von Birgit Kinateder
Schwesterchen Lisa hat noch gar keine, Mama hat blond gelockte, Papa hat braune glatte, Oma hat graue und Opa hat gar keine mehr - wir Menschen haben im Durchschnitt zwischen 75.000 und 150.000 Haare auf dem Kopf, die verschiedenste Farben und Formen haben können und sich im Laufe unseres Lebens verändern. Aber warum haben wir Haare? Warum sind sie so unterschiedlich? Wieso bekommt man in der Pubertät Achsel- und Schamhaare und weshalb haben nur Männer einen Bart?
Die Haare auf unserem Kopf und am ganzen Körper sind im Grunde Überreste unserer Urahnen. Diese hatten eine sehr dichte Körperbehaarung, fast ein Fell, das sie vor Kälte und Sonneneinstrahlung schützte. Forscher vermuten, dass das Fell der Urmenschen im Laufe der Zeit nicht mehr notwendig war, als sie wärmere Regionen Afrikas besiedelten. Darum bildete sich ihre Ganzkörperbehaarung allmählich zurück und das Erbmaterial "Nacktheit" setzte sich durch, so die Forscher. Ob sich der "Homo sapiens" tatsächlich in Afrika entwickelt und von dort aus in anderen Regionen der Welt ausgebreitet hat, ist allerdings umstritten.
Heute haben wir bis auf die Handflächen, Fußsohlen und Lippen immer noch am ganzen Körper Haare bzw. kleine Härchen, die aber längst nicht mehr so dick und dicht gewachsen sind wie einst. Haare haben verschiedene Funktionen. Wir können froh sein, dass uns am Kopf eine dichte Behaarung geblieben ist, denn sonst wäre unser Kopf der direkten Sonneneinstrahlung und Kälte schutzlos ausgeliefert.
Haare vergrößern die Oberfläche des Körpers und erhöhen die Empfindsamkeit der Haut - so leiten kleine Körperhärchen Berührungen an die Haut weiter und Reize werden verstärkt. Bestimmte Körperstellen wie der Schambereich werden durch eine dichtere Behaarung besser geschützt und die Hautreibung wird vermindert. An Hautstellen wie den Achseln, die mit vielen Schweißdrüsen ausgestattet sind, wird durch die Haare die Temperaturregelung unterstützt und Schweiß kann leichter abgegeben werden.
Wie wachsen unsere Haare?
Haare bestehen wie unsere Finger- und Fußnägel aus einer Hornsubstanz, dem so genannten "Keratin". Weil es Horn ist, haben wir dort kein Gefühl. Darum tut es auch nicht weh, wenn du dir die Haare oder Nägel schneidest. Und wenn du dir ein ganzes Haar ausreißt, tut dir nicht das Haar weh, sondern die verletzte Stelle der Kopfhaut, an der du das Haar ausgerissen hast.
Das Wachstum unserer Haare findet unter der Haut statt. Ein Haar wächst aus dem so genannten Haarfollikel heraus. Der Haarfollikel ist eine röhrenartige Einstülpung in der Haut, an dessen Ende sich die Haarwurzel befindet. Sie ist von einem Gefäßknäuel aus Bindegewebe umgeben, das man Haarpapille nennt. Dort teilen sich die Zellen, wachsen nach oben, verhornen und bilden den Haarschaft.
Haare wachsen pro Tag etwa 0,4 Millimeter und in einem Jahr ungefähr 15 Zentimeter. Außerdem hängt an jedem Haar ein Muskel. Der Muskel macht es möglich, dass sich ein Haar aufrichtet, zum Beispiel wenn wir auf Umwelteinflüsse reagieren: Wenn wir frieren, bekommen wir eine Gänsehaut, bei der sich die Haare aufstellen. Und auch wenn wir eine Mütze abnehmen und elektrisch aufgeladen sind, stehen uns oft die Haare zu Berge.
Warum haben Haare verschiedene Formen und Farben?
Glatte, gelockte oder gewellte Haare haben eine unterschiedliche Form, genauer gesagt einen unterschiedlichen Querschnitt. Das kannst du aber nur unter einem Mikroskop sehen. Der Querschnitt eines glatten Haars ist rund, der eines gelockten Haars oval und krauses Haar, das vorwiegend Menschen aus Afrika haben, hat einen elliptischen Querschnitt.
Welche Haarfarbe du bekommst, hängt von deinen Genen ab, also von den Erbinformationen, die du von deinen Eltern bekommst. Deinen ganz persönlichen Farbton - zum Beispiel dunkelblond - wird in der Nähe der Haarwurzel festgelegt. Dort ist nämlich eine Talgdrüse, in der der Farbstoff "Melanin" produziert wird. Es gibt zwei Arten von Melaninen: "Eumelanin", das die Haartöne von braun bis schwarz bestimmt, und Phäomelanin, das die Haartöne von blond bis rot bestimmt. Die zwei Melaninarten können sich auch mischen, so dass Zwischentöne wie rotbraun entstehen.
Über ganz feine Kanäle gelangt das Melanin in das Haar und färbt es ein. Die Haarfarbe bestimmt auch die Anzahl der Kopfhaare: Blonde haben etwa 150.000 Haare, Braunhaarige 100.000, Schwarzhaarige 110.000 und Rothaarige "nur" ungefähr 75.000 Haare. Übrigens: Melanin ist auch für unsere Augen- und Hautfarbe verantwortlich.
Wieso bekommt Oma graue Haare und Opa eine Glatze?
In jüngerem Alter produziert der Körper noch viel Melanin, das den Haaren die Farbe verleiht. Mit zunehmendem Alter wird dieser Farbstoff aber immer weniger produziert, die Haare werden sozusagen farblos. Stattdessen lagern sich kleine Luftbläschen in das Haar ein. Scheint Licht darauf, wird es zurückgeworfen und die Haare schimmern grau. In welchem Alter man graue Haare bekommt, hängt auch von den Genen ab - manche ergrauen schon in den Dreißigern, andere haben auch mit Mitte vierzig noch so gut wie keine grauen Haare.
Unsere Kopfhaare wachsen im Durchschnitt vier Jahre, dann sterben sie ab und fallen aus. Dieser Haarausfall ist ganz normal. Aus der Haarwurzel wächst sogleich ein neues Haar. Bei vielen Männern aber wachsen ab einem bestimmten Alter keine Haare nach. Schuld daran sind Hormone - genauer so genannte "Androgene", das sind männliche Sexualhormone. Diese Androgene verhindern, dass sich Haare neu bilden. An den Stellen, wo ein Haar ausfällt, wächst kein neues nach, bis der Kopf teilweise oder völlig kahl ist. Auch manche jungen Männer bekommen schon eine Glatze oder kahle Stellen auf dem Kopf. Das kommt daher, dass auch ein früher Haarausfall vererbt werden kann und die Haare dann schon in jüngeren Jahren nicht mehr nachwachsen.
Auch Frauen haben "männliche" Androgene im Körper, aber in viel geringerem Maße als Männer - ebenso bilden Männer umgekehrt auch weibliche Hormone wie das Sexualhormon "Östrogen". Da sich bei Frauen der Hormonhaushalt im Alter ändert, bekommen auch sie dünnere Kopfhaare. Richtige Glatzen wie bei Männern sind bei Frauen aber selten.
Warum bekommt man in der Pubertät mehr Körperhaare?
Die Anlagen für den Haarwuchs, also sämtliche Haarfollikel, aus denen die Haare herauswachsen, werden schon im Mutterleib geschaffen. Bereits Babys im Mutterleib haben Haare, die sich dann aber vor der Geburt wieder zurückbilden. Bis zur Pubertät ist der Körper nur wenig behaart und die Körperbehaarung ist bei Mädchen und Jungen gleich ausgeprägt. Achsel- und Schamhaare haben beide noch nicht.
Für die Achsel- und Schambehaarung sind wie für die Glatzenbildung älterer Männer Hormone verantwortlich: Androgene - insbesondere das männliche Sexualhormon "Testosteron" - bei den Jungen und Östrogene bei den Mädchen. In der Pubertät stellt sich der Körper mit der vermehrten Hormonausschüttung auf das Erwachsenwerden beziehungsweise die Geschlechtsreife ein.
Aber wieso bewirken die Hormone, dass älteren Menschen die Haare ausfallen und sie bei jüngeren wachsen? Das liegt daran, dass sich die Kopf- und Schamhaare genau umgekehrt entwickeln: Das Kopfhaar wächst weniger, wenn vermehrt bestimmte Hormone ausgeschüttet werden, die übrige Körperbehaarung wie Achsel- und Schamhaare dagegen umso mehr.
Auch der Bartwuchs hängt mit den männlichen Androgenen zusammen. In der Pubertät wächst Jungen zunächst ein weicher Flaum auf der Oberlippe, dessen Härchen gegen Ende der Entwicklungsjahre immer härter werden. Nach und nach wachsen weitere Haare vor den Ohren, dann am Kinn, am Hals und den Wangen. Wenn man sich nicht regelmäßig rasiert, wächst der ganze untere Teil des Gesichts zu und man bekommt einen "Vollbart". Übrigens: Da auch Frauen männliche Androgene im Körper bilden, können auch sie eine vermehrte Behaarung an der Oberlippe und manchmal auch am Kinn bekommen - dann spricht man von einem "Damenbart".
Grafik: Der Aufbau eines Haars
(Bildquelle: Birgit Kinateder)
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