von Anna Schäfer - 16.08.2006
Die Zahl der Aids-Infektionen steigt sogar in Europa. In Afrika hat die tödliche Krankheit schon zwölf Millionen Kinder zu Waisen gemacht. Auf der Welt-Aids-Konferenz in Toronto (Kanada) haben im August 20.000 Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft nach Lösungen gesucht, wie man die Seuche stoppen und den kranken Menschen helfen kann. Auch Helga Kuhn von dem Kinderhilfswerk Unicef hat an dem Treffen teilgenommen. Helles Köpfchen hat mit ihr über das Leid der Aids-Waisen und die Gefahr, dass sich Kinder anstecken, gesprochen.
Helles Köpfchen: Was haben Sie von der Welt-Aids-Konferenz erwartet?
Helga Kuhn: Wir hoffen, dass es jetzt wirkliche Fortschritte gibt, vor allem für Kinder. Kinder leiden sehr unter der Krankheit Aids und sie werden am schlechtesten behandelt. Aber es ist ermutigend, dass es gestern bei der Eröffnungs-Zeremonie ein klares Bekenntnis aller anwesenden Vertreter gab, jetzt schnell zu handeln, um die Situation der Kinder zu verbessern.
HK: Auf welche Art sind Kinder von Aids betroffen?
Kuhn: Wenn die werdende Mutter mit dem Aids-Virus infiziert ist, steckt sich viel zu oft auch ihr Baby an. Dabei ließe sich das mit den richtigen Medikamenten verhindern. Doch gerade in Afrika wissen viele Frauen gar nicht, dass sie HIV-positiv sind. In vielen Ländern ist der Test zu teuer und wird deshalb zu selten durchgeführt. Deshalb sind viele Kinder bereits infiziert, wenn sie auf die Welt kommen. Außerdem führt die Krankheit dazu, dass gesunde Kinder ihre kranken Eltern verlieren und als Waisen aufwachsen.
HK: Mit welchen Problemen haben die Aids-Waisen zu kämpfen?
Kuhn: Normalerweise werden Kinder, deren Eltern gestorben sind, in den meisten afrikanischen Regionen in der Großfamilie aufgenommen und von Verwandten großgezogen. In manchen Familien gibt es jedoch schon so viele Aids-Opfer, dass niemand mehr für die Kinder da ist. Kinder, die ihre Eltern durch Aids verloren haben, sind außerdem oft traumatisiert, weil sie jahrelang miterleben mussten, wie die Eltern unter der Krankheit litten und schließlich starben. Viele Kinder haben ihre Väter und Mütter bis zum Tod gepflegt. Sie konnten deshalb nicht mehr zur Schule gehen und haben daher auch keinen Abschluss.
HK: In Europa ist die Situation zum Glück nicht so dramatisch wie in Afrika. Gibt es in Deutschland, Österreich und der Schweiz Grund zur Entwarnung?
Kuhn: Nein, leider nicht. In Europa haben wir das große Problem, dass die Zahl der Neuinfektionen wieder steigt. Vor allem junge Leute sind oft zu sorglos. Sie glauben, dass Aids nur sehr selten vorkommt und schützen sich daher zu wenig.
HK: Vor wenigen Monaten wurde nachgewiesen, dass Aids ursprünglich eine Krankheit war, von der Schimpansen betroffen waren. Der erste Mensch soll sich bei einem Jagdunfall angesteckt haben. Kann diese Erkenntnis bei der Entwicklung eines wirksamen Medikaments oder sogar eines Impfstoffs helfen?
Kuhn: Diese Erkenntnis ist aus geschichtlicher Sicht interessant, für die Forschung ist sie allerdings von eher geringer Bedeutung. Es ist natürlich ganz wichtig, einen Impfstoff zu entwickeln, das hat oberste Priorität und daran wird mit Hochdruck gearbeitet. Vielversprechend ist aber auch die Entwicklung eines speziellen Gels, das eine Ansteckung beim Geschlechtsverkehr verhindern kann.
HK: Wann wird sich Aids Ihrer Einschätzung nach nicht mehr weiter ausbreiten?
Kuhn: Das hängt ganz davon ab, wie schnell gehandelt wird. Für diese Frage ist es aber eigentlich noch zu früh. Wir müssen jetzt erst einmal dafür sorgen, dass die Krankheit keinen weiteren Schub erhält. In Indien zum Beispiel breitet sich der Virus gerade gefährlich schnell aus.
HK: Was sind die wichtigsten Forderungen von Unicef im Kampf gegen Aids?
Kuhn: Unicef hat im vergangenen Jahr die Unterschriften-Aktion "Du und ich gegen Aids" gestartet, in der vier Grundforderungen formuliert sind: Erstens müssen dringend Medikamente und Tests für Kinder entwickelt werden. Zweitens müssen die Medikamente billiger werden. Drittens soll jedes Kind eine Schulbildung erhalten und über Aids aufgeklärt werden. Und viertens soll mehr Entwicklungshilfe für die Bekämpfung der Seuche sowie für spezielle Maßnahmen für die betroffenen Kinder bereitgestellt werden. In Deutschland haben bereits über 440.000 Menschen diesen Aufruf unterschrieben.
HK: Welche Hoffnungen haben Sie für die Zukunft?
Kuhn: Die Hoffnung, die man haben kann, ist die, dass es Fortschritte gibt und dass sich die Seuche vielleicht in absehbarer Zeit eindämmen lässt. Man hat die Mittel dazu, es gibt Medikamente und man ist dabei, an einem Impfstoff zu forschen – wenn alles klappt, kann man viel erreichen. Entscheidend ist, dass die Medikamente auch wirklich zu den Menschen gebracht werden, die diese benötigen. Egal, ob sie arm oder reich sind.
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