18.06.2007
Das Thema der Mainzer Kinderuni war diesmal ebenso interessant wie gruselig: Professor Dr. Urs Peschlow erzählte den Kindern von den alten römischen Katakomben - wohl einer der spannendsten Teile der Kunstgeschichte. Wenn sich die Wissenschaftler auf die Suche nach unterirdischen Grabstätten begeben, läuft uns ein kalter Schauer über den Rücken. Aber wer von uns würde sich nicht gerne einmal solch alte Bauten unter der Erde anschauen und etwa 2000 Jahre in der Zeit zurückreisen? Warum ließen sich die früheren Christen in riesigen Katakomben bestatten? Wie entstanden die unterirdischen Totenstätten des Alten Roms, und wie bestimmen heutige Forscher das Alter der Gräber?
Katakomben sind unterirdische Grabstätten, in denen Menschen zur letzten Ruhe gebettet wurden. Schon vor der Entstehung des Christentums pflegten viele Bewohner Roms, ihre Toten in Katakomben oder Grabhäusern zu beerdigen. Solche Katakomben waren allerdings nur den reicheren Menschen vorbehalten, da es nicht wenig kostete, Bauten über oder gar unter der Erde für die Toten und deren Familien errichten zu lassen. Üblicherweise wurden in einer Grabstätte alle Angehörigen einer Familie bestattet. Die weniger wohlhabenden Menschen begruben ihre Toten auf dem eigenen Grundstück oder in so genannten "Totenstädten" etwas abseits vom Weg.
Zu Beginn der Verbreitung des Christentums, dem damals "neuen Glauben", wurden viele Christen verfolgt und bestraft. Christ zu sein war im alten Römischen Reich nicht ungefährlich. Christliche Glaubensanhänger mussten sich bedeckt halten und konnten ihren Glauben nicht offen ausleben. Das bedeutet, sie durften keine Kirchen bauen und keine christlichen Rituale abhalten. Grundstücke, die Christen gehörten, konnten einfach enteignet werden, besonders wenn dort verbotene religiöse Kultstätten errichtet worden waren.
Katakombengräber: Die Christen wollten gemeinsam bestattet werden
Im 2. Jahrhundert ihrer Existenz begannen die Christen, sich als Gemeinden in Katakomben beisetzen zu lassen. Es war den Angehörigen des Christentums wichtig, zusammen als große christliche Gemeinschaft ihre letzte Ruhe zu finden, anstatt in getrennten Familiengräbern bestattet zu werden, wie es bei den Römern üblich war. Die Christen sahen sich als gleichwertige Anhänger einer großen Glaubensfamilie an und wollten deshalb gemeinsam vor das "Jüngste Gericht" treten.
Es entstanden riesige, unterirdische Labyrinthe, in denen man in Steinwände gehauene Nischen, Loculi genannt, findet. Sie waren gerade einmal groß genug, um einen Menschen darin unterzubringen, oder so klein, dass nur ein Gefäß darin Platz fand. Die kleinen Nischen waren speziell für die Asche der Feuerbestatteten. Zeitweise gab es aber kaum noch Feuerbestattungen, da sich im Christentum die Überzeugung durchsetzte, dass eine Auferstehung, wie sie in der Bibel beschrieben wird, nach einer Verbrennung nicht mehr möglich wäre. In Katakomben sind oft auch eigenständige Kammern zu finden, in denen Angehörige einer Familie beerdigt wurden.
Im Laufe der Jahrhunderte entstehen riesige Totenstätten
War eine Grabkammer belegt, wurde sie mit Verschlussziegeln abgeschlossen. Darauf waren Namen und persönliche Daten der Verstorbenen eingeritzt oder aufgemalt - ähnlich den Grabsteinen, wie wir sie heute kennen. Das Römische Reich hob das Verbot des Christentums etwas mehr als 300 Jahre nach Christi Geburt auf - und die christliche Gemeinde wuchs ständig.
Immer mehr Verstorbene wurden in den christlichen Katakomben des Alten Roms beigesetzt. Schon bald entstanden viele Gänge zwischen den kleinen Grabkammern, um diese zu einer riesigen, unübersichtlichen Katakombe zu verbinden. Aber auch in den Gängen gab es bald keinen Platz mehr für neue Nischen, und so wurden sie einfach nach unten hin abgetragen. Die Wände wurden somit höher, und es entstand Platz für weitere Grabkammern.
Damals wie auch heute werden Grabstätten wie Friedhöfe, Totenstädte und Katakomben außerhalb bewohnter Gebiete angelegt. Totenstätten, die sich heute in einer Stadt oder einem Ort befinden, lagen einst entfernt der Zivilisation. Zum einen, damit die Toten ihren Frieden finden konnten, zum anderen, da der Tod als "unrein" galt. Die Städte und Orte haben sich aber mit der Zeit vergrößert - und die Grabstätten, die oft sehr alt sind, lagen irgendwann nicht mehr außerhalb, sondern inmitten der Stadt, die um sie herum gewachsen war.
Menschliche "Gräber" begleiteten die Verstorbenen auf dem letzten Weg
Zugang zu den Katakomben hatte meistens nur der so genannte "Fossor" - also der "Gräber". Er meißelte die Nischen oder Grabkammern und verkaufte diese. Eine Beisetzung fand nicht in der Katakombe statt, sondern davor oder in einem dafür vorgesehenen Gebäude. Nach der Feier wurde der Tote dem Gräber übergeben, der ihn dann zu der angekauften Kammer oder Nische in der Katakombe brachte, hineinlegte und die Nische verschloss.
Angehörige von Verstorbenen trafen sich zur Erinnerung und Ehrung des Toten vor dem Eingang der Katakombe, um dort ein Totenmahl abzuhalten. Sie glaubten, dass der Verstorbene bei einem solchen Mahl bei ihnen wäre. Eher selten findet man in den Katakomben auch Steinsarkophage. Es erscheint fast wie ein Wunder, dass Menschen diese schweren und sperrigen Gegenstände durch die engen Gänge schleppen und in einer Grabkammer aufstellen konnten.
Auf der Suche nach verschütteten, längst vergessenen Totenkammern
Erst 500 Jahre nach Christi Geburt entschloss sich die Kirche, überirdische Gräber - also Gräber, die oberhalb der Erde zugänglich sind -, anzulegen. So entstanden die Friedhöfe, wie wir sie heute kennen. Durch viele Kriege und Plünderungen, nach denen das Römische Reich schließlich zerfiel, gerieten zahlreiche Katakomben in Vergessenheit.
Die Eingänge wurden verschüttet und sind über die Jahre so zugewachsen, dass sie nicht mehr aufzufinden waren. Viele Wissenschaftler begeben sich auf die Suche nach ihnen. Stoßen sie auf alte Grabstätten oder neue Gänge bereits bekannter Katakomben, beginnt die Arbeit der Kunstgeschichtler. Mit Hilfe des Wissens über die Kunstgeschichte können die Forscher das ungefähre Alter der Totenstätten bestimmen.
Wie kann das Alter eines Grabes bestimmt werden?
Da die Gänge der Katakomben bei Erweiterungen tiefer gegraben wurden, liegen die ältesten Nischen oft unerreichbar hoch. Waren sie zu Anfang noch einfach vom Boden zu erreichen, wurde dies über die Jahrhunderte immer schwieriger, da der Boden tiefer ins Erdreich gegraben wurde. Daran orientieren sich die Wissenschaftler, wenn sie das Alter der Nischen bestimmen: an der Lage der Grabkammer in der Katakombe. Auch Zeichnungen, Malereien oder Bildhauereien gilt es, einzuordnen und zu deuten.
Auf den Verschlussziegeln der Kammern oder Familiengrüfte finden sich keine Daten, wie wir sie heute kennen, wie "geboren am ..." oder "gestorben am...". Anhand der künstlerischen Funde kann das Alter aber ungefähr bestimmt werden. Es werden zum Beispiel gefundene Motive verglichen und der Mode verschiedener Zeitepochen zugeordnet. Anhand der Frisur einer abgebildeten Frau auf einem Verschlussziegel könnte mit bereits gesammelten Informationen bestimmt werden, wann die Malereien angefertigt und somit die Toten zu ihrer letzten Ruhe gebettet wurden.
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