von Britta Pawlak - 30.06.2010
Seit Mittwochabend (30. Juni) steht fest, wer nach dem Rücktritt von Horst Köhler das Amt des deutschen Bundespräsidenten einnehmen wird: Christian Wulff, der Kandidat der Christlich Demokratischen Union (CDU) und der Freien Demokratischen Partei (FDP), wird das neue Staatsoberhaupt. Wie wird der Bundespräsident gewählt und welche Aufgaben hat er?
Erst im dritten Wahlgang erhielt Christian Wulff genügend Stimmen und konnte sich gegen Joachim Gauck, den Kandidaten der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) und Bündnis 90/Die Grünen, durchsetzen. Der CDU-Politiker Wulff war seit 2003 Ministerpräsident des Bundeslandes Niedersachsen.
Zu den Neuwahlen kam es, weil der vorherige Bundespräsident Horst Köhler am 31. Mai überraschend vier Jahre vor dem offiziellen Ende seiner Amtszeit zurücktrat. Köhler war seit 2004 im Amt und wurde bei der Wahl zum Bundespräsidenten 2009 für fünf Jahre wiedergewählt.
Christian Wulff wird am 2. Juli als neuer Bundespräsident vereidigt. Der Sitz des Bundespräsidenten ist im Schloss Bellevue in Berlin. Er ist zwar deutsches Staatsoberhaupt, hat aber vor allem "repräsentative" Aufgaben. Das bedeutet, der Bundespräsident tritt als Vertreter des deutschen Staates auf, seine Macht ist aber begrenzt.
Wie wird der Bundespräsident gewählt?
Der Bundespräsident wird nicht von den Bürgern direkt gewählt. Prinzipiell kann jeder deutsche Staatsbürger in das Amt gewählt werden, der mindestens 40 Jahre alt ist. Er muss allerdings zuvor von mindestens einem Mitglied der Bundesversammlung vorgeschlagen werden. Diese hat ausschließlich die Aufgabe, den Bundespräsidenten zu wählen.
Die Bundesversammlung setzt sich zusammen aus Mitgliedern des Bundestags und einer gleichen Anzahl von Wahlmännern und -frauen, die von den einzelnen Landtagen (also den 16 deutschen Bundesländern) gewählt wurden. Die Vertreter aus den Bundesländern müssen nicht unbedingt Politiker, sondern können auch berühmte Persönlichkeiten sein.
Der Bundespräsident wird von der Versammlung geheim gewählt und muss die absolute Mehrheit (also mehr als die Hälfte aller Stimmen) erreichen. Sollte dies in zwei Wahlgängen kein Kandidat schaffen, ist in einem dritten Wahlgang auch eine relative Mehrheit ausreichend. Dies ist nur selten der Fall.
Rückschlag für Schwarz-Gelb unter Angela Merkel
Obwohl die CDU gemeinsam mit der FDP die Bundesregierung stellt und die meisten Vertreter in der Bundesversammlung hat, erhielt ihr Kandidat Christian Wulff in den ersten beiden Wahlgängen nicht die absolute Mehrheit der Stimmen. 19 der insgesamt 644 Vertreter aus dem eigenen Lager stimmten auch im dritten Wahlgang nicht für ihren Kandidaten.
Luc Jochimsen, die Kandidatin der Linken, und Frank Rennicke, der Kandidat der rechtsextremen NPD, traten nicht mehr zum letzten Wahlgang an. Die Linke hatte schon zuvor angekündigt, sich im dritten Wahlgang größtenteils zu enthalten.
So wurde Christian Wulff in diesem entscheidenden Wahlgang doch noch mit absoluter Mehrheit gewählt, wobei auch eine einfache Mehrheit ausgereicht hätte. Für die schwarz-gelbe Bundesregierung unter Kanzlerin Angela Merkel ist dies dennoch ein Rückschlag - die Wahl zeigt, dass der Unmut auch in den eigenen Reihen groß ist.
Ernennung des Kanzlers und Auflösung des Bundestags
Der Bundespräsident darf nicht der Bundes- oder Landesregierung angehören und während seiner Amtszeit kein anderes Amt und keinen anderen Beruf ausüben. Falls er - wie Christian Wulff - einer Partei angehört, soll er seine Mitgliedschaft während seiner Zeit als Bundespräsident ruhen lassen.
Zu den Aufgaben des Bundespräsidenten gehören zum Beispiel Staatsbesuche in anderen Nationen oder der Empfang von ausländischen Gästen wie Staatschefs. Weiterhin ernennt der Bundespräsident den Bundeskanzler, die Bundesminister und die Bundesrichter. Damit entscheidet er allerdings nicht darüber, wer Kanzler wird - dieser wird von der stärksten Partei vorgeschlagen und vom Bundestag gewählt.
Ein wichtiges Recht des Bundespräsidenten ist es, den Bundestag nach einer abgelehnten Vertrauensfrage aufzulösen. Dies geschah zum Beispiel im Juli 2005: Gerhard Schröder, der damalige Bundeskanzler, stellte vor dem Parlament die so genannte "Vertrauensfrage". Er verkündete, nicht mehr genügend Rückhalt im Bundestag zu haben und in dieser Situation nicht mehr richtig regieren zu können. Schröder verlor die Vertrauensfrage: Nur weniger als die Hälfte der Mitglieder des Bundestages standen noch hinter seiner Politik. Daraufhin wurde der deutsche Bundestag von Horst Köhler aufgelöst und es wurden vorzeitige Neuwahlen einberufen.
Der Bundespräsident entscheidet auch über die Begnadigung (also die vorzeitige Entlassung) von Gefangenen. So hat der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler zum Beispiel das Gnadengesuch von Christian Klar, dem ehemaligen RAF-Terroristen, im Jahr 2007 abgelehnt.
Bloßer "Notar des Staates"?
Eine entscheidende Aufgabe des Bundespräsidenten ist es, Verträge mit anderen Ländern oder Gesetze, die ihm zur Prüfung vorgelegt werden, zu unterschreiben. Damit erhält ein zuvor beschlossenes Gesetz dann seine Gültigkeit und kann in Kraft treten.
Von einigen wird der Bundespräsident immer wieder als "Bundesnotar" bezeichnet. Dies soll heißen, dass seine Unterschrift bloß formal ist, er aber keinen wirklichen Handlungsspielraum hat. Bis zu einem gewissen Grad hat der Bundespräsident aber durchaus das Recht, selbst zu urteilen und nach seinem Ermessen über ein Gesetz, das ihm vorgelegt wird, zu entscheiden. Im Jahr 2006 hat Horst Köhler zweimal seine Unterschrift zu einem Gesetz verweigert, das sich seiner Ansicht nach nicht mit der Verfassung vereinbaren ließ.
Grundsätzlich gilt: Sofern er nur am Vollzug der Entscheidung anderer mitwirken soll, hat der Bundespräsident die Pflicht, etwas auszufertigen - selbst, wenn er persönlich nicht damit einverstanden ist. Der Bundespräsident ist aber nicht gezwungen, ein Gesetz zu unterzeichnen, das nach seiner Meinung gegen Inhalte des Grundgesetzes verstößt. Für die Verweigerung seiner Unterschrift müssen also wichtige Gründe vorliegen. Zudem hat der Bundespräsident nicht das letzte Wort, wenn es um die Rechtmäßigkeit von Gesetzen geht: Liegen berechtigte Zweifel vor, ob ein Gesetz sich mit der deutschen Verfassung vereinbaren lässt, kann auch nach der Unterzeichnung des Bundespräsidenten das Bundesverfassungsgericht - das höchste deutsche Gericht - darüber entscheiden.
Hinweis zum Copyright: Die private Nutzung unserer Webseite und Texte ist kostenlos. Schulen und Lehrkräfte benötigen eine Lizenz. Weitere Informationen zur SCHUL-LIZENZ finden Sie hier.
Wenn dir ein Fehler im Artikel auffällt, schreib' uns eine E-Mail an redaktion@helles-koepfchen.de. Hat dir der Artikel gefallen? Unten kannst du eine Bewertung abgeben.