Paul Maar - Der Erfinder des Sams

Zum 75. Geburtstag des Jugendbuchautors

von Tanja Lindauer - 13.12.2012

Fast jedes Kind in Deutschland kennt "Herrn Bello" oder das "Sams". Sei es in den Büchern oder auf der Leinwand - bei dem Schlamassel, den das freche Sams anstellt, bleibt kein Auge trocken. Aber nicht nur das vorwitzige Fabelwesen sorgt für jede Menge Spaß, auch der König in der Kiste oder die Opodeldoks erleben tolle Abenteuer. Was diese Figuren alle gemeinsam haben? Sie wurden von dem Schriftsteller Paul Maar erfunden. Dieser feiert am 13. Dezember 2012 seinen 75. Geburtstag.

Der Kinderbuchautor Paul Maar wird am 13. Dezember 75 Jahre alt. Wir gratulieren ganz herzlich! Über 40 Bücher hat er schon geschrieben und dafür viele Auszeichnungen erhalten. (Quelle: Sigismund von Dobschütz, Wikimedia Commons)

Am 13. Dezember 1937 erblickte Paul Maar in Schweinfurt das Licht der Welt. Drei Monate nach seiner Geburt verstarb seine Mutter und so kümmerten sich fortan verschiedene Hausmädchen um den Jungen. Zudem war sein Vater ziemlich streng, seine Kindheit war also alles andere als unbeschwert. Eines Tages heiratete sein Vater erneut und Paul Maar bekam eine Stiefmutter. Zu dieser Zeit wütete bereits der Zweite Weltkrieg und es war unmöglich für Paul, eine normale, glückliche Kindheit zu führen. In diesen gefährlichen und unsicheren Zeiten mussten die Menschen ständig um sich und die eigene Familie bangen.

Pauls Vater musste bald in den Krieg ziehen und kehrte nach Kriegsende 1945 zunächst nicht nach Hause zurück, da er sich in Kriegsgefangenschaft befand. Pauls Stiefmutter suchte daher in ihrem Elternhaus Hilfe und ihr Vater kümmerte sich von nun an liebevoll um ihn. Schon damals hatte Paul eine blühende Fantasie und erfand Geschichten, die er in einem Heft aufschrieb. Auch sein Stief-Großvater, der ihn zum Schreiben ermutigte, war ein großartiger Geschichtenerzähler. Jeden Abend soll er die Besucher seiner Gastwirtschaft mit einer selbst erfundenen Geschichte in den Bann gezogen haben, die er dann Abend für Abend fortführte.

Als Pauls Vater aus der Gefangenschaft zurückkehrte, zog die Familie zurück in die Stadt Schweinfurt. Im Gegensatz zum Großvater war er aber alles andere als begeistert, dass Paul so viele Bücher las. Er hielt Lesen für eine unnütze Zeitverschwendung und bestrafte seinen Sohn manchmal hart dafür. Wenn er Paul beim Lesen erwischte, sagte er oft, dass der Junge wohl nichts zu tun habe und daher den Hof fegen solle. Er wollte nicht, dass sein Sohn seine "Zeit verschwende". Aber Paul liebte das Lesen viel zu sehr, als es sich verbieten zu lassen, und so las er heimlich bei seinem Freund. Er lieh sich aus der Bibliothek viele Bücher aus und verschlang sie regelrecht.

Da es nach dem Krieg nicht allzu viele Jugendbücher gab, las Paul auch zahlreiche Romane für Erwachsene. Zudem waren die Gebühren in den Bibliotheken nach dem Krieg ein regelrechter Luxus. So lieh sich Paul die meisten Bücher aus dem Amerika-Haus aus, das überhaupt keine Jugendbücher führte, denn hier war die Ausleihe noch kostenlos. Als Kind wurde er häufig von seinen Mitschülern gehänselt, was ihm das Leben nur noch schwerer machte. In einem späteren Interview sagte Paul Maar einmal, dass seine "verkorkste Kindheit" vielleicht auch zu seinem Erfolg beigetragen habe. Denn es gäbe zwei Arten von Kinderbuchautoren: "Entweder waren sie so wohlbehütet wie Astrid Lindgren, die von dieser sonnigen Kindheit zehrte. Oder aber sie hatten es schwer und erfinden sich später die Kindheit, die sie nicht gehabt hatten. Ich zähle mich zu den Zweiten."

Die Idee, Geschichten für Kinder zu schreiben

Die bekannteste Figur des Schriftstellers Paul Maar ist sicherlich das Sams. Gemeinsam mit Herrn Taschenbier erlebt es ziemlich viele Abenteuer. Dabei könnten die beiden unterschiedlicher gar nicht sein. Herr Taschenbier ist schüchtern und zurückhaltend, das Sams aber ganz schön vorlaut und frech. (Quelle: Immanuel Giel, Wikimedia Commons)

Als Paul das Gymnasium in Schweinfurt besuchte, behielt er seine Leidenschaft bei. Er arbeitete dort bei der Schülerzeitung mit und lernte zu dieser Zeit auch Nele Ballhaus kennen, die er später einmal heiraten sollte. Nachdem er das Abitur in der Tasche hatte, begann er ein Studium der Malerei und der Kunstgeschichte an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart. In den Ferien arbeitete der Geschichtenerzähler als Theaterfotograf und Bühnenbildner. Und nach seinem Studium war Paul Maar einige Jahre als Kunstlehrer am Gymnasium in Crailsheim tätig. Schon als Kind fand Paul die Vorstellung schrecklich, ein Leben lang den gleichen Beruf auszuüben. Heute schreibt Paul Maar nicht nur Bücher, sondern auch Drehbücher für Filme, weiterhin illustriert er Texte mit Bildern oder übersetzt gemeinsam mit seiner Frau Bücher.

Aber wie kam es überhaupt dazu, dass Paul Maar, der Kunst studiert hatte, Schriftsteller wurde? Die Idee, ein Buch für Kinder zu schreiben, wuchs in ihm, als er selbst Vater wurde. Der Autor hat insgesamt drei Kinder, die heute alle erwachsen sind. Die Bücher für Kinder in der Bibliothek fand er als junger Vater nicht sonderlich gelungen. Er überlegte, was er selbst als Kind gerne gelesen hätte und sammelte Ideen. Paul Maar erinnerte sich einmal an seine Motivation: "Die Bücher, die ich meinen Kindern damals als Student aus der Stadtbibliothek mitgebracht und vorgelesen habe, gefielen mir alle nicht. Sie waren verstaubt und konventionell (also althergebracht und altmodisch) und atmeten zum Teil noch den Geist des Dritten Reiches."

Er wollte für seine Kinder bessere Erzählungen schreiben, die sie mitreißen würden. Das Ergebnis war sein erstes Kinderbuch: "Der tätowierte Hund", das er 1967 schrieb, besteht aus einer Sammlung von Geschichten und beginnt folgendermaßen: "Eines Tages - es war nachmittags gegen halb fünf - kam ein Hund in den Urwald und traf dort einen Löwen." Es handelt sich aber nicht um einen gewöhnlichen Hund, sondern vielmehr um einen Märchenhund, der dem Löwen Geschichten zu den Bildern erzählt, die in seinem Fell eintätowiert sind.

Der große Durchbruch als Schriftsteller

Paul Maar gefielen die Bücher nicht, die er als junger Vater für seine Kinder aus der Bibliothek mitbrachte - er fand sie langweilig, verstaubt und angepasst. So beschloss er, seinen Kindern eigene Geschichten zu erzählen, die ihm selbst als Kind gefallen hätten. (Quelle: Dagny Giel, Wikimedia Commons)

Paul Maar zeigte das Manuskript einer Buchhändlerin in Stuttgart und kurze Zeit später erhielt Maar schon eine Einladung vom Oetinger Verlag. Der Verleger Friedrich Oetinger hatte allerdings eine Bedingung: Wenn Paul Maar nur daran denke, ein einziges Kinderbuch zu schreiben, um sich dann der erwachsenen Literatur zu widmen, dann solle er sein Manuskript lieber wieder einpacken und nach Hause fahren. Oetinger habe nämlich keine Lust dazu, einen Autor aufzubauen, der sich dann wieder "aus dem Staub" mache. Eigentlich war genau das zunächst sein Plan gewesen, doch es sollte ganz anders kommen. So nahm Paul Maars Karriere als Kinderbuchautor ihren Anfang und sein erstes Kinderbuch erschien 1968.

Durch seine Arbeiten am Theater kam es dazu, dass Paul Maar den Anstoß für seine erste Kindergeschichte für das Theater bekam: Er hörte einmal, wie sich der Intendant des Theaters darüber beschwerte, dass es für Kinder keine neuen Theaterstücke gebe. Denn auch Kinder hätten doch schließlich ein Recht darauf, schöne Theaterstücke zu sehen, die sich nicht ständig wiederholten. Also machte sich der Schriftsteller ans Werk und schrieb sein erstes Theaterstück namens "Der König in der Kiste". Und tatsächlich kam das Stück, das 1970 zum ersten Mal aufgeführt wurde, am Theater gut an. Das zweite Stück, "Kikerikikiste", folgte schon bald und wurde zum Erfolg auf ganzer Linie. Paul Maar war dieser große Durchbruch beinahe unheimlich und er hatte Sorge, dass ein weiteres Stück nicht den gleichen Anklang finden könne.

Also schrieb er zur Abwechslung einen Roman namens "Summelsarium", der an dem Buch "Der tätowierte Hund" anknüpfte. Hierin werden "13 wahre Lügengeschichten" erzählt und der Leser erfährt so allerhand, etwa was eine chinesische Schwarzpelzlangschwanzrundohr-Zuchtmaus mit Spezialzähnen alles anstellt. Bestimmt hast du schon gemerkt, dass es das Wort Summelsarium gar nicht gibt - hier hat sich der Fehlerteufel eingeschlichen, denn eigentlich heißt es ja Sammelsurium. Das war von Paul Maar natürlich so beabsichtigt. Die fantastischen und ungewöhnlichen Geschichten sprudelten scheinbar nur so aus ihm heraus und so wurde ein Jahr später, 1973, "Eine Woche voller Samstage" veröffentlicht.

Das Sams: Ein Fantasiewesen wird berühmt

Paul Maar sagte einmal, dass die eigentliche Hauptfigur in den "Sams"-Geschichten Herr Taschenbier sei. Er habe ihm das freche und mutige Sams an die Seite gestellt - ausgestattet mit all den Eigenschaften, die Herr Taschenbier selbst nicht ausleben könne. (Quelle: Immanuel Giel, Wikimedia Commons)

Beinahe jedes Kind in Deutschland kennt das rüsselnasige Wesen mit dem grünen Gesicht und den blauen Punkten darauf: Das Sams stellt jede Menge Blödsinn an und liebt es, einen Taucheranzug zu tragen. Denn so ein Anzug ist ganz schön praktisch für ein Sams, es wächst nämlich an einem Tag so viel wie ein Menschenkind im Jahr. Außerdem passt der Trommelbauch so herrlich in diesen Anzug hinein. Reime und Lieder gehören zum Sams ebenso dazu wie die rot-orangefarbenen strubbligen Haare. Das Aussehen des Sams wurde übrigens auch von Paul Maars Kindern mitbestimmt, denn sie erwiesen sich als sehr kritische Begutachter. So waren sie erst nach dem zwanzigsten Versuch mit dem Aussehen des Fantasiewesens wirklich zufrieden.

Als das Sams zum ersten Mal Herrn Taschenbier trifft, sind diese nicht auf Anhieb dicke Freunde, ganz im Gegenteil versucht dieser, das "nervtötende" Etwas schnell wieder loszuwerden. Aber das Sams erweist sich bald nicht nur als sehr unterhaltsam, sondern auch als durchaus liebenswert, selbst wenn es ständig Unsinn anstellt. Auch die Punkte in seinem Gesicht sind äußerst praktisch, denn dank ihnen kann Herr Taschenbier die verrücktesten Wünsche wahrwerden lassen. Paul Maar hat immer wieder neue Ideen, was Herr Taschenbier, die ganze Familie und das Sams erleben können. Und langweilig wird es garantiert nicht! Die ersten beiden Bücher wurden auch im Theater der Augsburger Puppenkiste aufgeführt und im Fernsehen ausgestrahlt. Schon früh eroberte das Sams also die Bildschirme. Der Weg zur Leinwand war da nicht mehr weit und so kam 2001 "Das Sams" in die Kinos - und einige weitere "Sams"-Filme sollten folgen.

Übrigens: Weil in den "Sams"-Büchern so viele Wortspiele (etwa zu den Wochentagen) auftauchen, sind sie nur schwer in andere Sprachen übertragbar. Schon einige Übersetzer haben sich daran versucht, doch bisher wurde das Werk nur in sehr wenige europäische Sprachen - wie Schwedisch und Niederländisch - übersetzt. Einfacher war es in einigen asiatischen Sprachen, in denen sich leichter Entsprechungen zu den Wortspielen finden lassen. So wird das Sams auch in Japan und anderen asiatischen Ländern von den Kindern gelesen!

Nachdem Paul Maar mit seinen Kinderbüchern so erfolgreich geworden war, entschied er sich, den Beruf als Kunstlehrers an den Nagel zu hängen. Mittlerweile sind über 40 Bücher von Paul Maar erschienen, von denen viele ausgezeichnet wurden und in mehr als 15 Sprachen übersetzt wurden. Eine ganz besondere Auszeichnung sind für Paul Maar allerdings die Leserbriefe der Kinder, die ihn immer wieder erreichen.

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Co-Autorin: Britta Pawlak
letzte Aktualisierung: 13.12.2012

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