Können wir Massentierhaltung verantworten?

Massentierhaltung - Teil 4

Teil 4 von 4

von Britta Pawlak

In den vorigen Teilen hast du erfahren, wie schlecht es den einzelnen Tieren in Massenbetrieben ergeht, die uns ihre Milch, ihre Eier und ihr Fleisch liefern. Lies nun, warum auch erhebliche Probleme für Umwelt und Gesundheit entstehen und wieso wir ohne Massentierhaltung mehr anstatt weniger Nahrung zur Verfügung hätten. Warum wird ein Großteil des Getreides aus armen Ländern für die Massenviehzucht der reichen Industrieländer verwendet - während dort Millionen von Menschen Hunger leiden? Können wir einen solchen Umgang mit Tieren und Natur überhaupt verantworten?


So wie auf diesem Bild leben die meisten Schweine nicht, die gezüchtet und geschlachtet werden, um auf den Tellern der Verbraucher zu landen. (Quelle: Wikipedia)

Wir alle kennen die Bilder von glücklichen Kühen, frei laufenden Hühnern oder Schweinen, die sich vor Vergnügen im Schlamm wälzen können. Doch das Leid der Tiere aus Massenhaltung spielt sich im Verborgenen ab, hinter verschlossenen Türen. Wir haben sicherlich schon oft Bauernhöfe besucht, aber wer von uns war einmal in einem Massentierbetrieb, hat einen Tiertransporter von innen gesehen oder das Töten der Tiere in einem Schlachthof miterlebt?

Obwohl die meisten Produkte von solchen Zuchttieren stammen - nicht von glücklichen Schweinen, Kühen oder anderen Tieren - kennen wir diese Bilder höchstens aus dem Fernsehen. Einige von uns schalten dann ab, weil sie den Anblick nicht ertragen können und vergessen lieber schnell, welche schrecklichen Dinge sie gesehen haben. Aber es ist die Realität. So kommen unzählige Tiere auf unsere Burger, Fladenbrote und Teller. So entsteht der größte Teil der Milch, die wir trinken oder aus welcher Käse, Joghurt und Sahne hergestellt wird. So werden die meisten Eier produziert, die wir täglich verzehren oder die in Gebäck, warmen Gerichten und vielen anderen Lebensmitteln landen.

Die als "Nutztiere" gehaltenen Schweine werden zum großen Teil in Massenbetrieben geboren, sehen meist niemals Tageslicht und können sich in der Enge kaum fortbewegen.

Das Argument, Menschen mit weniger Geld könnten sich diese Lebensmittel sonst nicht leisten, gilt für einige als Rechtfertigung dafür, Tiere auf eine solche Art zu züchten und zu töten. Die Massentierhaltung entstand aber gerade in den reichen Industrienationen, nicht in armen Ländern. Sie sorgt sogar dafür, dass es auf der Welt insgesamt weniger Nahrung gibt. Dadurch wurde ermöglicht, dass Fleisch in unserer Gesellschaft keine "Luxusware" mehr ist und wir ein Überangebot an Tierprodukten zu Billig-Preisen erhalten. Im Grunde könnte aber jeder etwas weniger Fleisch und tierische Lebensmittel essen - und stattdessen lieber etwas mehr dafür bezahlen. Eine Alternative zu Nahrungsmitteln aus Massenherstellung sind Produkte aus "normaler" Landwirtschaft sowie Bio-Landwirtschaft.

Hungernde Menschen - gemästete "Nutztiere"

Etwa 75 Prozent aller angebauten Erntepflanzen auf der ganzen Welt werden für die Massenviehzucht verwendet. (Quelle: Pixelquelle, Fotograf: Siegfried Baier)

Man könnte wesentlich mehr Menschen ernähren, wenn die Gesellschaft deutlich weniger Fleisch essen würde. Denn auch die Tiere müssen über längere Zeit mit Getreide und Pflanzen gefüttert werden, bevor sie geschlachtet werden. Etwa 75 Prozent aller Anbaupflanzen werden an die so genannten Nutztiere verfüttert. Auf 10.000 Quadratmetern Land kann man ungefähr 23.000 Kilo Gemüse wie zum Beispiel Kartoffeln anbauen. Doch mit der Ernte der gleichen Fläche könnte man entsprechend nur etwa 190 Kilogramm Fleisch herstellen.

Man sagt, dass alle Zuchttiere auf der Welt eine Futtermenge verbrauchen, die dem Kalorienbedarf von 8,7 Milliarden Menschen entspricht - also mehr als der Weltbevölkerung. Von der Menge her könnte man demnach alle Menschen auf der Erde mühelos von den vorhandenen Nahrungsmitteln ernähren, wenn es keine solche Massenproduktion gäbe und die Leute viel weniger Fleisch essen würden.

In ärmeren Ländern werden riesige Flächen abgeerntet, damit in Industrieländern günstig viel Fleisch hergestellt werden kann. Dabei hungern jeden Tag 840 Millionen Menschen. (Quelle: Pixelquelle, Fotograf: Johannes Feuerbacher)

Natürlich wäre das Welthungerproblem damit längst nicht gelöst, denn Nahrung wie auch Rohstoffe sind auf den Teilen der Erde sehr ungleich verteilt, es gibt eine große Kluft zwischen arm und reich und wirtschaftliche Abhängigkeiten spielen eine große Rolle. Aber jeden Tag hungern auf der Welt 840 Millionen Menschen, 200 Millionen davon sind Kinder. Der größte Teil der Ernte wird jedoch an die "Nutztiere" verfüttert, um später Fleisch zu produzieren, statt dass sich Menschen davon ernähren. Man könnte also einen erheblichen Beitrag dazu leisten, dass uns mehr Lebensmittel zur Verfügung stehen, wenn viel weniger Fleisch hergestellt und gegessen werden würde.

Schadstoffbelastung, Zerstörung der Böden und Wälder

Die hohen Schadstoffabgaben der Massentierhaltung durch die extremen Mengen an Tiergülle verursachen erhebliche Schäden an Böden und Wäldern - und verunreinigen das Trinkwasser. (Quelle: Pixelquelle, Fotograf: Chaloc)

Die Massentierhaltung verursacht erhebliche Umweltprobleme: Zum einen ist die extreme Monokultur von bestimmten Futterpflanzen ein Problem, die die Massentierhaltung mit sich bringt. Als Monokultur bezeichnet man den Anbau von nur einer Pflanzenart in einem bestimmten Gebiet. Dies kann zum Aussterben anderer Arten und zur Abnutzung der Böden führen. Gülle - also die Ausscheidungen von Zuchttieren - ist eigentlich ein sehr guter Dünger für Pflanzen. Durch die Gülle der Tiere im Übermaß allerdings gelangen schädliche Stickstoff-, Nitrat und Phosphat-Verbindungen in das Grundwasser.

Allein in den USA produzieren die für den Verzehr gezüchteten Tiere 130 Mal mehr Exkremente (also Kot und Urin) als die ganze Weltbevölkerung zusammen. Oft wird in Gebieten mit intensiver Tierhaltung der Grenzwert der Belastung im Grundwasser deutlich überschritten. Die Aufbereitung von schadstoffbelastetem Trinkwasser ist sehr teuer. Bei Überdüngung kommen auch die wichtigen Bodenlebewesen zu Schaden - als Folge werden die Ackerflächen immer unfruchtbarer. Die hohen Stickstoffabgaben der Landwirtschaft durch Massentierhaltung führen zur massiven Schädigung von Böden und Wäldern.

Um neue Anbauflächen für die Futterpflanzen zu schaffen, werden in Entwicklungs- und Schwellenländern wie Brasilien riesige Regenwaldflächen abgeholzt. (Quelle: WWF)

Ein weiteres Problem ist, dass sehr viel Getreide aus dem Ausland importiert wird, um genügend Tierfutter für die Massenzucht zur Verfügung zu haben. Dafür werden für relativ wenig Geld große Mengen an Soja aus ärmeren Ländern wie Brasilien eingeführt. Dort wurde die Produktion von Sojabohnen für die Viehzucht in den letzten Jahren auf über 51 Millionen Tonnen gesteigert. Die Anbauflächen mussten seit Mitte der 70er Jahre verdreifacht werden - von 12 Millionen auf nahezu 40 Millionen Quadratmeter. Um immer mehr Felder für den Pflanzenanbau zu schaffen, werden riesige Regenwaldflächen abgeholzt. Übrigens: Weltweit größter Abnehmer von brasilianischem Soja ist das eigentlich so auf Umweltschutz bedachte Deutschland - fast ausschließlich für die Fütterung der "Nutztiere". Brasilien ist eines der führenden Länder im Tierfutterexport - gleichzeitig leiden etwa 60 Prozent der Bevölkerung an Mangelerscheinungen und 42 Millionen Brasilianer müssen hungern.

Herzkrankheiten, BSE, Antibiotika und Gammelfleisch...

Gerade in den reichen Ländern wird viel Fleisch gegessen. Es ist für uns selbstverständlich geworden, ein billiges Überangebot an tierischen Produkten zu haben. Doch der hohe Fleischkonsum ist keinesfalls gesund. (Quelle: Pixelquelle, Fotograf: Helmut Plarre)

Durch das billige Überangebot an tierischen Produkten ist es für viele selbstverständlich geworden, täglich Fleisch zu essen. Dieser hohe Fleischkonsum ist jedoch bedenklich. Es ist nachgewiesen, dass Menschen, die viel Fleisch und andere tierische Eiweiße zu sich nehmen, keinesfalls gesund leben. Bei einer solchen Ernährung ist man wesentlich anfälliger für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Gicht, Rheuma und noch viele andere körperliche Leiden.

Von Vegetariern, also Menschen, die sich dazu entschlossen haben, kein Fleisch mehr zu essen, wird häufig behauptet, ihre Ernährung wäre zu einseitig. Medizinische Studien besagen allerdings etwas anderes: Vegetarier, die darauf achten, sich vielseitig zu ernähren - das heißt durch genügend Obst, Gemüse und Getreide - leben oft sogar gesünder als viele Fleischesser. Denn auch Stoffe, von denen es heißt, sie wären hauptsächlich in Fleisch enthalten, findet man in einigen pflanzlichen Nahrungsmitteln. Man kann sich also selbst dann gesund und abwechslungsreich ernähren, wenn man ganz auf Fleisch verzichtet. Die meisten von uns - oft sogar Vegetarier - nehmen durch ihre täglichen Nahrungsgewohnheiten Untersuchungen zufolge viel zu viel tierisches Eiweiß auf.

Der Verzehr von Billig-Fleisch birgt Risiken. Es enthält oft Hormone und Antibiotika. Immer wieder gibt es BSE-Fälle oder Fleischskandale. (Quelle: Pixelquelle, Fotograf: Chaloc)

Nicht zu vergessen ist, dass das Fleisch aus Massenhaltung im Allgemeinen nicht als gesund bezeichnet werden kann. Die geschwächten Tiere solcher Betriebe sind wesentlich anfälliger für einige Krankheiten und Seuchen. Vor allem breiten sich diese in der Massenzucht besonders schnell aus, da die Tiere dort dicht an dicht gehalten werden. Es besteht mitunter die Gefahr, dass Krankheiten entstehen, die auch für Menschen gefährlich sind. Den Zuchttieren werden Medikamente, minderwertiges Eiweißfutter und nicht selten sogar Hormonpräparate verabreicht. Bekanntermaßen enthält dieses Fleisch oft Stresshormone der Tiere sowie Rückstände von Antibiotika. Es gibt zudem immer wieder Fälle von BSE sowie Gammelfleisch-Skandale. Man vermutet, dass sich jährlich nicht wenige Leute Lebensmittelvergiftungen zuziehen oder an Salmonellen-Infektionen erkranken, weil sie verdorbenes Billig-Fleisch gegessen haben - dies kann sogar tödlich verlaufen.

Wie geht es den Tieren bei Landwirten und Bio-Bauern?

Einige Tiere in der "normalen" Landwirtschaft werden artgerecht gehalten, viele andere haben jedoch kaum Platz und werden mit minderwertigem Futter versorgt. (Quelle: Wikipedia/ Raketenpilot)

Bei "normalen" Bauern haben einige Tiere genügend Auslauf - wie zum Beispiel viele Kühe auf der Weide oder Hühner auf dem Hof. Aber nicht allen Tieren ergeht es so: Manche Zuchttiere werden nicht im Freien gehalten und haben wenig Platz zur Verfügung. Auch hier leben einige Milchkühe in kleinen Ställen, und längst nicht alle Hühner laufen frei herum. Bei Legehennen ist die Bodenhaltung weit verbreitet, was bedeutet, dass das Geflügel beengt im Stall gehalten wird. Dabei kommen auf nur einen Quadratmeter ungefähr sieben Hühner. Die Tiere werden also auch nicht immer artgerecht gehalten, und auf Umweltschutz wird oft zu wenig Rücksicht genommen. Aber es geht den meisten Tieren hier deutlich besser als den Zuchttieren in Massenbetrieben.

An der schwierigen Situation der Landwirte hat die Massentierhaltung einen erheblichen Anteil: Viele Bauern stehen unter großem Druck, weil sie Probleme haben, mit den Niedrig-Preisen der Produkte aus Massenherstellung mitzuhalten. Sie versuchen also, unter keinem zu hohen Kostenaufwand eine möglichst reiche Ernte zu erzielen und genügend Lebensmittel zu produzieren. Nicht alle Tiere haben also ausreichend Platz - und sie erhalten oft billiges Industriefutter. Auch die Zuchttiere in der Landwirtschaft werden mitunter mit Fischmehl gefüttert. Für den Pflanzenanbau setzt man zudem viele Pestizide (also Schädlingsbekämpfungsmittel) ein. Da aber nicht die billigste Massenproduktion im Vordergrund steht, sind Tierprodukte etwas teurer als bei der Massenhaltung.

In der Bio-Landwirtschaft werden die Tiere möglichst artgerecht gehalten und es wird auf einen umweltschonenden Anbau geachtet. Die Produktion ist daher aufwendiger und teurer. (Quelle: Wikipedia)

In der Bio-Landwirtschaft ist das Konzept ein anderes: Die Tiere haben genügend Auslauf und werden nicht mit Industriefutter oder chemisch behandelten Pflanzen versorgt. Sie erhalten nur Futtermittel, die aus biologischem Anbau stammen. Diese Form der Landwirtschaft hat sich nicht darauf spezialisiert, möglichst viel für den billigen Massenverzehr zu produzieren, sondern Nahrung von hoher Qualität zu erzeugen. Dabei wird immer auf Gesundheit und Umweltfreundlichkeit sowie möglichst artgerechte Tierhaltung geachtet. Doch unter diesen Voraussetzungen ist die Produktion viel teurer und aufwendiger. Das ist der Grund, weshalb man für Öko-Produkte, verglichen mit anderen Nahrungsmitteln, einen recht hohen Preis zahlt. Man erkennt diese Lebensmittel am Bio-Siegel.

"Geiz ist geil" - Aber auf wessen Kosten?

Geht es gerade uns Verbrauchern in reicheren Ländern um den massenhaften Billig-Konsum? Wollen wir tatsächlich an dieser Stelle sparen...

Wenn man tierische Lebensmittel produziert und so genannte Nutztiere hält, kostet es also auch Geld und Mühe, dabei auf artgerechte Tierhaltung, Umweltschutz und Gesundheit zu achten. Aber worum geht es letztendlich? Dass die Verbraucher in den reicheren Ländern ein billiges Überangebot an Nahrungsmitteln erhalten und hier sparen, um ihr Geld lieber für Luxusartikel wie Handys, teure Kleidung oder Reisen auszugeben? Gerade in unserer Gesellschaft mangelt es vielen Leuten nicht so sehr an Geld, als dass sie nicht etwas mehr für diese Produkte ausgeben könnten. Wir könnten auch einfach etwas weniger Fleisch und tierische Lebensmittel essen, weitgehend auf Fast-Food und Billig-Produkte verzichten und dafür lieber einmal etwas mehr für Qualitätsware bezahlen - auch, wenn uns nicht so viel Geld zur Verfügung steht.

Können wir es rechtfertigen, Tiere unter diesen qualvollen Bedingungen zu züchten, zu halten und zu töten? Und all das, damit wir so viel Fleisch, so viele Eier und so viele Milchprodukte essen können und dafür so wenig Geld bezahlen müssen? Einige Menschen denken kaum darüber nach, wie ihr Essen eigentlich auf dem Teller landet und was dafür alles in Kauf genommen wird. Gerade wir Konsumenten haben aber die Möglichkeit zu entscheiden, was wir kaufen und was wir damit unterstützen. Für diese Art der Tierzucht wird in erster Linie die Wirtschaft herangezogen, die darauf ausgerichtet ist, immer billiger möglichst viel zu produzieren. In der Wirtschaft gibt es allerdings nicht nur den Hersteller und den Anbieter, sondern auf der anderen Seite auch den Konsumenten, der die Ware kauft.

...- auf Kosten von unserer Umwelt, unserer Gesundheit und nicht zuletzt auf Kosten der Tiere? (Quelle: Wikipedia)

Der Verbraucher beteiligt sich also ebenfalls an einer solchen Billig-Produktion. Hätten einige Menschen nicht hauptsächlich zum Ziel, an bestimmter Stelle Geld zu sparen und möglichst viel zu konsumieren, wäre ein großer Beitrag für die Umwelt geleistet. Würde die Allgemeinheit anders denken und handeln, dann gäbe es keine Massentierhaltung mehr. Einige Menschen haben sich dazu entschlossen, weniger (oder auch kein) Fleisch zu essen sowie möglichst keine Produkte mehr aus Massenhaltung zu konsumieren. Sie wollen nicht "Mittäter" bei diesem Umgang mit Tieren und unserer Umwelt sein - und zudem etwas für die eigene Gesundheit und die Natur beitragen, in der wir alle gemeinsam leben.

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letzte Aktualisierung: 09.11.2011

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