"Ich werde gemobbt" - Was tun?

von Jennifer, 14 Jahre

Liebe Leserinnen und Leser von Helles Köpfchen!

Ich heiße Jennifer und bin 14 Jahre alt. In meiner Freizeit lese ich gerne, spiele Keyboard und beschäftige mich mit meinen Wüstenmäusen. Wie ihr wisst, ist Mobbing an Schulen sehr verbreitet. Vielleicht hat der/ die eine oder andere von euch auch schon mal Erfahrungen damit gemacht oder kennt jemanden, dem es so erging. Damit ihr wisst, wie das ist, falls ihr so etwas noch nie erlebt habt, erzähle ich euch meine Geschichte.

Viele Grüße, eure Jenny


Viele Kinder und Jugendliche sind von Mobbing in der Schule betroffen. Häufig trauen sie sich nicht, jemandem davon zu erzählen. (Quelle: stock.xchng (trublueboy))

Montag Morgen, 4.00 Uhr. Wie jeden Morgen wache ich wie gerädert auf. Zwei Stunden zu früh. Ich habe kaum geschlafen. Auch heute war ich wieder bis halb zwei wach. Ich schlafe schlecht, weil ich Probleme in der Schule habe... Ich bin ein Mobbingopfer. Und das begann vor ungefähr sechs oder sieben Jahren. Ich weiß es nicht mehr genau. Auf jeden Fall weiß ich, wie damals alles anfing. Vor sieben Jahren sind wir in einen anderen Ort gezogen. Jeder von euch, der schon mal umgezogen ist, weiß, wie das ist.

Man verliert seine Freunde, wird aus der Heimat gerissen und muss sich im neuen Wohnort erstmal in die Gemeinschaft der dort wohnenden Kinder einfügen. Am ersten Tag in der neuen Schule fühlte ich mich schon sehr allein. Ich war neu und mich kannte niemanden. In einer Ecke des Schulhofes habe ich ein Mädchen gesehen, das von drei oder vier Jungs geärgert wurde. Ich half ihr und schimpfte die Jungen erstmal richtig aus. Sie bedankte sich bei mir und es entwickelte sich eine Art Freundschaft zwischen uns. Doch diese verflog nach ein oder zwei Jahren. Wir wurden älter und entwickelten andere Interessen. Das Mädchen fing an, mich zu mobben. Das war in der Grundschule. Sie zog das "volle Programm" mit mir durch. Jeden Morgen hatte ich Angst, in die Schule zu gehen. Irgendwann konnte ich damit besser umgehen. Damals konnte ich es nicht. Ich hatte Angst, und deshalb habe ich nichts gesagt.

Bei Betroffenen kommt es zu Selbstzweifeln. Sie fühlen sich oft "minderwertig" und mitschuldig. (Quelle: Photocase)

Nachts quälten mich die Fragen: Habe ich Schuld daran? Was habe ich falsch gemacht? Warum ich? - und und und… Ich sah immer wieder das Gesicht des Mädchens in meinen Träumen auftauchen. Sie lachte mich aus, weil ich mich so quälte. Ich war gut in der Schule, und das hat sie ausgenutzt. Bei Klassenarbeiten und Tests schrieb sie bei mir ab, das wollte ich nie. Aber ich hatte Angst zu petzen. Dann wäre das Mobbing noch schlimmer geworden. Nach der Schule rief sie bei uns an und ließ das Telefon sogar einige Minuten klingeln. Ich selbst hob nie ab, weil ich die Nummer erkannte. Wenn meine Schwester oder meine Eltern drangingen, ließ ich mich verleugnen. Den Grund nannte ich den anderen nie. Ich habe alles für mich behalten.

Ich kam mit dem Mädchen in die 5.Klasse. Dort war es besonders schlimm. Niemand hat etwas mitbekommen. Sie schreckte auch nicht vor körperlicher Gewalt zurück. Ab und zu kniff und schlug sie mich, sodass ich auch schon mal mit ein paar blauen Flecken nach Hause kam. Ich litt unter Schlaflosigkeit und anderen Problemen. Wenn ich morgens aufwachte, hatte ich Bauchschmerzen. Ich konnte mich nicht mal mehr im Spiegel ansehen, ohne dass es in einem Weinkrampf endete. Viele Stunden lag ich wach und weinte. Eines nachts entschloss ich mich, die Geschichte nun endlich zu beichten. Mitten in der Nacht stand ich auf und schrieb einen sechs Seiten langen Brief über alles, was ich erlebt habe, an meine damalige Deutsch- und Vertrauenslehrerin. Wie zu erwarten war sie geschockt und bestand darauf, mit mir, meiner Klassenlehrerin und dem Mädchen zu reden. Das wiederholten wir mehrere Male. Das Mädchen zeigte sich immer einsichtig, doch eine Woche später war sie wieder die Alte.

Ständig beleidigt und fertiggemacht zu werden, führt oft zu Krankheiten, zu Verschlossenheit und Depressionen. Es ist wichtig, die Hilfe anderer zu suchen, um aus der Situation auszubrechen. (Quelle: Photocase )

In der 7. Klasse konnte ich nicht mehr. Ich beschloss, die Schule zu wechseln. Ich war Klassenbeste, trotz meiner Situation. Mit meinen Zeugnisnoten konnte ich aufs Gymnasium gehen. Dort war es aber zunächst auch nicht viel besser. Ich lernte, damit umzugehen. In zwei Jahren werde ich sowieso von der Schule abgehen und mir einen Ausbildungsplatz suchen, dachte ich mir. Es waren nur noch kleine, manchmal auch größere Sticheleien, die ich aushalten kann. In den ungefähr sieben Jahren Mobbing habe ich Tagebuch geführt. Heute habe ich sieben volle Tagebücher - alle so dick wie ein Lexikon.

Inzwischen habe ich mich meinem jetzigen Klassenlehrer anvertraut. Er ist sehr nett und kam auf die Idee, das Problem zusammen mit mir und der Klasse zu besprechen. Dabei ist herausgekommen, dass ich aufgrund meiner Erfahrungen nicht auf meine neuen Mitschüler zugegegangen bin und mich nicht mit ihnen angefreundet habe. Sie dachten, ich wolle nichts mit ihnen zu tun haben - und ich dachte umgekehrt genauso. Nach diesem Gespräch verstanden wir uns viel besser. Und ich kann wieder schlafen. Vielleicht habe ich euch ja Mut gemacht, wenn es euch genauso ergangen ist wie mir. Ihr seid nicht allein!

Gibt es an deiner Schule Mobbing? Kennst du Betroffene, oder bist du selbst betroffen? Dann such' dir Hilfe! Mobbing kann oft nur professionell gelöst werden. Sprich mit deinen Eltern darüber, wende dich an deinen Vertrauenslehrer oder an Beratungsstellen. Für jede Schule gibt es einen schulpsychologischen Beratungsdienst. Dorthin können sich Schüler und Lehrer wenden, wenn sie nicht wissen, wie sich ein bestimmtes Problem lösen lässt. Da die jeweiligen Bundesländer für die Schulen zuständig sind, findest du eine Beratungsstelle in deinem Bundesland. Die entsprechenden Kontaktadressen sind auf der unten verlinkten Internetseite "Schulpsychologie.de" aufgelistet.

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letzte Aktualisierung: 30.12.2012

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