von Sebastian Zender - 31.08.2009
Am Sonntag, dem 30. August 2009, fanden in gleich drei Bundesländern Landtagswahlen statt. So kurze Zeit vor der Bundestagswahl am 27. September wurde den Wahlen in Thüringen, in Sachsen und im Saarland natürlich besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Die Ergebnisse - vor allem das gute Abschneiden der Partei Die Linke - sorgen nun für einigen Wirbel. Der bisher eher verhaltene Wahlkampf für die Bundestagswahl könnte durch sie deutlich an Fahrt gewinnen.
Ein "Landtag" ist wie der Deutsche Bundestag ein "Parlament" (vom altfranzösischen "parlement", bedeutet "Unterredung"), also ein Ort, an dem die gewählten Volksvertreter zusammenkommen, um über politische Fragen zu beratschlagen und über Gesetzte zu entscheiden. In den 16 Bundesländern der Bundesrepublik Deutschland finden alle vier bis fünf Jahre Wahlen statt, in denen über die Zusammensetzung der jeweiligen Landesparlamente entschieden wird. In Bundesländern wie Sachsen, Thüringen oder dem Saarland werden die Landesparlamente "Landtage" genannt. Nur in den drei "Stadtstaaten" haben sie andere Namen: In Berlin heißt das Landesparlament "Abgeordnetenhaus", in Bremen und Hamburg "Bürgerschaft".
Ebenso wie der Bundestag den Bundeskanzler wählt, wählt jedes Landesparlament einen "Ministerpräsidenten" (in den Stadtstaaten einen "Bürgermeister"). Die Ministerpräsidenten sind die "Chefs" der "Landesregierungen". Um zu regieren, das heißt, um Gesetze erlassen zu können, braucht man eine Mehrheit, also mehr als die Hälfte der Stimmen aller Abgeordneten im Parlament. Nur selten erreicht ein Partei alleine diese Mehrheit. Deshalb schließen sich meist mehrere Parteien zu einer "Koalition" (einem "Bündnis") zusammen, um einen Ministerpräsidenten zu wählen und die Landesregierung zu bilden.
Die Landesregierungen treffen viele wichtige Entscheidungen. So bestimmen sie beispielsweise darüber, wie die Schulen und die Polizei in den Ländern organisiert werden. Die Landtagswahlen haben aber nicht nur Einfluss auf die Politik in den einzelnen Ländern, sondern auch auf die bundesweite Politik, denn die Ministerpräsidenten aller Länder bilden zusammen den "Bundesrat". Der Bundesrat kann eigene Gestzentwürfe erarbeiten, die dann im Bundestag verhandelt werden müssen. Darüber hinaus kann der Bundesrat gegen jedes Gesetz, das im Bundestag beschlossen wird, Einspruch erheben, sodass dann noch mal über das Gesetz beraten werden muss. Vom Bundestag beschlossene Gesetze, durch die die deutsche Verfassung geändert wird oder die die Interessen der Bundesländer berühren, kann der Bundesrat sogar endgültig ablehnen. Die Landtagswahlen vom vergangenen Sonntag sorgen unter anderem deshalb für so viel Aufregung, weil es nach ihnen so aussieht, als würden die CDU und die FDP ihre bisherige Mehrheit im Bundesrat verlieren.
Thüringen: Schlappe für den bisherigen Ministerpräsidenten Althaus
In Thüringen musste der bisherige Ministerpräsident Dieter Althaus eine herbe Schlappe einstecken. Seine Partei, die CDU, die zuvor so viele Sitze im Parlament hatte, dass sie alleine regieren konnte, erhielt nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis nur 31,2 Prozent der Wählerstimmen. Das ist ihr bisher schlechtestes Ergebnis in diesem Bundesland. Die Partei Die Linke erhielt 27,4 Prozent der Stimmen, die SPD 18,5 und die FDP 7,6. Auch Die Grünen, die bei der letzten Wahl von 2004 nicht auf den erforderlichen Stimmanteil von mindestens fünf Prozent kamen, haben diesmal mit 6,2 Prozent den Einzug in den Landtag geschafft.
Durch diese Stimmverteilung ist die Frage, welche Parteien in Thüringen die Regierung stellen, völlig offen. Die CDU könnte zusammen mit der SPD ein Bündnis eingehen, vielleicht auch ohne einen Ministerpräsidenten Althaus, den anscheinend viele Wähler nicht mehr wollen. Denkbar wäre auch ein Bündnis von Linkspartei, SPD und Grünen. Bei dieser Möglichkeit, die man nach den Parteifarben als "rot-rot-grüne Koalition" (SPD: rot, Linke: rot, Grüne: grün) bezeichnet, gibt es allerdings ein ziemlich großes Problem: SPD und Grüne lehnen es ab, den Spitzenkandidaten der Linken, Bodo Ramelow, zum Ministerpräsidenten zu wählen. Die Linke besteht aber auf Ramelow als Ministerpräsident, da üblicherweise die stärkste Partei in einer Koalition den Regierungschef stellt.
Sachsen: Schwarz-gelbe Mehrheit, rechtsextreme NPD im Landtag
In Sachsen ist die CDU mit 40,2 Prozent wieder stärkste Partei. Mit 20,6 Prozent ist auch hier die Linke zweitstärkste Kraft. Die SPD kam nur auf 10,4 Prozent der Stimmen und liegt damit beinahe gleich auf mit der FDP, die 10 Prozent erreichte. Die Grünen erhielten 6,4 Prozent der Wählerstimmen. Auch die rechtsextreme NPD, die im Wahlkampf wie gewohnt auf Hetze gegen Ausländer gesetzt hat, ist trotz Stimmverlusten mit 5,6 Prozent wieder im Landtag vertreten.
Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU), der zuvor in einem Bündnis mit der SPD regierte, ist in der komfortablen Lage, sich einen Koalitionspartner aussuchen zu können. Obwohl Tillich angekündigt hat, auch mit der SPD Gespräche zu führen, kommt es in Sachsen wahrscheinlich zu einer schwarz-gelben (CDU: schwarz, FDP: gelb) Regierung. Thomas Jurk, der Spitzenkandidat und Vorsitzende der SPD in Sachsen, ist wegen des schlechten Ergebnisses seiner Partei zurückgetreten.
Saarland: Die Linke holt ihr bisher bestes Ergebnis in Westdeutschland
Wie in Thüringen hat die CDU auch im Saarland heftige Verluste hinnehmen müssen. Die Partei des bisherigen Ministerpräsidenten Peter Müller verlor gegenüber der vorangegangenen Wahl 13 Prozent ihrer Stimmanteile und kam nur auf 34,5 Prozent. Auch die SPD hat mit nur noch 24,5 Prozent Stimmen eingebüßt. Die FDP erreichte 9,2 und die Grünen 5,9 Prozent. Die Linke, die zuvor nicht einmal im Landtag vertreten war, hat 19 Prozent dazu gewonnen. Mit 21,3 Prozent erreichte die Partei, die solche Werte bisher nur in Ostdeutschland erzielen konnte, ihr bisher bestes Ergebnis in einem westdeutschen Bundesland.
Diesen Erfolg verdankt sie vor allem der Beliebtheit ihres Spitzenkandidaten Oskar Lafontaine - ein saurer Apfel für die SPD: Lafontaine war von 1985 bis 1998 für die SPD Ministerpräsident des Saarlandes und von 1995 bis 1999 Vorsitzender der Bundes-SPD. Nach heftigen Auseinandersetzungen mit Ex-Kanzler Gerhard Schröder, in dessen Regierung er ab 1998 Finanzminister war, legte Lafontaine 1999 alle politischen Ämter nieder. 2005 kehrte er der SPD endgültig den Rücken und wechselte zur WASG (Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit), die im selben Jahr durch seine Initiative ein Wahlbündnis mit der PDS (Partei des demokratischen Sozialismus) einging. Seit 2007 ist er neben Lothar Bisky Parteichef der Partei "Die Linke", die aus der WASG und der PDS hervorgegangen ist.
Lafontaines Partei hat zwar ein beeindruckendes Ergebnis erzielt, seine Hoffnungen, erneut Ministerpräsident des Saarlandes zu werden, muss er aber begraben. Im Saarland sind die Grünen, obwohl schwächste Partei, wahrscheinlich das "Zünglein an der Waage": Sie könnten ein Bündnis mit der SPD und der Linken eingehen. Dann würde wahrscheinlich der SPD-Spitzenkandidat Heiko Maas zum Ministerpräsidenten gewählt. Aber der bisherige CDU-Ministerpräsident Peter Müller darf noch hoffen, denn zusammen mit den Grünen wäre auch eine so genannte "Jamaika-Koalition" möglich - das ist ein Bündnis aus CDU, FDP und den Grünen. Sie wird so genannt, weil die Parteifarben in dieser Koalition, also Schwarz, Gelb und Grün, dieselben sind wie die der jamaikanischen Nationalflagge.
Stimmungstest für die Bundestagswahl?
Da die drei Landtagswahlen so kurz vor der Bundestagswahl am 27. September stattgefunden haben, wird von Politikern und Kommentatoren dieser Tage allerlei in die Ergebnisse hineininterpretiert. Aufgrund der jeweiligen Besonderheiten der politischen Verhältnisse in den Ländern können die Wahlen jedoch nur sehr bedingt als Stimmungstest für die Bundestagswahl herhalten. In Thüringen und dem Saarland beispielsweise sind die Ergebnisse wohl stark den Persönlichkeiten von Dieter Althaus beziehungsweise Oscar Lafontaine verknüpft und lassen daher schlecht auf das Wahlverhalten für den Bund schließen.
Zumindest haben die Landtagswahlen aber gezeigt, dass in Deutschland neben einem Bündnis von CDU und FDP, das nach den bisherigen Vorhersagen für die Bundestagswahl die nächste Bundesregierung stellen könnte, durchaus auch andere Koalitionen möglich sind. Eine Zusammenarbeit mit der Linken, zu der es in Thüringen und im Saarland kommen könnte, lehnt die SPD auf Bundesebene jedoch strikt ab.
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