von Tanja Lindauer - 12.08.2011
Die Journalistin Tanja Lindauer lebt und arbeitet in Berlin. Sie ist von ständigem Fernweh geplagt und bereist mit dem Rucksack die Welt. Auf helles-koepfchen.de berichtet sie von ihrer Reise nach Indien.
Indien ist ein Land der vielen Gegensätze. Und für jeden, der Indien besucht, wird es unvergesslich bleiben. Was man auch erlebt oder wie man es bereist, das Land wird einen auf jeden Fall verändern. Wir mussten auf unserer Reise erfahren, dass man sich auf dieses faszinierende Land nicht vorbereiten kann: Alles kommt ganz anders als geplant. Eine Menge Flexibilität und eine gute Portion Humor gehören damit auf jeden Fall mit ins Gepäck!
Tag 1 - Es geht los
Endlich ist es soweit! Heute fliegen wir nach Indien, gerade sitzen wir am Düsseldorfer Flughafen und warten, dass wir endlich in den Flieger können. Das Warten kommt mir vor wie eine Ewigkeit ... Josef und ich sind schon sehr aufgeregt, wir waren noch nie Indien und haben schon so viele Berichte gelesen und Geschichten gehört.
Viele sagen, dass man, wenn man zum ersten Mal nach Indien oder im Allgemeinen nach Asien reist, einen Kulturschock bekäme. Wir werden sehen! Schon lange war es ein Traum von mir, Indien zu bereisen. Da Indien aber ein sehr großes Land ist - etwa zehnmal so groß wie Deutschland - haben Josef und ich uns entschieden, nur den nördlichen Teil zu bereisen. Aber auch dort mussten wir uns auf ein paar ausgewählte Städte begrenzen.
Tag 2 - Ankunft in Mumbai
Nach zehn Stunden Flug sind wir endlich in Bombay gelandet. Als wir das Flughafengebäude verlassen, werden wir sofort von einer Horde Taxifahrer umzingelt. Ungefähr zwanzig geschäftstüchtige Inder wollen uns jetzt davon überzeugen, dass jeweils sein Taxi das Beste sei und wir nur bei ihm einen guten Preis erhalten würden. Mit der Situation sind wir etwas überfordert und nehmen einfach irgendeins. Doch die anderen Fahrer geben noch nicht auf und prügeln sich nun fast ... Schließlich kann sich der von uns auserkorene Fahrer durchsetzen. Da das Taxi ziemlich klein ist und die Rucksäcke nicht in den Kofferraum passen, werden sie kurzerhand einfach auf dem Dach festgebunden. Ich hoffe, dass später unsere Rucksäcke noch da sind?
Mumbai ist eine riesige Stadt an der Westküste Indiens. Hier leben 16 Millionen Menschen, das bedeutet natürlich viel Lärm, Dreck, Smog und kaum Platz. Alle Autofahrer hupen, sodass auf den Straßen ein regelrechtes Hupkonzert herrscht. Verkehrsregeln wie bei uns scheint es hier nicht zu geben. Es gilt das Gesetz des Stärkeren: Umso größer das Fahrzeug und lauter die Hupe ist, desto besser kommt man auch voran. Und auch die Fußgänger scheinen sich an keine Regeln zu halten und laufen einfach quer über die Straßen und schlängeln sich zwischen den Autos lang.
Ob wir uns das auch trauen sollen? Am Anfang versuchen wir noch, uns an die uns bekannten Regeln zu halten, und warten brav an roten Ampeln. Doch vergebens, auch wenn Fußgänger grün haben, bedeutet das noch lange nicht, dass wir auch gefahrlos über die Straßen gehen können. Also bleibt uns gar keine andere Wahl und wir machen es den Indern nach. Ziemlich schnell haben wir auch den Bogen raus und so machen wir uns auf Entdeckungstour durch diese riesige Stadt.
Früher wurde Mumbai in der Kolonialzeit, also als andere Länder nach Indien kamen, von den Portugiesen Bom Bahia (bedeutet: "Gute Bucht") genannt. Mit der Besatzung durch die Engländer wurde die Stadt dann schnell unter dem Namen Bombay bekannt und wurde seit dem 16. Jahrhundert Bombay genannt. Nachdem alle Kolonialstaaten Indien wieder verlassen hatten, beschloss Indien wieder den offiziellen Namen in Mumbai zu ändern, um sich so auch auf die eigenen indischen Wurzeln zu berufen. Daher existieren heute zwei Namen für eine Stadt. Auch andere indische Städte haben zwei Namen.
Wir entschließen uns, Mumbai erst einmal schnell hinter uns zulassen. Es ist einfach zu laut und zu hektisch hier. Wir haben ja noch genügend Zeit, uns am Ende der Reise noch einmal in diese riesige Stadt zu stürzen, immerhin müssen wir von hier aus auch wieder unsere Heimreise antreten. Also machen wir uns auf den Weg zum Bahnhof, um uns ein Ticket für den Zug zu kaufen. Doch am Bahnhof erfahren wir, dass wir die Tickets gar nicht hier kaufen können, sondern am anderen Ende der Stadt, in einem Extra-Gebäude. Wir machen uns wieder auf den Weg ... Nachdem wir eine Stunde durch Mumbai geirrt sind, haben wir endlich das Gebäude gefunden. Hier wartet auch schon die nächste Hürde auf uns. Mumbai will wohl nicht, dass wir schon wieder fahren!?
Wir stellen uns an einer langen Schlange an. Nach einer Stunde sind wir endlich an der Reihe. Doch dann erklärt uns der Verkäufer, dass wir hier falsch sind. Für Touristen gibt es einen extra Schalter, eine Etage tiefer. Also stiefeln wir wieder die Treppen runter. Aber der Schalter ist unbesetzt, keiner da. Und nun? An einem anderen Schalter fragen wir einfach noch mal nach. Der freundliche Inder will uns aber wieder nach da schicken, von wo wir kamen. So kommen wir nicht weiter. Also stell ich mich einfach an einer "Frauenschlange" an. Nur Frauen dürfen hier Tickets kaufen. Die Verkäuferin versteht mich aber leider nicht, sie spricht nur Hindi.
Kurzerhand helfen mir die fünf Inderinnen, die hinter mir ungeduldig warten. Ich weiß gar nicht so recht, wie mir geschieht, fünf Frauen, verteilen sich nun um mich herum, diskutieren mit der Ticketverkäuferin, nehmen mir Geld aus dem Portemonnaie und ein paar Sekunden später habe ich auch endlich die beiden Tickets nach Udaipur in der Hand. Josef, der auf mich wartete, musste sich vor Lachen den Bauch halten. Es sah wohl sehr lustig aus, wie ich zwischen fünf kleinen Inderinnen stand, die mir alle gerade einmal bis zur Brust reichten, und ziemlich verdutzt geguckt habe.
Der Flug steckt uns doch noch sehr in den Knochen. Daher gehen wir früh schlafen, damit wir morgen ausgeruht unsere Reise durch Indien antreten können.
Tag 3 - Zugfahrt auf indisch
Wir sitzen im Zug nach Udaipur. Es ist ziemlich warm und der Zug ist total voll. Das wäre ja noch nicht einmal so schlimm, aber wir werden von allen beobachtet. Wir sind die einzigen hellhäutigen in diesem Abteil und meine blonden Haare machen die Sache auch nicht besser. Unruhig rutsche ich auf meinem harten Sitz hin und her, so beobachtet zu werden, ist mir doch sehr unangenehm. Eine Erlösung sind die Haltestellen, wenn Menschen ein- und aussteigen und Verkäufer mit Tee und kleinen Snacks in den Zug stürmen, um etwas zu verkaufen. Mit den Worten Chai, chai, chai rennen sie durch den Zug und wollen Tee in kleinen Plastikbechern verkaufen. Da unsere Sitznachbarn auch Tee kaufen und Samosas (kleine Teigtaschen gefüllt mit Kartoffeln und Erbsen) durch das Fenster von einem anderen Verkäufer erwerben, machen wir es ihnen gleich. Reisen macht hungrig!
Nach einer Weile gewöhnt man sich an die Blicke. Ich weiß zwar, dass die Inder es nicht böse meinen, sondern einfach nur neugierig sind, aber es erfordert schon etwas Geduld, nicht einfach einen der Beobachter böse anzuschauen. Wenn man bei uns so gemustert würde, wäre es schon eine Art Beleidigung. In Indien ist es eher normal und man wird sogar freundlich angelächelt, wenn man zurückschaut.
Nach drei Stunden erreichen wir unsere Haltestelle, hier müssen wir umsteigen. In diesem Zug haben wir einen Schlafplatz reserviert, weil wir schon zehn Uhr abends haben und wir noch acht Stunden Zugfahrt vor uns haben. Das Abteil teilen wir uns mit einer sehr netten indischen Familie. Wir unterhalten uns noch eine Weile vor dem Schlafengehen mit ihnen und dann ist auch schon Schlafenszeit. Wir übernachten also das erste Mal in einem Zug, an das Rütteln gewöhnt man sich ziemlich schnell und so sind wir auch schon bald eingeschlafen.
Tag 4 - Auf den Spuren von James Bond
Wir sind endlich angekommen. Ein Hostel haben wir auch ganz schnell gefunden, von der Dachterrasse kann man sogar auf einen See gucken. Und nicht auf irgendeinen! Das ist der Lake Palace, wo schon ein James-Bond-Film gedreht wurde, Octopussy. Jeden Abend kann man sich den Film auf einer der etlichen Dachterrassen anschauen. Alles ist viel kleiner und nicht so laut wie in Mumbai. Allerdings laufen hier sehr viele Kühe einfach auf den Straßen herum.
Kühe und Rinder sind in Indien heilig, daher haben sie hier Narrenfreiheit. (Auch bei McDonalds gibt es keine Cheeseburger und Co., sondern nur Gemüse- und Fischburger.) Wenn eine Kuh mitten auf der Straße ein Nickerchen machen will, dann macht sie das auch. Die Autos fahren einfach um sie herum. Wir sind noch ziemlich kaputt von der langen Zugfahrt, daher essen wir erst einmal etwas Leckeres und erkunden ein wenig die Umgebung.
Tag 5 - Kleider machen Leute
Heute besuchen wir den Stadtpalast, der größte in Rajasthan. Rajasthan ist einer der 28 Bundesstaaten in Indien. Wenn viele Menschen an Indien denken, dann stellen sie sich meistens viele Gewürze, Gerüche und farbenfrohe Kleidung vor und Männer, die Turbane tragen. Dieses Bild wird maßgeblich von Rajasthan beeinflusst. Dabei haben die Farben der Kleidung und die verschiedenen Kleidungsstücke ganz besondere Bedeutungen. Die Farbe des Turbans zum Beispiel zeigt die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Beruf oder Religion. Und Frauen können beispielweise nur die Farbkombination Rot-Gelb tragen, wenn sie einen Sohn geboren haben. Man sieht also, dass die Farben der Kleidung viele verschiedene Bedeutungen haben.
Wir machen uns auf den Weg zum Palast und sind vom ersten Anblick fast erschlagen: Der Palast ist wirklich beeindruckend und sehr schön! Er hat auch eine interessante Entstehungsgeschichte, denn der Palast wurde mit jedem neuen Maharadscha immer größer. Er besteht eigentlich aus vielen Einzelgebäuden und Höfen, die mit der Zeit zu einem riesigen Palast zusammenwuchsen.
Tag 6 - Ein diebischer Affe
Wir sind immer noch in Udaipur, aber heute fahren wir nach Kumbhalgarh und Ranakpur. Mit unserem Fahrer machen wir uns schon früh morgens auf den Weg, dieser ist etwas wortkarg, aber in der Formel 1 hätte er sicherlich gute Chancen. Im Nu waren wir auch schon an unserem ersten Zwischenstopp: Kumbhalgarh.
Das ist eine riesige Festungsanlage, die 1.110 Meter hoch im Aravalligebirge liegt. Das Fort wurde seit der Erbauung im 15. Jahrhundert nur einmal erobert. Man merkt, dass wir in der Wüste sind. Es ist total heiß und wir mühen uns die vielen Treppen hinauf, um einen guten Blick auf das Tal zu erhaschen. Bald machen wir uns auch schon auf den Weg nach Ranakpur, einem Jainisten-Tempel (Jainismus ist eine Religion in Indien). Der Tempel wurde aus Marmor erbaut und besteht aus 1.444 Säulen. Um den Tempel zu betreten, muss man aber zunächst seine Schuhe ausziehen und sie in die Obhut eines "Schuhbewachers" übergeben. Der Tempel ist riesig und mit vielen Details verziert. Und das alles wurde von Hand in die Steine gemeißelt!
Erschlagen von den ganzen Eindrücken, machen wir im Schatten erst einmal eine Pause, trinken etwas und essen ein paar Chips. Josef und ich sind in ein Gespräch vertieft, als plötzlich etwas hinter uns im Gebüsch raschelt. Erschrocken drehen wir uns um, aber es ist nur ein Affe. Mit großen, runden Augen guckt er uns ganz unschuldig an. Auf einmal schießt er nach vorne und klaut uns unsere Tüte Chips, schnell verschwindet auf den nächsten Baum. Da sitzt er nun und schaut uns belustigend an, während er unsere Chips vertilgt. Aber wirklich böse können wir dem kleinen Racker nicht sein.
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letzte Aktualisierung: 07.11.2011
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