09.04.2006
Derzeit ist es hier tagsüber so um die 35 Grad Celsius warm. Trotzdem schwitze ich nicht. Merkwürdig, denn zu Hause ist es mir oft schon bei 28 Grad fast unerträglich vorgekommen. Vielleicht liegt es daran, dass ich hier in Südafrika keine harte körperliche Arbeit verrichte. Andererseits habe ich in Europa auch nichts Schweißtreibendes getan und trotzdem geschwitzt. Also muss es wohl doch am anderen Klima liegen.
Fremdartige Tierarten gibt es hier in Hülle und Fülle. Dabei spreche ich gar nicht unbedingt nur von Löwen, Giraffen und Zebras. Nein, ich denke dabei insbesondere an Insekten, Spinnen und Reptilien. Kreaturen also, die bei mir nicht nur Erstaunen, sondern durchaus auch Ekel hervorrufen können. Das Ungewöhnliche an diesen "Krabbelviechern" ist nicht nur ihre unglaubliche Vielfalt - sondern leider auch ihre oftmals enorme Größe.
Meine erste Begegnung mit einer Echse fand früh am Morgen in der Dusche statt. Da saß das Vieh unbeweglich und starrte mich an. Ich habe laut um Hilfe gerufen - vergebens. Anscheinend gilt hier das Sprichwort "Selbst ist die Frau". Ich kann dazu nur sagen: "Schade eigentlich!" Nachdem ich mich halbwegs vom ersten Schock erholt hatte, habe ich das "gefährliche" Reptil dann selbst gefangen - im größten Glas, das ich auf die Schnelle finden konnte.
Salzige, ungenießbare Lebensmittel
Zugegeben, ein kleines Schnapsglas hätte es wohl auch getan, da die Länge der "Babyechse" inklusive Schwanz doch nur so knapp 1,5 Zentimeter betragen hat – sie war wohl gerade erst aus dem Ei geschlüpft. Trotzdem war ich sehr stolz auf mich und meine Tapferkeit. Aber was werde ich machen, falls mir das nächste Mal ein ausgewachsenes Exemplar in meiner Dusche auflauert?, dachte ich mir. Vermutlich würde ich dann versuchen, selbst ins Glas zu springen...
In den Supermärkten hier bleiben die wenigsten Wünsche offen. Die Produktpalette ist allumfassend. Es gibt auch Waren, die ich aus meiner Heimat kenne: Ritter Sport, Maggi, Nestlé, Knorr und so weiter. Trotzdem scheinen sogar diese Produkte hier anders zu schmecken, als ich es gewohnt bin. Sie sind allesamt sehr salzig – teilweise würde ich sie sogar in die Kategorie "ungenießbar" einordnen, zumindest für meinen Geschmack.
Gastfreundschaft und Kriminalität
Was ich unbedingt erwähnen will, ist die absolute Gastfreundschaft, die mir entgegengebracht wird. Auf der anderen Seite darf man jedoch nicht vergessen, dass die Kriminalitätsrate hier extrem hoch ist, die höchste weltweit sogar. Schon an einer roten Ampel zu halten ist gefährlich. Man könnte von einem Verbrecher mit einer Schusswaffe bedroht und entführt werden.
Das passiert hier gar nicht mal so selten. Handtaschen, Geldbörsen, Handys, Uhren oder andere Wertgegenstände sollte man auf gar keinen Fall neben sich auf den Beifahrersitz legen, sondern im Kofferraum des Autos verstauen. Sonst könnten sich Verbrecher zu einem Überfall ermuntert sehen. Sie schlagen die Fensterscheibe des Autos ein und zwingen die Insassen, alles herauszugeben - manchmal sogar das Auto.
Armut in den Townships
Wer die so genannten "Townships" einmal aus der Nähe gesehen hat, dem wird schnell klar, weshalb Kriminalität hier zur Tagesordnung gehört. Die Townships wurden früher von der rassistischen, weißen Apartheids-Regierung gegründet. Die schwarze Bevölkerung musste dort außerhalb der großen Städte leben, damit die Weißen unter sich bleiben konnten. Zwar gibt es die Apartheid seit 1994 nicht mehr, aber das Elend in den Siedlungen ist geblieben.
Für einen Europäer wie mich ist ein solch grausamer Anblick kaum vorstellbar und schwer zu ertragen. Soweit das Auge reicht, sieht man primitive, zum Teil halb zerfallene Hütten. Die schwarzen Bewohner leben dort zusammengepfercht ohne Wasser und ohne Strom. Eines dieser Elends-Townships ist nur wenige Kilometer von der Siedlung entfernt, in der ich wohne. Dieser enorme Gegensatz zwischen arm und reich ist unvorstellbar und erschreckend für mich.
Wo ist das Lenkrad?
Doch zurück zu den schönen Seiten Südafrikas. Die Kinderfreundlichkeit ist mir hier sofort positiv aufgefallen. Fast alle Restaurants bieten ihren jungen Gästen Spielgeräte wie Hüpfburgen, Trampoline, Karussells, Klettergerüste und Schaukeln. Kinder haben dadurch eine Menge Abwechslung, wodurch natürlich auch die Eltern entlastet werden. Viele Restaurants haben sogar eine so genannte "Nanni", die mit den Kindern spielt. Es ist für mich eine völlig neue Erfahrung, mein Essen auch mal warm verzehren zu können, ohne ständig nach meiner vierjährigen Tochter sehen zu müssen.
Ein weiterer Unterschied zu meiner Heimat ist der Linksverkehr. Wenn ich irgendwo hinfahren will und mich gerade nicht konzentriert habe, dann steige ich auf der linken Seite meines Autos ein. Im ersten Augenblick bin ich dann verwirrt, weil das Lenkrad fehlt. Spätestens beim Versuch, mich anzuschnallen, greife ich in gähnende Leere. Denn alles ist hier seitenverkehrt.
Ich bin froh, ein Auto mit Automatik-Getriebe zu fahren und nicht ständig schalten zu müssen. Denn ich bin es einfach nicht gewohnt, den Schalthebel mit der linken statt der rechten Hand zu bedienen. Zum Glück hat mich der Linksverkehr bisher weniger irritiert, als ich es zuvor vermutet hatte. Ich habe mich schnell daran gewöhnt.
Es brennt und brennt und brennt und keiner löscht
Von Bränden am Straßenrand und starkem Rauch sollte man sich hier nicht ablenken lassen. Das ist in Südafrika ganz normal. Ab und zu bricht eben mal ein Feuer aus. Dann brennt es... und brennt... und brennt... und niemand kommt zum Löschen.
Anfangs wollte ich das einfach nicht glauben, aber es ist tatsächlich so. Dass hier alles so extrem anfällig ist und schnell in Flammen aufgeht, liegt daran, dass es hier von Mai bis November fast überhaupt nicht regnet. Ausgerechnet im Sommer, der hier von Dezember bis März dauert, beginnt die Regenzeit. Es gibt hier einige Dinge, die ich erst noch in mein Weltbild einordnen muss. Und ich bin mir schon jetzt sicher, dass da noch einiges dazu kommen wird. Bis zum nächsten Mal.
Deine Marlen
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