von Anna Schäfer - 23.12.2006
Thomas Reiter und seine Kollegen waren fast ein halbes Jahr im All auf der Internationalen Raumstation ISS. Nach ihrem 167 Tage langen Einsatz sind sie nun nach Hause zurück gekehrt. Wegen einer Reparatur trennte sich der Shuttle nicht - wie geplant - am vergangenen Montag von der Raumstation. Erst am Dienstag (19.12.) startete die Raumfähre "Discovery" ihren Rückflug zur Erde. Am Freitag, den 22. Dezember, landete der Space Shuttle in Florida.
Zunächst hatte die Nasa die Landung aufgrund der Wettervorhersage nach New Mexico verlegen wollen. Die Raumfähre musste wegen der Wolkenschicht noch eine "Runde" im All zurücklegen. Sie landete am Freitagabend dann aber doch pünktlich um 21.56 Uhr Mitteleuropäischer Zeit auf dem Weltraumbahnhof Cape Canaveral im US-Staat Florida. "Ich gratuliere zum bisher kompliziertesten Weltraumeinsatz", sagte Ken Ham vom Bodenkontrollzentrum in Houston.
Der deutsche Astronaut Thomas Reiter und seine Kollegen waren froh, das Weihnachtsfest gemeinsam mit ihren Familien verbringen zu können. Der Abschied fiel Reiter dennoch schwer. Über seinen Einsatz an Bord der ISS sagte er: "Die fünfeinhalb Monate waren nicht nur interessant, sie waren aufregend." Seit dem 4. Juli hatte der Astronaut in der Internationalen Raumstation ISS gelebt. Dort führte er für Wissenschaftler in ganz Europa wichtige Experimente durch. Er hat nun fast ein halbes Jahr lang rund 360 Kilometer über dem Erdboden verbracht - so lange wie noch kein anderer europäischer Astronaut vor ihm.
Start ins All
Zweimal musste der Start im Sommer 2006 wegen schlechten Wetters verschoben werden, beim dritten Mal klappte es: Am 4. Juli machte sich der deutsche Astronaut Thomas Reiter mit sechs weiteren Kollegen auf den Weg ins All. Der Space Shuttle (oder die Raumfähre) "Discovery" brachte sie vom Weltraumbahnhof Cape Canaveral zur Internationalen Raumstation "International Space Station", die unter ihrer Abkürzung ISS bekannt ist.
Dort, etwa 360 Kilometer über dem Erdboden, dockten sie zwei Tage später ohne größere Zwischenfälle an. Während Reiters Weggefährten zehn Tage später wieder den Heimweg antraten, blieb der deutsche Astronaut wie geplant an Bord der ISS, um dort als zweiter Bord-Ingenieur seine Kollegen Pawel Winogradow aus Russland und Jeffrey Williams aus den USA zu unterstützen. Beide lebten und arbeiteten bereits seit März auf der Raumstation und blieben bis September dort.
Arbeiten in einer lebensfeindlichen Umgebung
Gemeinsam sorgte das Team dafür, dass auf der Raumstation alles reibungslos funktioniert. Die ISS muss ständig gewartet werden, damit keine technischen Fehler auftreten. Das ist enorm wichtig, denn wenn dort oben etwas schief laufen sollte, hätten die Astronauten kaum eine Chance zu überleben. Im All gibt es zum Beispiel fast keine Luft, die Räume der Station müssen deshalb ständig mit Sauerstoff versorgt werden. Auch der Luftdruck in der ISS muss mit technischen Mitteln so hoch gehalten werden wie auf der Erdoberfläche, damit Menschen dort leben können.
Schon seit 1998 kreist die ISS um die Erde - und das 16 Mal am Tag. Nach und nach wird sie erweitert und ausgebaut. Am Ende soll sie so groß sein wie ein Fußballfeld: 110 mal 90 mal 80 Meter. An ihrem Bau sind viele verschiedene Länder beteiligt. Neben der US-amerikanischen Weltraumorganisation Nasa unterstützen auch Russland, Japan, Brasilien, Kanada und die europäische Weltraumorganisation Esa (European Space Agency) das Projekt. Thomas Reiter war der erste Esa-Astronaut, der an einer Langzeit-Mission in der ISS teilnahm.
Spaziergang im Weltraum
Neben den alltäglichen Arbeiten und Experimenten auf der Raumstation erwartete Reiter auch noch ein ganz besonderer Einsatz: Von einem Raumanzug geschützt sollte er das Innere der ISS verlassen und Reparaturen an der Außenwand der Station durchführen. Darin hat Reiter bereits Übung, denn bei seinem Aufenthalt auf der russischen Raumstation Mir im Jahr 1995 führte er bereits zwei ähnliche Einsätze durch.
Bei dem Spaziergang im Weltraum bewegte sich Thomas Reiter freischwebend im All. Viele Menschen beneiden ihn um diese Erfahrung. Ungefährlich ist ein solches Vorhaben jedoch nicht. Der Raumanzug stellt den einzigen Schutz gegen die lebensfeindliche Umgebung dar und muss extreme Druck- und Temperatur-Unterschiede ausgleichen.
Der Esa-Astronaut wurde aber nicht nur ins All geschickt, um Reparaturarbeiten zu erledigen. Im Rahmen der Mission "Astrolab" sollte er die Schwerelosigkeit in der Raumstation nutzen, um wichtige Experimente durchzuführen. Die Versuche für diese Mission wurden von wissenschaftlichen Einrichtungen in ganz Europa zusammengestellt.
Experimente in der Schwerelosigkeit
Mit Spannung erwarten die Wissenschaftler auf der Erde die Ergebnisse der medizinischen, biologischen und physikalischen Experimente. Sie sollen zum Beispiel wichtige Erkenntnisse über den Gleichgewichtssinn des Menschen liefern. Außerdem soll geklärt werden, ob und wie Pflanzen in der Schwerelosigkeit wachsen.
Ein Experiment führte Thomas Reiter von der ISS aus über eine Video-Verbindung gemeinsam mit Schülern auf der Erde durch. Darin ging es um das Verhalten von Flüssigkeiten in der Schwerelosigkeit und unter Schwerkraft-Einfluss. Die Schüler auf der Erde und der Astronaut im All vermischten klares Öl und mit Tinte gefärbtes Wasser in einem Behälter und beobachteten dann, wie sich die Flüssigkeiten auf der Erde und im Weltraum verhalten würden.
Reiter bereitete an seinem Arbeitsplatz auch die Ankunft des europäischen Forschungslabors "Columbus" vor, das im kommenden Jahr an der ISS andocken soll. In dieser kleinen, aber perfekt ausgerüsteten Forschungsstation sollen dann weitere wichtige Experimente durchgeführt werden.
Wie schläft es sich schwebend?
Die deutsche Bundeskanzlerin hatte dem Astronauten am Telefon eine interessante Frage gestellt: "Wie fühlt es sich an zu schweben?", wollte Angela Merkel wissen. "Es ist ein tolles Gefühl", antwortete Thomas Reiter, "besonders beim Einschlafen". Man liege nicht auf dem Rücken, auf der Seite oder auf dem Bauch, sondern schwebe leicht im Raum, nur von dem Schlafsack gehalten. Reiter: "Morgens wache ich dann immer frisch und ausgeruht auf."
Auch wenn Thomas Reiter mit Leib und Seele Astronaut ist - nach diesen sechs Monaten freut er sich bestimmt doch, wieder zur Erde zurückzukehren. Schließlich warten auf den 48-Jährigen hier seine Familie, seine Frau und die zwei Söhne, die er von der ISS aus nur einmal in der Woche in einer Video-Konferenz sehen konnte. Und auf ein gutes Essen aus frischen Zutaten freut sich Reiter, der in seiner Freizeit gerne kocht, bestimmt auch.
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