von Anna Schäfer
Katrin war fünfzehn Jahre alt und wollte Model werden. Was mit einer harmlosen Diät begann, entwickelte sich rasch zu einer gefährlichen Sucht. Katrin aß immer weniger, wurde dünner und dünner. Eltern, Geschwister und Freunde mussten hilflos mit ansehen, wie das Mädchen immer schwächer wurde. Am Ende reichte Katrins Kraft nicht mehr. Sie starb vier Jahre nach dem Ausbruch der Magersucht an Unterernährung.
Die Geschichte von Katrin ist traurig - und wahr. Auf Wunsch der Familie hat sich die Journalistin Brigitte Biermann fünf Jahre nach Katrins Tod auf Spurensuche begeben. Sie verwendete Katrins Tagebuchaufzeichnungen, führte Gespräche mit Familienmitgliedern und Freunden und verfolgte den Leidensweg eines Mädchens, vom Beginn ihrer Magersucht bis zu ihrem Tod. Das Buch "Engel haben keinen Hunger" wurde im Gedenken an Katrin geschrieben, es soll aber auch eine Warnung an andere Betroffene sein. Denn ihr Schicksal führt uns drastisch vor Augen, wie gefährlich diese Krankheit wirklich ist.
Wir erleben die Geschichte ihrer Krankheit - von den ersten Anzeichen der Magersucht, die von den meisten Menschen in Katrins Umgebung und auch von ihr selbst nicht ernst genommen werden, über verschiedene Therapien und Klinikaufenthalte bis hin zur völligen Entkräftung. Dabei wird dem Leser der Leidensweg von Katrin über weite Strecken aus der Perspektive ihrer Eltern und ihrer Schwester erzählt, die hilflos mit ansehen müssen, wie sich das Mädchen zu Tode hungert.
Die Sucht war stärker
Die Tagebuchaufzeichnungen und Gedichte von Katrin, die immer wieder in den Text eingefügt sind, eröffnen einen Blick in ihre eigene Gefühls- und Gedankenwelt. Die Verzweiflung und Einsamkeit, die aus Katrins Aufzeichnungen spricht, ist erschütternd. Und es wird deutlich, dass Katrin nicht einfach aus Spaß nichts mehr isst, sondern dass das Hungern für sie eine Sucht ist, von der sie einfach nicht loskommt. Oft nimmt sich Katrin vor, wieder zu essen und gesund zu werden, schafft es dann aber doch nicht. Einmal schreibt sie ein Gedicht in dem sie sich fragt, warum es ihr nicht gelingt, diesen Teufelskreis zu durchbrechen und mit sich selbst in Frieden zu leben:
Warum mach ich dies?
Warum mach ich das?
Manchmal find ich's echt total krass…
Denk dann, ich beiß ja sowieso
Irgendwann ins Gras.
Warum bin ich so, wie ich bin?
Das muss doch geben einen Sinn!
Soll mich einfach wieder lieben-
Dann lassen diese nervigen Fragen
Mich bestimmt auch in Frieden.
"Engel haben keinen Hunger" kann dabei helfen, die Krankheit Magersucht besser zu verstehen und erste Anzeichen bei anderen oder an sich selbst früher zu erkennen. Wir erfahren auch viel über die Verzweiflung der Angehörigen, die der Ess-Störung gegenüber völlig hilflos sind. Sogar die Ärzte wussten bei Katrin irgendwann keinen Rat mehr.
Da diese wahre Geschichte jedoch sehr traurig ist und ganz schön unter die Haut geht, ist das Buch eher etwas für ältere Leser ab ungefähr zwölf Jahren.
Brigitte Biermann: Engel haben keinen Hunger. Katrin L.: Die Geschichte einer Magersucht. Gebundene Ausgabe 2006. 240 Seiten. Beltz Verlag, ISBN 3-407-85772-1. 19,90 Euro/36,00 SFR.
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