Lexikon: Nachhaltigkeit

von Sebastian Zender

Grünlandflächen im Naturschutzgebiet Stoteler Moor (Quelle: Helmut Schwarting/ Wikipedia)

1992 trafen sich Politiker aus 178 Ländern auf dem Umwelt- und Entwicklungsgipfel der Vereinten Nationen (UN) in Rio de Janeiro. Sie standen vor großen Fragen: Wie müssen sich Wirtschaft und Gesellschaft entwickeln, ohne die Umwelt weiter zu zerstören und möglichst allen Menschen die Grundlagen für ein Leben in Würde zu sichern? Nach langen Beratungen einigten sie sich auf ein neues Entwicklungsmodell für das 21.
Jahrhundert – die nachhaltige Entwicklung. Nachhaltige Entwicklung ist ein Lösungsansatz für die komplizierten Herausforderungen unserer Zeit wie Klimawandel, Armut und Finanzkrise. Woher kommt der Begriff Nachhaltigkeit eigentlich und was versteht man heute darunter?

Der Begriff Nachhaltigkeit stammt aus der Forstwirtschaft. Dort steht er für den Grundsatz, nicht mehr Bäume zu fällen, als auch nachwachsen können. So bleibt der Wald erhalten und kann über Generationen hinweg genutzt werden. Seit dieser ersten Definition hat sich der Begriff weiter entwickelt. Für das heutige Verständnis von Nachhaltigkeit sind zwei Grundgedanken entscheidend: Erstens die Überzeugung, dass wir auf lange Sicht nicht auf Kosten zukünftiger Generationen und der Menschen in anderen Weltregionen leben dürfen. Zweitens die Einsicht, dass Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft sich gegenseitig beeinflussen. Kein dauerhafter wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Fortschritt ohne intakte Umwelt - keine intakte Umwelt ohne gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wohlstand. Nachhaltigkeit beschreibt also einen Weg, um die Welt im Gleichgewicht zu halten.

Der bisherige wirtschaftliche und technische Fortschritt nimmt oft keine Rücksicht auf die Umwelt. Damit bedroht er die Lebensgrundlagen künftiger Generationen. Länder wie Deutschland sind durch diesen Fortschritt zu Wohlstand gekommen. In vielen anderen Staaten der Erde müssen
Menschen hingegen in Armut leben. Ausgerechnet die Ärmsten haben häufig am meisten unter den Folgen des Raubbaus an der Natur zu leiden - zum Beispiel dem Klimawandel. Dabei haben hauptsächlich die reichen Länder die Erderwärmung verursacht, z. B. durch die klimaschädlichen
Abgase von Kraftwerken oder Autos. In Afrika wird es deshalb noch häufiger als bisher Dürreperioden geben, die zu Hungersnöten führen können. Durch den steigenden Meeresspiegel sind in Bangladesch Millionen Menschen von Überschwemmungen bedroht. Viele von ihnen haben weder eine Stromversorgung noch haben sie jemals in einem Auto gesessen. Daher müssen sich Wirtschaftssystem und Lebensstil besonders in den Industriestaaten ändern.

Auf Grundlage dieser Erkenntnisse forderte die so genannte Brundlandt-Kommission der Vereinten Nationen bereits 1987 eine Neuausrichtung - und lieferte die Definition nachhaltiger Entwicklung:

"Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die die Lebensqualität der gegenwärtigen Generation sichert und gleichzeitig zukünftigen Generationen die Wahlmöglichkeit zur Gestaltung ihres Lebens erhält."

Nachhaltige Entwicklung strebt nach Gerechtigkeit. Damit ist zum einen eine gerechtere Verteilung von Reichtum und Entwicklungschancen unter den heute lebenden Menschen gemeint. Es geht aber auch darum, wie wir unseren Kindern und Enkeln die Erde hinterlassen, also um einen Ausgleich zwischen heutigen und künftigen Generationen. Nachhaltigkeit kann nur durch internationale Zusammenarbeit und die Beteiligung möglichst vieler Menschen erreicht werden.

Was ist Bildung für nachhaltige Entwicklung?

Heute so handeln, dass die Menschen von morgen dieselben Chancen auf ein erfülltes Leben haben wie wir - das ist der Kerngedanke der Nachhaltigkeit. Damit sich die Welt nach diesem Prinzip entwickelt, müssen wir wirtschaftlichen Fortschritt mit sozialer Gerechtigkeit und dem Schutz der Umwelt verbinden. Auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit ist Bildung sehr wichtig. Denn alle Menschen können dazu beitragen - wenn sie wissen, was Nachhaltigkeit bedeutet und wie wir nachhaltig handeln. Nur, wenn möglichst viele Menschen mitmachen, gelingt nachhaltige Ent-
wicklung.

Bildung für nachhaltige Entwicklung gibt uns das Rüstzeug mit, um dieses Ziel zu erreichen. Sie versetzt uns in die Lage, sinnvolle Entscheidungen für die Zukunft zu treffen und drängende Probleme wie den Klimawandel gemeinsam zu lösen. Was kann ich tun, um Energie zu sparen und so die Umwelt zu schonen? Wo kaufe ich Kleidung, ohne Ausbeutung und Kinderarbeit in Asien und Afrika zu unterstützen? Wie lassen sich in Zukunft Finanzkrisen und ihre negativen Auswirkungen auf die Wirtschaft vermeiden? Das sind nur einige der Fragen, die Bildung für nachhaltige Entwicklung zu beantworten versucht.

Bildung für nachhaltige Entwicklung vermittelt nachhaltiges Denken und Handeln. Ziel ist es, jedem die Fähigkeit zu geben, die Zukunft aktiv und eigenverantwortlich mitzugestalten. Dazu braucht es Wissen über weltweite Zusammenhänge und die vielfältigen Ursachen von Problemen wie Armut
oder Umweltzerstörung. Wer diese Probleme lösen will, muss vorausschauend denken. Deshalb hilft uns Bildung für nachhaltige Entwicklung dabei, die ökologischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen unseres Handelns besser einzuschätzen. Sie fördert außerdem Eigenschaften wie Teamfähigkeit und Weltoffenheit. Es reicht nämlich nicht, wenn
nur Einzelne nachhaltiger handeln. Wir müssen uns gemeinsam dafür einsetzen, dass sich Gesellschaft, Wirtschaft und Politik an Prinzipien der Nachhaltigkeit orientieren.

Die UN-Dekade

Die Vereinten Nationen (United Nations, kurz: UN) haben für die Jahre 2005-2014 die UN-Dekade "Bildung für nachhaltige Entwicklung" ausgerufen. Die internationale Bildungsoffensive soll dazu beitragen, dass nachhaltiges Denken in Kindergärten, Schulen, Universitäten und in der Öffentlichkeit ankommt. Die UNESCO - die Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Kommunikation - hat dabei die Federführung. In Deutschland hat der Bundestag durch einen einstimmigen Beschluss die Deutsche UNESCO-Kommission (DUK) mit der Umsetzung der UN-Dekade beauftragt. Das Bundesbildungsministerium fördert diese Arbeit.

Unter dem Motto "Nachhaltigkeit lernen" engagieren sich in Deutschland Politiker, Bildungseinrichtungen, Vereine, Organisationen und Einzel personen und machen Menschen fit für die Zukunft. Die Beteiligung junger Menschen ist der Deutschen UNESCO-Kommission besonders wichtig, denn über Wege in die Welt von morgen sollten gerade sie mitbestimmen. In den Steuerungsgremien der UN-Dekade sitzen deshalb immer auch Schülervertreter und Mitglieder von Jugendgruppen.

Bildung für nachhaltige Entwicklung in der Praxis

Die DUK zeichnet Projekte, Städte, Gemeinden und Landkreise für vorbildlichen Einsatz im Bereich Bildung für nachhaltige Entwicklung aus. In ganz Deutschland zeigen bereits mehr als 1000 solcher Dekade-Projekte und elf Kommunen, wie die Idee „Nachhaltigkeit lernen“ in der Praxis funktioniert.

Zu den ausgezeichneten Praxisbeispielen zählt das Projekt "Aqua es vida (Wasser ist Leben)" an der Hamburger Gesamtschule Blankenese. Schüler bauen und installieren solarbetriebene Bewässerungsanlagen für Landwirte in Nicaragua. In Zusammenarbeit mit der Universität Leon in Nicaragua haben sie bereits 15 dieser Anlagen hergestellt. Im Westen Nicaraguas regnet es immer weniger - eine Folge des Klimawandels. Künstliche Feldbewässerung ist für die Menschen überlebenswichtig. Einmal im Jahr reisen zwanzig Schüler nach Nicaragua, um bei der Installation neuer Anlagen zu helfen.

Ein weiteres Beispiel ist die Schülerfirma "Goethes Shop". Am Goethe-Gymnasium in Dortmund verkaufen Schüler fair gehandelten Kaffee und ökologische Schulmaterialien. Ein Teil des Erlöses fließt an eine Hilfsorganisation in Südamerika. Auf Veranstaltungen wie Schul- oder Stadtfesten informieren die Schüler über fairen Handel, Papierrecycling und Nachhaltigkeit.

Auf der Internetseite www.bne-portal.de findet ihr weitere Informationen zu Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) und zur UN-Dekade.

Hinweis zum Copyright: Die private Nutzung unserer Webseite und Texte ist kostenlos. Schulen und Lehrkräfte benötigen eine Lizenz. Weitere Informationen zur SCHUL-LIZENZ finden Sie hier.

letzte Aktualisierung: 18.10.2011

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