12.05.2010
Die Bürger Großbritanniens haben am 6. Mai ihre neue Regierung gewählt. Schon kurz nach der Wahl stand fest, dass keine der beiden großen Parteien des Landes - die Labour-Partei ("Arbeiterpartei") und die konservativen "Tories" - genügend Stimmen erhalten haben, um alleine regieren zu können. Nach mehrtägigen Gesprächen zwischen den Parteien stand schließlich fest: Die neue Regierung wird von den Konservativen und den Liberaldemokraten, der drittstärksten Kraft, gebildet. Der bisherige Regierungschef Gordon Brown von der Labour-Partei trat am 11. Mai von seinem Amt zurück. Zum neuen Premierminister wurde David Cameron von den Konservativen ernannt.
Das Wahlergebnis ist für Großbritannien ungewöhnlich: Seit 1945 wurde die Wahl bisher immer zwischen den beiden großen Parteien, der Labour und den Tories, entschieden. Für Gordon Brown und seine Labour-Partei bedeutet der Wahlausgang eine herbe Niederlage: Seit dem Wahlsieg Tony Blairs 1997, der damals neuer Premierminister wurde, war die Partei an der Macht. Die Konservativen konnten dagegen zulegen und sind nun die stärkste Kraft im britischen Unterhaus. Zwar zeigten sich die Liberaldemokraten enttäuscht vom Wahlergebnis, da sie sich mehr Sitze erhofft hatten, dennoch ist die drittstärkste Partei nun an der Regierung beteiligt.
Die Konservativen erreichten 306 Sitze (97 Sitze mehr als bei der vergangenen Wahl), die Labour-Partei 258 (91 Sitze weniger) und die Liberaldemokraten 57 (5 Sitze weniger) der insgesamt 649 Sitze im Unterhaus des britischen Parlaments. Von ihren Inhalten und Zielen sind die Liberalen der Labour-Partei zwar näher, doch hätten die Stimmen der Labour und der Liberaldemokraten nicht für ein gemeinsames Bündnis ausgereicht. Außerdem hatte Nick Clegg, Spitzenkandidat der Liberalen, vor der Wahl betont, dass er dem bisherigen Premierminister Gordon Brown nicht zum Machterhalt verhelfen wolle.
Ein ungleiches Bündnis
Die Politik der Labour-Partei hatte zuletzt immer weniger Zustimmung innerhalb der britischen Bevölkerung gefunden. Angesichts der Probleme des Landes wie die steigende Staatsverschuldung, die wachsende Arbeitslosigkeit und ein schwaches Wirtschaftswachstum sowie große Mängel im Bildungssystem wird es die neue Regierung nicht einfach haben. Uneinigkeiten innerhalb des ungleichen Regierungsbündnisses sind vorprogrammiert.
Ein großer Streitpunkt ist das britische Wahlsystem: Die Liberaldemokraten streben eine Änderung des "veralteten" Wahlrechts in Großbritannien an, das immer wieder in der Kritik steht. Beim britischen Mehrheitswahlrecht wird der Kandidat eines Wahlkreises mit einfacher Mehrheit gewählt - die Stimmen der weiteren Kandidaten verfallen einfach. In vielen anderen europäischen Ländern wie zum Beispiel Deutschland geben die Wähler dagegen auch eine "Zweitstimme" ab, bei der nicht das Mehrheitswahlrecht gilt, sondern die Parteien gemäß ihrer Stimmen anteilig Sitze im Parlament erhalten (weitere Informationen dazu hier.)
Wie laufen die Wahlen in Großbritannien ab?
Das britische Parlament (also die "Volksvertretung") besteht aus dem Monarchen (König oder Königin), dem Oberhaus (House of Lords) sowie dem Unterhaus (House of Commons). Die Mitglieder des Oberhauses sind Angehörige des "Verdienstadels", Adelige mit vererblichen Adelstiteln und anglikanische Bischöfe.
Die Abgeordneten des Unterhauses werden dagegen von den britischen Bürgern gewählt. Die Unterhauswahlen finden in Großbritannien alle vier bis fünf Jahre statt. Den Wahltermin bestimmt der amtierende Premierminister - im Allgemeinen liegt dieser zwischen dem 4. und 5. Jahrestag der vergangenen Wahl und fällt traditionsgemäß auf einen Donnerstag. Wahlberechtigt sind britische Bürger, die mindestens 18 Jahre alt sind.
Großbritannien (England, Wales, Nordirland und Schottland) ist in insgesamt 646 Wahlkreise eingeteilt - jedem Wahlkreis entspricht ein Sitz im Unterhaus des Parlamentes. Die Kandidaten für den jeweiligen Wahlkreis sind auf dem Stimmzettel dem Alphabet nach aufgelistet. Gewählt wird, wie erwähnt, nach dem Mehrheitswahlrecht: Jeder Wahlkreis vergibt einen Sitz im Parlament an denjenigen Kandidaten, der jeweils die meisten Stimmen erhalten hat. Das bedeutet: Selbst wenn weniger als die Hälfte der Wähler eines Wahlkreises für einen bestimmten Kandidaten stimmen, erhält dieser den Sitz, wenn er insgesamt die meisten Stimmen erhalten hat - sei es mit einer noch so knappen Mehrheit. Dies sehen viele als willkürlich und ungerecht an - und dadurch wird es schwierig, das Ergebnis der Wahl wirklich vorauszusagen.
Regierungschef und Staatsoberhaupt
Die neue Regierung wird von der Partei gebildet, welche die absolute Mehrheit - also mehr als die Hälfte aller Sitze - erreicht hat. Kommt keine der Parteien auf über 50 Prozent, einigen sich mehrere Parteien auf ein gemeinsames Regierungsbündnis. Der Premierminister ist der Regierungschef Großbritanniens. Er wird von dem Monarchen - derzeit Königin Elizabeth II. - ernannt. Im Allgemeinen wird er von der stärksten Partei gestellt.
Die Queen (Königin) ist zwar noch immer Staatsoberhaupt des Vereinigten Königreichs, Australiens und Kanadas, ihre Macht ist allerdings begrenzt. Der Monarch gilt in erster Linie als Vertreter des Landes, weniger ist es seine Aufgabe, politische Entscheidungen zu treffen. Großbritannien wird als "konstitutionelle Monarchie" bezeichnet, weil der Monarch zwar Oberhaupt des Staates ist, seine Macht jedoch durch eine Verfassung (Konstitution) eingeschränkt wird.
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