06.04.2005
Über zwei Monate nach der ersten freien Wahl hat der Irak im April 2005 wieder einen Präsidenten. Das Parlament wählte den 72-jährigen Kurden Dschalal Talabani mit großer Mehrheit. Ein sunnitischer und ein schiitischer Stellvertreter sorgen dafür, dass die drei großen Volksgruppen im Irak an der Staatsführung beteiligt sind.
Unter den 24 Millionen Irakern bilden die Kurden eine eher kleine Bevölkerungsgruppe: ungefähr fünf Millionen gibt es von ihnen. Der Rest der Bevölkerung besteht fast ausschließlich aus Arabern. Dieser arabische Teil unterscheidet sich wiederum durch zwei unterschiedliche Glaubensrichtungen.
So gibt es ungefähr zwölf Millionen schiitische Araber im Irak und etwa sieben Millionen sunnitische Araber. Christen und andere Minderheiten gibt es kaum in diesem Land, nicht einmal jeder hundertste Iraker gehört dazu.
Der neue irakische Präsident Talabani engagiert sich schon seit den 1950er Jahren in der kurdischen Politik. Die Kurden hatten im Irak lange unter den Regierungen zu leiden. Sie durften nicht selbst bestimmen, was in ihrer Region geschah.
Aufstieg einer unterdrückten Volksgruppe
Besonders brutal ging Saddam Hussein 1988 gegen die Kurden vor. Er ließ tödliche Giftgase gegen die Bevölkerung einsetzen. Tausende Männer, Frauen und Kinder starben. Dschalal Talabani flüchtete damals in den Iran. Im Jahr 2003 kehrte er zurück, um gemeinsam mit seinen kurdischen Freunden und der US-Armee den Diktator Saddam Hussein zu besiegen.
Das Vorhaben gelang. Die einst unterdrückten irakischen Kurden bekamen nun in der Region, in der sie leben, viele Freiheiten. Die Kurden sind so zufrieden mit dem neuen Irak, dass sie fast alle zur Wahl gingen und ihrer Partei zu einem glänzenden Wahlergebnis verhalfen. Da die zweitstärkste Partei im Parlament den irakischen Präsidenten stellen darf, ist das nun ein Kurde: Dschalal Talabani.
Sunniten lehnten Demokratie ab
Nach der Wahl gab es ein Problem: die Sunniten hatten fast alle nicht gewählt. Sie waren seit langer Zeit an der Macht. Fast alles im Irak konnten sie alleine bestimmen, ohne sich um die Meinung der Schiiten oder der Kurden zu kümmern. Dass nun auch die anderen Volksgruppen mitreden dürfen, bedeutet für die Sunniten ein Machtverlust. Und mit dieser Situation wollten sich viele von ihnen nicht abfinden und sind deshalb nicht zur Wahl gegangen.
Einige sunnitische Anführer wollten statt einer Demokratie lieber einen islamischen Gottesstaat errichten. Auf diese Weise hätten die Sunniten einen großen Teil ihrer Macht erhalten können. Noch immer bekämpfen einzelnen Banden die Demokratie, indem sie blutige Attentate und anderen Gewaltverbrechen verüben. Da fast keine Sunniten gewählt haben, sind auch kaum sunnitische Abgeordnete im irakischen Parlament vertreten.
Ein Schiit wird Regierungs-Chef
Die stärkste Partei im Parlament hat das Recht, den Regierungs-Chef (Ministerpräsidenten) zu ernennen. Dieser Chef hat noch mehr Macht und Einfluss als der Staatspräsident. Da die größten Parteien schiitisch sind, hat natürlich auch ein Schiit das wichtigste Amt im Irak übernehmen. Ibrahim al Dschaafari schon bald zum Regierungs-Chef ernannt.
Die neue Regierung hat nicht nur die Aufgabe, im Irak wieder Frieden, Sicherheit und Ordnung herzustellen. Sie soll darüber hinaus auch eine Verfassung und Gesetze ausarbeiten, mit denen alle Iraker, also auch die Sunniten, leben können.
Das ist eine ganz schön schwierige Aufgabe in einem Land, in dem Verbrecherbanden noch immer täglich Anschläge auf den Straßen verüben. Noch müssen fremde, von den USA geführte Truppen für die Sicherheit sorgen. Und das gelingt leider nicht immer.
Gemeinsam für den Frieden
Damit der Irak neu aufgebaut werden kann, ist die Unterstützung der Sunniten unbedingt notwendig. Daher haben die Kurden und Schiiten auch eine Sunnitenpartei an der Regierung beteiligt. Gemeinsam wollen sie den Irak in eine friedliche, demokratische Zukunft führen. Dafür waren lange Verhandlungen erforderlich.
Aber nun ist es geschafft. Am 6. April hat das irakische Parlament mit großer Mehrheit die neue Regierung gewählt. Nun muss das Parlament bis zum 15. August eine neue Verfassung ausarbeiten und verabschieden (beschließen). Im Anschluss daran muss das irakische Volk ebenfalls zustimmen. In allen 18 irakischen Provinzen werden die erwachsenen Iraker dann gefragt, ob sie der Verfassung zustimmen. Das muss bis zum 18. Oktober geschehen sein.
Bis Dezember sollen die Iraker dann schon wieder ein neues Parlament wählen. Dann haben die Sunniten erneut die Chance, sich doch noch für den Frieden und für die Demokratie zu entscheiden. Wenn fast alle Iraker mit der Demokratie einverstanden sind, würden endlich die Gewalt und die Morde aufhören. Dann könnten auch die ausländischen Truppen aus dem Irak abziehen, weil sie nicht mehr gebraucht würden.<
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