmärchen eine weitere Ausgabe. In dieser nochmals überarbeiteten und kindgerechten Version waren etwa fünfzig Märchen enthalten, unter ihnen die noch heutzutage bekannten wie "Hänsel und Gretel", "Der Froschkönig" oder "Aschenputtel".
Die Brüder, vor allem Wilhelm, überarbeiteten die Sammlung ihr ganzes Leben lang weiter. Und es erschienen jede Menge neue Ausgaben. Dabei ist jede Ausgabe anders als die Vorherige - von der kleinen Auflage, in der 50 Märchen enthalten sind, gibt es 10 Auflagen (1825, 1833, 1836, 1839, 1841, 1847, 1850, 1858). Heute existieren viele verschiedene Ausgaben von Grimms Märchen, fast alle haben Illustrationen - also erläuternde Bilder - in den Büchern.
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letzte Aktualisierung: 14.10.2011
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