Das Murmeltier - Ein pfiffiger Tunnelexperte

von Sylvia Reeg

Wer schon einmal in den Bergen wandern war, hat dabei vielleicht ein putziges Tierchen gesehen und gleich erkannt: das muss ein Murmeltier sein. Denn der pelzige Nager ist in der Tierwelt der Berge einzigartig. Unverwechselbar ist sein Pfeifen, beeindruckend sind seine Künste als Tunnelgräber und seine Schlafgewohnheiten sind legendär. Einige Artgenossen sind wegen Bedrohung ihres Lebensraumes gefährdet. Kann das Murmeltier auch murmeln - oder woher kommt sein Name? Wie und wo lebt das Tier eigentlich und wieso kann es den Winter vorhersagen?

Das Murmeltier lebt in einem Erdloch in den Bergen. (Quelle: Peter Freitag/ pixelio.de)

Das wohl berühmteste Murmeltier der Welt lebt in den USA. Sein Name ist Phil und es ist von Beruf "Wetterfrosch": Jedes Jahr am 2. Februar, dem traditionellen Murmeltiertag, sagt Phil vorher, wie lange der Winter noch andauern wird. Bei Sonnenaufgang wird er von den Bewohnern seiner Heimatstadt Punxsutawney in Pennsylvania aus seinem Bau geholt. Erschrickt er sich vor seinem eigenen Schatten und zieht sich zurück, so müssen sich die Menschen auf sechs weitere Winterwochen einstellen - so sagt man. Sieht Phil seinen Schatten jedoch nicht, weil der Himmel bewölkt ist, so liegt bereits der Frühling in der Luft.

Aber was hat das Murmeltier eigentlich mit Murmeln zu tun? Seinen eigentlichen Namen verdankt es den alten Römern. Sie nannten es lateinisch "mus alpinus" oder "mus montis", was so viel wie "Alpenmaus" bedeutet, denn es lebt in einem Erdloch in den Bergen. Im Althochdeutschen entwickelte sich der Name zu "murmunto" und noch heute lautet der Fachbegriff "Marmota". Mit Murmeln hat der Name also gar nichts zu tun. Insgesamt gibt es 14 Unterarten von Murmeltieren, die allesamt Bewohner kalter Steppen, vor allem Euroasiens und Nordamerikas, sind.

In Europa kennen wir vor allem das Alpenmurmeltier (Marmota marmota). Sein natürlicher Lebensraum erstreckt sich über Teile der Schweiz, Frankreichs, Italiens sowie den Westen Österreichs und die Hohe Tatra. In den Alpen Deutschlands sind vor allem das Allgäu und das Berchtesgadener Land sein zu Hause. Aber auch im Schwarzwald oder der Schwäbischen Alb konnten die beliebten Nager erfolgreich angesiedelt werden. Je nach Gegend wird das Alpenmurmeltier auch liebevoll als Mankei, Murmele oder Marmotte bezeichnet. Nach den Stachelschweinen und dem Biber ist es das drittgrößte Nagetier Europas.

Perfekte Tarnung und Ausrüstung

Das Alpenmurmeltier ist nicht nur ein Nage-, sondern ebenso ein Grabetier. Auch hierauf ist sein Körperbau perfekt abgestimmt. Die Vorderpfoten sind sehr kräftig und mit langen Krallen ausgestattet, mit denen es lange Gänge buddelt. (Quelle: Maxe.wiki/ Maximilian Narr, Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0))

Das Fell des Alpenmurmeltiers ist dicht und struppig. Seine grau-braune Farbe passt sich der natürlichen Umgebung aus Erde, Fels und Wiese perfekt an. Bauch und Kopf sind meist etwas heller, der Schwanz hat eine schwarze Spitze. So ist das Murmeltier für Feinde schwer zu entdecken und gut getarnt. Das ist praktisch, denn Murmeltiere sind gar nicht mal so klein. Mit einer Körperlänge von 40 bis 60 Zentimetern plus einem 10 bis 20 Zentimeter langen Schwanz sind sie die größten Vertreter der Familie der Hörnchen und der Unterfamilie der Erdhörnchen.

Der gedrungene, kegelförmige Körper ist um die acht Kilogramm schwer. Die Gliedmaßen sind kurz und kräftig und die Pfötchen haben kein Fell. Männchen und Weibchen sehen sich sehr ähnlich, erstere können etwas größer sein und dunkleres Fell haben. Der Kopf des Murmeltiers ist klein mit einer kurzen, breiten und etwas zugespitzten Schnauze. Mit ihrer Nase können Murmeltiere schlecht riechen, dafür hören ihre beiden winzigen, dicht anliegenden Ohren umso mehr. Die dunklen, seitlich am Kopf liegenden Augen sorgen für ein breites Sichtfeld. Im Gegensatz zu anderen Hörnchen-Arten hat das Murmeltier praktisch keine Backen. Dafür hat es vier sehr gut ausgebildete Nagezähne, die für das Nagetier natürlich sehr hilfreich sind. Denn in den Sommermonaten frisst das Alpenmurmeltier sehr viel, um sich eine Speckschicht für den Winter zuzulegen. Damit sich die Zähne dabei nicht abnutzen, wachsen sie ein Leben lang immer wieder nach. Außerdem sind sie in der Mitte stabiler als am Rand und schärfen sich so durch die Abnutzung automatisch selbst.

Das Alpenmurmeltier ist nicht nur ein Nage-, sondern ebenso ein Grabetier. Auch hierauf ist sein Körperbau perfekt abgestimmt. Die Vorderpfoten sind sehr kräftig. Sie wirken wie kleine, unbehaarte Hände mit vier Zehen, die mit langen Krallen bestückt sind. So können sie ohne Probleme ihre beeindruckenden Gänge buddeln. Der längste je gemessene Murmeltiergang war 113 Meter lang und sieben Meter tief. An den Hinterpfoten hat das Alpenmurmeltier fünf Zehen, sein watschelnder Gang ist eher langsam und es kann keine großen Sprünge machen.

Was das Alpenmurmeltier im Sommer macht

Alpenmurmeltiere bewohnen sonnige Bergwiesen und Geröllfelder oberhalb der Waldgrenze in 800 bis 3.000 Metern Höhe. (Quelle: Rudolf Pfeifer/ pixelio.de)

Sonnige Bergwiesen und Geröllfelder oberhalb der Waldgrenze in 800 bis 3.000 Metern Höhe sind der ideale Lebensraum für Alpenmurmeltiere. Obwohl sie tagaktive Tiere sind, spielt sich der weitaus größte Teil ihres Lebens, nämlich 90 Prozent, unter der Erde ab. Ihre Bauten graben sie tief in den Berghang hinein. Dazu lockern sie mit ihren Vorderpfoten die Erde und schleudern sie mit den Hinterpfoten fort. Mit ihren Zähnen lösen sie im Weg liegendes Gestein und tragen es aus der Höhle hinaus. Das überschüssige Material sammelt sich auf großen Hügeln in der Umgebung des Baus.

So entstehen über Generationen weitverzweigte Bauten mit einem System aus Kammern und Tunneln: Es gibt Fluchtröhren zum Schutz vor Feinden sowie Höhlen, die als "Toiletten" benutzt werden. Zum Schutz vor Hitze legen die äußerst hitzeempfindlichen Tiere einen Sommerbau an, dessen Nestkammern nur bis eineinhalb Meter unter der Erde liegen. Am wichtigsten aber ist der Winterbau mit großen Nesthöhlen für den Winterschlaf. Im Spätsommer beißen die Alpenmurmeltiere Grashalme dicht über der Wurzel ab und legen sie zum Trocknen in die Sonne. Dann bringt die Familie bis zu zwölf Kilogramm Heu in ihren Winterbau, um die Nester damit auszupolstern.

In den Sommermonaten frisst sich das Murmeltier Fettdepots an, um den Winterschlaf zu überleben. Seine Lieblingsspeisen sind Gräser und Kräuter der Gebirgswelt, manchmal nimmt es auch Blüten, Früchte und Samen zu sich. All diese Pflanzen frisst es vollständig mit Wurzel auf, um ihren Nährwert möglichst gut auszunutzen. Daneben vertilgt es auch Regenwürmer, Larven und Insekten. Murmeltiere müssen nichts trinken. Die Flüssigkeit, die sie aus der festen Nahrung ziehen, reicht ihnen vollkommen aus.

Leben in der Großfamilie

Das Alpenmurmeltier und die meisten anderen Murmeltierarten leben gerne in Gesellschaft. Zur Begrüßung stecken die Tiere ihre Köpfe zusammen und reiben ihre Nasen aneinander. (Quelle: Hedwig Storch, Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0))

Alpenmurmeltiere lieben die Geselligkeit. Sie kuscheln gerne und liegen aneinander geschmiegt in der Sonne. Sie spielen miteinander und pflegen sich gegenseitig das Fell. Zur Begrüßung stecken die putzigen Nager die Köpfe zusammen und reiben ihre Nasen aneinander. Zwar gibt es auch Einzelgänger unter den Murmeltier-Arten, aber die meisten leben wie das Alpenmurmeltier in Kolonien. Eine Kolonie kann aus mehreren Familien bestehen, Anführer sind jeweils ein dominantes Männchen und ein Weibchen. Das Oberhaupt verteidigt die Kolonie und markiert das große Revier durch Duftstoffe.

Dank ihres guten Zusammenlebens können Murmeltiere bis zu 15 Jahre alt werden, so dass ihre Kolonien aus mehreren Jahrgängen bestehen. Kurz nach dem Erwachen aus dem Winterschlaf, also zwischen Mai und Juni, beginnt die Zeit der Paarung: Das Weibchen signalisiert über Brunftdrüsen am After seine Bereitschaft. Darauf reagiert das Männchen mit Scheinkämpfen und trommelt mit den Pfoten. Schließlich zieht sich das Pärchen zur Paarung in den Bau zurück. Um das Weibchen nicht zu stören, begibt sich das Männchen zusammen mit den anderen Familienmitgliedern in einen Ausweichbau.

Nach fünf Wochen wirft das ranghöchste Weibchen bis zu sieben Murmeltierbabys. Sie sind zunächst blind, winzig klein und federleicht. Doch schon nach wenigen Wochen öffnen sie ihre Augen und die Nagezähne brechen durch. Murmeltiere sind Säugetiere, daher säugt die Mutter ihre Babys in den ersten sechs Lebenswochen. Nach ein bis zwei Monaten verlassen die Kinder erstmals ihren Bau, um in der Sonne zu spielen und erste Erfahrungen mit den Artgenossen zu sammeln. Jetzt ist es wichtig, so viel wie möglich zu fressen und sich auf den Winterschlaf vorzubereiten. Bis zum ersten Winter haben die Kleinen die Hälfte ihres späteren Gewichts erreicht.

Schlafen wie ein Murmeltier

Murmeltiere dösen nicht nur gerne, sondern halten einen langen Winterschlaf von September bis März. (Quelle: FokusNatur, Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0))

Alpenmurmeltiere sind nach zwei Jahren ausgewachsen und geschlechtsreif, die Weibchen tragen alle zwei Jahre Junge aus. Ob sie überhaupt trächtig werden und ob die Jungtiere den ersten Winterschlaf überleben, hängt von den jeweiligen Fettreserven und der Größe der Winterschlafgruppe ab: Je größer beides ist, desto besser sind die Fortpflanzungs- und Überlebenschancen. Denn der Winterschlaf dauert etwa sechs Monate - von September bis März. In dieser Zeit fressen Murmeltiere nichts, sondern zehren von ihren Sommerreserven. Sie erwachen nur wenige Male, um "ihr Geschäft" zu machen.

Während des Winterschlafs rollen sich die Murmeltiere im Winterbau zusammen. Dessen Eingang haben sie zuvor mit einem Pfropfen aus Gras, Kot, Erde und Steinen fest verschlossen. Um sich warm zu halten, kuscheln sie sich in Gruppen aneinander. Jedes einzelne Tier nimmt seinen Kopf zwischen die Beine und rollt sich ein. So bietet es der Kälte nur wenig freie Körperoberfläche. Um Energie zu sparen, senkt es seine Körpertemperatur von 27 Grad Celsius auf fünf bis sieben Grad ab. Es atmet nur noch zwei Züge je Minute und reduziert die Herzschläge von 200 auf 20 pro Minute. Im Winterschlaf verbraucht das Murmeltier nur zehn Prozent der Energie und verliert rund 1.200 Gramm Körperfett.

Viele Murmeltiere überleben die Zeit des Winterschlafs nicht. Alle anderen erwachen, sobald es draußen wärmer wird. Mit ihren kräftigen Vorderpfoten wühlen sie sich zurück ans Tageslicht. Die großen Schlafgemeinschaften lösen sich auf und es bilden sich wieder kleinere Gruppen. Sie säubern ihren Bau und tragen das ganze Heu wieder hinaus. Die Jungtiere bleiben noch bis zum folgenden Jahr bei ihren Familien. Erst mit frühestens drei Jahren verlassen sie ihre Kolonie, um eine eigene Familie zu gründen und ein neues Revier zu erobern.

Vom Pfeifen und "Männchen-Machen"

In den Sommermonaten frisst sich das Murmeltier Fettdepots an, um den Winterschlaf zu überleben. (Quelle: Uli Stoll Outdoor-Fotografie, www.parknplay.de/ pixelio.de)

Murmeltiere verständigen sich miteinander durch Pfeifen. Doch was sich anhört wie ein Pfiff, ist eigentlich ein Schrei: Das Murmeltier öffnet seinen Mund ganz weit, legt die Zunge nach hinten in den Hals und erzeugt mit dem Kehlkopf den schrillen Laut. So reagieren die Tiere bei Aufregung oder Gefahr. Je nachdem, wer den Schrei ausstößt, erzielt dieser unterschiedliche Reaktionen. "Pfeift" ein ranghohes Tier, so stürzen alle blitzschnell in den Bau. Gibt ein rangniederes Tier den Laut von sich, so erntet es gar keine Beachtung.

Die Pfiffe sind sehr weit zu hören, wobei es zwei unterschiedliche Arten von Warnrufen gibt. So warnt ein einzelner Pfiff vor einer unmittelbar bevorstehenden Gefahr, wie dem Angriffsflug eines Adlers. Eine Folge von mehreren kurzen Pfiffen bedeutet dagegen eine langsam drohende Gefahr, wie Spaziergänger oder ein sich in der Nähe befindender Fuchs. Eine solche Pfiffserie dauert etwa drei bis fünf Sekunden. Da Murmeltiere sehr scheu sind, haben sie früher oft "Alarm geschlagen", wenn ihnen Menschen begegneten. Heute haben sie sich häufig schon an Zweibeiner gewöhnt.

Alpenmurmeltiere entfernen sich nie weit von ihrem Bau. Eine Zeit lang gingen Wissenschaftler davon aus, dass sie gezielt Wächter aufstellen, die vor dem Bau "Männchen machen" und die Umgebung beobachten. Mittlerweile hat man herausgefunden, dass sich die Nager gerne auf ihren Hinterbeinen ausruhen und auf den Hügeln ihrer Auswürfe sitzen, um die Aussicht zu genießen. Eine Warnung stößt das Tier aus, das zufällig gerade eine Gefahr entdeckt. Murmeltiere verteidigen ihre Kolonie auch gegen Artgenossen aus einer anderen Gruppe, Eindringlinge beißen sie weg.

Feinde und Jäger

Die gefährlichsten Fressfeinde für die ausgewachsenen Nager sind Greifvögel. Der Kolkrabe oder der Uhu, aber auch Marder oder Füchse dagegen können nur den jungen Murmeltieren gefährlich werden. (Quelle: Philip Bühler/ pixelio.de)

Am wahrscheinlichsten ist es für junge Tiere, dass sie während ihrer Suche nach einem eigenen Revier von Raubtieren geschlagen werden. Vor allem für Greifvögel sind die Alpenmurmeltiere im Sommer ein wichtiges Nahrungsmittel. Der gefährlichste Fressfeind für ausgewachsene Nager ist der Steinadler. Der Kolkrabe oder der Uhu, aber auch Marder oder Füchse dagegen können nur den jungen Murmeltieren gefährlich werden. Dank der Wachsamkeit des Alpenmurmeltiers fallen insgesamt wenige Artgenossen Fressfeinden zum Opfer.

Ihr größter Feind ist der Winter, wenn sie sich nicht genug Speck anfressen konnten oder zu oft geweckt wurden. Zwar kennen Alpenmurmeltiere im Sommer keinen Nahrungsmangel, aber Tiere, Menschen oder die Hitze, vor der sie sich schnell unter die Erde flüchten müssen, können bei der Nahrungsaufnahme stören. Auch sehr kalte, schneearme Winter sind eine große Bedrohung, da dann die isolierende Schneeschicht fehlt und die Murmeltiere viel mehr Energie zur Erhaltung ihrer Körperwärme aufbringen müssen.

Auch der Mensch stellt eine Gefahr für das Murmeltier dar und einst wurde es von ihm gnadenlos gejagt. Die "Roten Liste Deutschland" führt das Alpenmurmeltier heute als extrem seltenes Tier. Daher ist in Deutschland die Jagd auf Murmeltiere mittlerweile nur noch in Einzelfällen und mit besonderer Erlaubnis gestattet. Doch vor 200 Jahren gab es Gebiete, in denen das Murmeltier fast vollständig ausgerottet worden war, denn es wurde wegen seiner Zähne, seines Fells und seines Fetts ausgiebig gejagt. Vor allem das Murmeltierfett galt in der Medizin als gutes Mittel gegen Rheuma. Dank strenger Schutzgesetze hat sich das Alpenmurmeltier wieder vermehren können.

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letzte Aktualisierung: 30.07.2013

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