von Sebastian Zender - 21.09.2009
Vor jeder Bundestagswahl beschließen die Parteien ihre Wahlprogramme. Ein Wahlprogramm ist eine Schrift, in der die Ziele festgelegt werden, die eine Partei nach der Wahl erreichen will. Es dient einer Partei als Leitfaden für den Wahlkampf, in dem sie um die Stimmen der Wählerinnen und Wähler wirbt. Welche Vorschläge und Ideen haben die momentan im Bundestag vertretenen Parteien (CDU, SPD, FDP, Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke) diesmal zu bieten? Wie stehen sie zu wichtigen Themen wie Arbeit, Niedriglöhne, Finanzkrise, Energie und Bildung?
Die Ziele, welche die Parteien in ihren Wahlprogrammen angeben, sind oft sehr hoch gesteckt. Wie viele ihrer Vorschläge eine Partei wirklich umsetzen kann, hängt davon ab welchen Anteil der Wählerstimmen sie erhält, denn danach bemisst sich ihr Einfluss im Bundestag. Da selten eine einzige Partei genug Stimmen erhält, um alleine regieren zu können, müssen sich dafür meist mehrere Parteien zu einer "Koalition", einem politischen Bündnis, zusammentun.
Selbst die an der späteren Regierung beteiligten Parteien müssen deshalb meistens schon in den nach der Wahl stattfindenden "Koalitionsverhandlungen" Kompromisse eingehen und Abstriche bei ihren Zielen machen. Das gilt natürlich umso mehr für die Parteien, die nicht an der Regierung beteiligt sind, also die so genannte "Opposition" bilden. Sie können zwar im Bundestag die Positionen ihres Wahlprogramms vertreten, haben aber meistens kaum Chancen, ihre Vorschläge auch umzusetzen.
Wer wissen will, was die Parteien wollen und welche Vorschläge sie machen, der sollte am besten ihre Wahlprogramme lesen. Das ist aber ein recht mühsames Unterfangen, denn zur Bundestagswahl am 27. September 2009 treten insgesamt 27 Parteien an. Deren Wahlprogramme sind sehr umfangreich und umfassen häufig an die 100 Seiten. Dieser Artikel versucht, einen kurzen Überblick über die Vorschläge zu geben, welche die momentan im Bundestag vertretenen Parteien in ihren Wahlprogrammen zu einigen wichtigen Themen machen.
Arbeit: Kampf gegen Arbeitslosigkeit, aber wie?
Die hohe Arbeitslosigkeit in Deutschland bereitet vielen Bürgerinnen und Bürgern Sorge. Durch die Auswirkungen der Finanzkrise könnten Vorhersagen zufolge noch mehr Menschen in den nächsten Jahren ihre Arbeit verlieren. Natürlich versprechen alle Parteien, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen und neue Arbeitsplätze zu schaffen.
Die CDU setzt dabei vor allem auf ein stärkeres Wachstum der deutschen Wirtschaft. Frank-Walter Steinmeier, der Kanzlerkandidat der SPD, hat in seinem so genannten "Deutschland Plan" Vorschläge vorgelegt, durch die in den nächsten zehn Jahren vier Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen werden sollen, unter anderem durch die Förderung der Entwicklung umweltfreundlicher Energien und mehr Stellen für Kranken- und Altenpflege.
Die Grünen verfolgen ein nicht ganz so ehrgeiziges Ziel: Sie versprechen, durch eine Politik, die Wirtschaft und Umweltschutz verbindet, innerhalb der nächsten vier Jahre eine Million neue Stellen zu schaffen. Die FDP möchte der Arbeitslosigkeit durch Steuersenkungen und stärkere Konkurrenz zwischen der staatlichen Bundesagentur für Arbeit und privaten Arbeitsvermittlungen beikommen. Die Linke hingegen fordert, mehr öffentliche Stellen, also zum Beispiel neue Stellen für Lehrer und Polizisten, zu schaffen und will, dass Arbeitslose mehr Unterstützung vom Staat erhalten.
Niedriglohn: Wie verhindern, dass Leute trotz Arbeit arm sind?
Ein weiteres wichtiges Thema des diesjährigen Wahlkampfs ist die steigende Zahl schlecht bezahlter Jobs. Viele Menschen, die eine Arbeit haben, erhalten so niedrige Löhne, dass sie kaum davon leben können und deshalb auf staatliche Hilfe angewiesen sind. Manche Friseurläden zahlen ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern beispielsweise nur 3,60 Euro pro Stunde.
SPD, Grüne und Linke fordern deshalb die Einführung eines "gesetzlichen Mindestlohns". Sie wollen also gesetzlich vorschreiben, dass niemand, der arbeitet, weniger als 7,50 Euro (Die Linke fordert sogar bis zu zehn Euro) pro Stunde verdienen darf. CDU und FDP lehnen einen gesetzlichen Mindestlohn ab, weil sie der Meinung sind, dass dadurch Arbeitsplätze verloren gehen würden.
Finanzkrise: Was tun, um so etwas künftig zu verhindern?
Obwohl Deutschland bisher relativ glimpflich davon gekommen ist, sitzt vielen der Schreck über die weltweite Finanzkrise noch tief in den Knochen. Nur durch Eingriffe, die den Staat und damit den Steuerzahler viel Geld gekostet haben, konnte verhindert werden, dass große Banken zusammenbrechen.
Alle fünf Parteien wollen zur Verhinderung weiterer Krisen strengere Regeln für die Finanzmärkte durchsetzen. Allgemein unterscheiden sich die Ansichten der Parteien zur Wirtschaftspolitik deutlich voneinander. Vor allem die Linke, die Grünen und auch die SPD wollen die wirtschaftlichen Handlungen stärker kontrollieren und zum Schutz einzelner Menschen einschränken. Die CDU ist für eine weniger starke Kontrolle und die FDP strebt eine freie Wirtschaft an - wovon in erster Linie größere Firmen und Besserverdienende profitieren.
In diesem Wahlkampf setzen aber sowohl SPD und Grüne als auch CDU und FDP auf mehr Transparenz (also Offenlegung) und stärkere Überwachung. Eine staatliche Beteiligung an Banken ist für diese Parteien nur eine Übergangslösung. Die Linkspartei geht einen Schritt weiter: Sie will private Banken dauerhaft verstaatlichen und einige besonders riskante Spekulationsgeschäfte in Deutschland verbieten.
Energie: Ausstieg aus dem "Atomausstieg"?
Alle Parteien sprechen sich für den Ausbau der Nutzung erneuerbarer Energien wie beispielsweise der Solarenergie aus. Bei den diesbezüglichen Zielsetzungen gibt es jedoch durchaus Unterschiede: Während die CDU bis 2020 nur 20 Prozent der benötigten Energie aus erneuerbaren Quellen beziehen will, fordert die SPD den Anteil erneuerbarer Energien bis zu diesem Zeitpunkt auf 35 Prozent zu erhöhen. Die Grünen hingegen wollen, dass schon 2040 der komplette Energiebedarf in Deutschland durch erneuerbare Energien abgedeckt wird.
An einer anderen Frage scheiden sich die Geister: Wie geht es mit den 17 verbleibenden deutschen Atomkraftwerken weiter? 2002 beschloss die damalige rot-grüne Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder ein Gesetz, nach dem bis 2021 alle der ursprünglich 19 Atomkraftwerke abgeschaltet werden sollen. Zwei Kraftwerke wurden bereits vom Netz genommen.
SPD, Grüne und Linkspartei wollen an diesem so genannten "Atomausstieg" festhalten. Sie halten die Atomenergie für zu gefährlich und finden es unverantwortlich, weiter Atommüll zu produzieren, da noch nicht einmal geklärt ist, was mit diesem hochgiftigen Müll später einmal passieren soll. In letzter Zeit mehren sich die Zweifel an der Eignung des bisher vorgesehenen Endlagers in Gorleben. Die CDU und die FDP wollen trotzdem das Gesetz zum Atomausstieg wieder ändern und an Gorleben als Endlager festhalten. Sie stellen die Atomkraft als "kostengünstige" und im Vergleich zur Kohlekraft "saubere" Energiequelle dar und wollen, dass diejenigen Atomkraftwerke, die sie für "sicher" halten, länger als bis 2021 laufen dürfen.
Bildung: Wie geht es mit den Schulen und Universitäten weiter?
Alle Parteien wollen mehr Geld in die Bildung investieren und die Qualität der Bildungseinrichtungen verbessern. CDU, SPD und FDP wollen am bestehenden Schulsystem nicht allzu viel ändern. Die CDU spricht sich klar für den Erhalt des dreigliedrigen Schulsystems, also der Einteilung in Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien, aus. Nach Vorstellung der Grünen sollen Schüler mindestens bis zur neunten Klasse gemeinsam lernen und nicht nach unterschiedlichen Schultypen sortiert werden.
Auch die Linke fordert eine Gemeinschaftsschule bis zur zehnten Klasse. Außerdem will sie ein Recht auf Bildung im Grundgesetz verankern. SPD, Grüne und Linkspartei sprechen sich gegen Studiengebühren an Universitäten aus. CDU und FDP wollen die Entscheidung darüber den Universitäten überlassen. Alle Parteien außer der CDU wollen das "BAföG" (Bundesausbildungsförderungsgesetz), in dem die staatliche Unterstützung von Schülern und Studenten geregelt ist, erneuern, um mehr Menschen zu unterstützen.
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