von Björn Pawlak
Im Jahr 1949 hatte die Kommunistische Partei Chinas im Bürgerkrieg gewonnen, eine neue und noch bis heute anhaltende Phase der chinesischen Geschichte begann - die Geschichte des "kommunistischen" Chinas. Ab 1966 verordnete Parteiführer Mao Zedong die "Kulturrevolution". Auch nach dem Tod von Mao im Jahr 1976 wurde das kommunistische System beibehalten, gleichzeitig jedoch auch stark verändert. Heute hört man vom "kommunistischen" China oft, dass es "kapitalistisch" geworden sei. Das ändert jedoch scheinbar nichts an der Vormachtstellung der Partei.
Ab 1949 sollte die chinesische Gesellschaft nach den Idealen der Partei umgeformt werden. Wer sich dem widersetzte, musste damit rechnen, als "Feind" des chinesischen Volkes gewaltsam zum Gehorsam gezwungen zu werden. Viele traditionelle Lebensweisen der Menschen waren plötzlich gegen das neue "Gesetz", kulturelle Werte wurden vereinheitlicht und umgedeutet. Wieder einmal wurden zahlreiche Menschen misshandelt und getötet, auch Kulturgüter wie Bauwerke und Kunstgegenstände wurden zerstört.
Kommunismus in China: Hintergründe
Für die Kommunistische Partei Chinas waren vor allem "Marxismus" und "Leninismus“ Grundlage der eigenen Weltanschauung. Wladimir Iljitsch Lenin hatte in Russland die durch die Deutschen Karl Marx und Friedrich Engels begründete kommunistische Gesellschaftstheorie aufgegriffen und an die russische Gesellschaft angepasst. Hauptziel des Marxismus/Leninismus ist die Schaffung der "klassenlosen Gesellschaft", über den Weg zu diesem Ziel herrschten unterschiedliche Meinungen vor. Dem "Proletariat" - das sind die Arbeiter - fiel dabei die Schlüsselrolle zu: es sollte die politische Macht an sich reißen und behaupten.
Die ideale Gesellschaft stellten sich Marx und Engels so vor: Jeder Mensch ist tätig "nach seinen Fähigkeiten", jeder Mensch bekommt "nach seinen Bedürfnissen" vom innerhalb der Gesellschaft produzierten Reichtum ab. Der Reichtum sollte also keinem Einzelnen mehr gehören, sondern nach Bedürfnissen unter den Menschen verteilt werden. Zur Durchsetzung dieser Ziele sollte laut Marx auch Gewalt angewendet werden, denn wie anders könne sich die in den permanenten "Klassenkampf" verwickelte Gesellschaft weiterentwickeln? "Kommunismus" meint dabei eigentlich den ("idealen") Endzustand der Geschichte, "Sozialismus" hingegen kann verstanden werden als Weg zu gerade diesem Zustand.
Marx und Engels waren im Grunde reine Theoretiker, Lenin hingegen war zusätzlich auch ein politischer Aktivist und späterer politischer Führer. Die russischen kommunistischen "Bolschewiki“ hatten 1917 während der "Oktoberrevolution" die politische Macht übernommen, anschließend wurde in Russland ein "kommunistischer“ Staat errichtet. Als Parteivorsitzender wurde Lenin auch Regierungschef dieses neuen Russlands, als Autor von vielen Schriften über den Kommunismus war er aber eben auch wichtigster Theoretiker der Partei. In China fand ein ähnlicher Prozess der politischen Umwälzung einige Jahre später statt, Russland hatte diesbezüglich Vorbildcharakter.
Aufbauphase: Landreform, Industrialisierung und "Hundert-Blumen-Bewegung"
Nach russischem Muster sollte das Land unter den Bauern aufgeteilt werden, man spricht von einer "Bodenreform" und von "Kollektivierung" (der Begriff "Kollektiv" stammt aus dem Lateinischen und meint "soziales Gebilde", also eine Gruppe von Personen). Die landwirtschaftlichen Erträge wurden zentral verwaltet, die Bauern mussten ihre Ernten also zunächst abgeben.
Ein weiteres bedeutsames Ziel war der Aufbau einer starken Industrie und eines entsprechend modernen Verkehrsnetzes. China war gegenüber der europäischen Industrialisierung noch weit zurück. Besonders die Schwerindustrie (Eisen- und Stahlindustrie) wurde gefördert. Der Idee nach sollte eine starke Industrialisierung dann zu einem späteren Zeitpunkt auch eine bessere Versorgung aller Menschen mit den lebensnotwendigen Konsumgütern sicherstellen. Daneben gab es durchaus weitere positive Aspekte der ersten Jahre unter kommunistischer Herrschaft, den Ausbau des Bildungssystems samt Alphabetisierungsprogrammen etwa oder eine Verbesserung der medizinischen Versorgung.
1956 forderte die Partei das chinesische Volk dazu auf, Kritik gegenüber der von ihr verfolgten Politik offen auszusprechen. Dies löste die "Hundert-Blumen-Bewegung" aus, bei der die Bevölkerung vielfältig ihre Unzufriedenheit zum Ausdruck brachte. Die Elite der Kommunistischen Partei wurde vom Volk mittlerweile vielfach als neue, sich auf Kosten des Volkes bereichernde Oberschicht wahrgenommen, als neue Tyrannei. Die "Hundert-Blumen-Bewegung" wurde für die Partei zunehmend unkontrollierbar, also begann sie schließlich, die Bewegung mit Gewalt zu brechen. Viele Systemkritiker hatten sich während der "Hundert-Blumen-Bewegung" zu erkennen gegeben, sie mussten nun Verfolgung durch die Partei fürchten.
"Großer Sprung nach vorn" und "Große Kulturrevolution"
1958 bis 1962 versuchte Parteiführer Mao Zedong ein Programm durchzusetzen, welches China zu einer wirtschaftlichen Großmacht machen sollte. So sollten Dörfer und landwirtschaftliche Betriebe zu "Volkskommunen" von je 20.000 Menschen zusammengefasst werden. Jede dieser "Kommunen" sollte wirtschaftlich einigermaßen unabhängig sein, also sowohl Landwirtschaft als auch Industrie betreiben. Diese neuen Einheiten sollten dafür sorgen, dass alte "Egoismen" der Menschen - wie zum Beispiel in der Familie oder innerhalb einzelner Betriebe - verschwinden.
Die Menschen lebten nun gemeinsam in Baracken, speisten in riesigen Kantinen, trugen die gleiche Kleidung und bekamen keinen Lohn mehr. Was man zum Leben brauchte, sollte direkt ausgeteilt werden. Die Neuorganisation sorgte jedoch dafür, dass nicht mehr genügend Bauern landwirtschaftlich tätig waren. Die Nahrungsmittelproduktion ging stark zurück, dies hatte eine katastrophale Nahrungsmittelknappheit und dadurch Hungersnöte zur Folge. 1959 bis 1961 starben nach Schätzungen bis zu 40 Millionen Menschen den Hungertod, es kam zu einer der größten Hungersnöte der Menschheitsgeschichte. Die Partei musste ihr Programm des so genannten "Großen Sprungs" schließlich wieder zurücknehmen.
Ab dem Jahr 1966 wurde vor allem die Jugend von Mao dazu aufgerufen, dem "inneren Feind" und seiner antikommunistischen Gesinnung entschlossen die Stirn zu bieten. In der Anfangsphase dieser "Kulturrevolution" bildeten sich verschiedene Rebellengruppen, darunter auch die "Rote Garde", die sich hauptsächlich aus Gymnasialschülern und Studenten zusammensetzte. "Nichtproletarische" Kultur wurde von den Kulturrevolutionären radikal bekämpft. Der Personenkult um Mao Zedong erreichte zu diese Zeit seinen Höhepunkt, nachdem er innerhalb der Partei nach dem erfolglosen "Großen Sprung" eigentlich an Macht eingebüßt hatte.
Auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Beijing kamen im August 1966 eine Million Schüler und Studenten zusammen, um die Rede des "Anführers der Rotgardisten" - so nannten sie Mao - zu hören. Die Schulen und Universitäten wurden zeitweise geschlossen, viele Menschen wurden aus ihren beruflichen Stellungen vertrieben und zur Landarbeit gezwungen. Die "Rote Garde" wurde zunehmend radikaler, was zu Chaos, Gewalt und Zerstörung im Land führte. Die Partei reagierte schließlich auf den "Roten Terror", indem sie sich von Mao und der innerparteilichen kulturrevolutionären Gruppe distanzierte und die Bewegung durch ihre "Volksbefreiungsarmee" niederschlagen ließ. Viele Menschen starben infolge der "Großen Kulturrevolution", die höchsten Schätzungen der Opferzahlen gehen von mehreren Millionen Toten aus.
Umgestaltungen nach dem Tod Maos
Nach dem Tod Maos im Jahr 1976 wurde Deng Xiaoping zum einflussreichsten Politiker innerhalb der Partei. Unter seiner Führung fanden wichtige Umgestaltungen statt. Die Wirtschaft wurde im Sinne der "Sozialistischen Marktwirtschaft" neu ausgerichtet, was die Entstehung von persönlichem Reichtum wieder ermöglichte. In der Landwirtschaft wurden die Bauern mit Boden und Geräten ausgestattet, als Gegenleistung mussten sie einen großen Anteil der Ernte an den Staat abtreten. Anders als zuvor durften sie jedoch ihren "Überschuss" selbständig auf dem Markt verkaufen.
Auch in der Industrie wurde den Betrieben die Möglichkeit gegeben, selbst Gewinne zu erwirtschaften. An Chinas Küste wurden mehrere "Sonderwirtschaftszonen" eingerichtet, die mit der Hilfe von Steuervergünstigungen ausländische Unternehmen anlocken sollten. Deren Vermögen und deren Fertigkeiten konnten so an das chinesische Wirtschaftssystem angeschlossen werden. Folge all dieser Maßnahmen war ein starkes Wirtschaftswachstum in China, aber auch ein gesellschaftliches Auseinanderfallen in "Gewinner" und "Verlierer". Die Kommunistische Partei war natürlich noch immer zentrales Steuerorgan, insofern profitierte sie durch die eigenen "kapitalistischen" Reformen grundsätzlich.
Außerdem neu eingeführt wurde im Jahr 1979 die "Ein-Kind-Politik". Angesichts eines sehr starken Bevölkerungswachstums legte die Partei verbindlich fest, dass jedes Elternpaar nur ein Kind bekommen durfte. Wirklich erfolgreich durchgeführt wurde diese Maßnahme vor allem in den städtischen Gebieten. Auch außenpolitisch wandelte sich Chinas Kurs, indem man zu ehemaligen Feinden wie den USA (militärische Auseinandersetzung im "Korea-Krieg" in den 50er-Jahren), Japan oder Russland (Grenzstreitigkeiten, die beinahe zu einem Krieg geführt hätten) diplomatische Beziehungen aufbaute. Mit Deutschland und Frankreich ging man wirtschaftliche Partnerschaften ein. Die innenpolitischen Strukturen selbst hingegen blieben unverändert: Alleinherrschaft der Partei gestützt auf eine starke Armee. Die Gründung neuer politischer Parteien blieb untersagt, die politischen Repressionen hielten an und politisch "Abtrünnige" wurden noch immer in Lagern festgesetzt oder anderweitig unterdrückt.
Das "Tian'anmen-Massaker" an protestierenden Studenten
Im Juni 1989 kam es zum "Tian'anmen-Massaker" an protestierenden Studenten auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Beijing. "Tian'anmen" ist der chinesische Name für diesen Platz im Zentrum der Hauptstadt. Die größtenteils studentischen Demonstranten (bis zu 100.000 gleichzeitig) besetzten zuvor wochenlang täglich den Platz des Himmlischen Friedens. Einige von ihnen begannen einen Hungerstreik, um die Partei zum Dialog zu zwingen. Diese setzte schließlich die Volksbefreiungsarmee ein.
Am 3. Juni beschoss die Armee die Volksmenge mit scharfer Munition. Das Massaker fand nicht eigentlich auf dem Platz des Himmlischen Friedens statt, sondern über ganz Beijing verteilt. Denn schon beim Näherrücken der Armee mit Panzern war es zu zahlreichen gewaltsamen Zwischenfällen gekommen, dies setzte sich auch in den nächsten Tagen fort. Die Opferzahl des "Tian'anmen-Massakers" schätzt man auf mehrere tausend Tote, in der Folgezeit wurde weiteren politischen Aktivisten der Prozess gemacht und häufig die Todesstrafe ausgesprochen.
China heute: Zwischen Marktwirtschaft und "kommunistischer" Diktatur
Das moderne "kommunistische" China trennt Staat und Wirtschaft dort, wo sich Staatsbetriebe als "uneffektiv" erwiesen haben. Dennoch verbleiben zwei Drittel der Industrieproduktion in Staatsbesitz. Das Wirtschaftswachstum ist Folge dieser Teilprivatisierungen und der Orientierung auf einen starken "Export", das ist der Verkauf selbst produzierter Konsumgüter ins Ausland. So sind heute zum Beispiel die Vereinigten Staaten von Amerika in ihrem Konsumverhalten völlig vom Produzenten China abhängig. China heute ist also auch kapitalistisch und geschäftstüchtig, es hat sogar eigene "Dollarmillionäre" hervorgebracht. Mehr Produktion bedeutet auch mehr Konsum, China ist heute nach den USA der zweitgrößte Verbraucher von fossilen Brennstoffen. Innenpolitisch verfolgt die Partei einen rücksichtslosen Kurs, das chinesische Rechtssystem sieht auch heute die Anwendung der Todesstrafe vor.
Trotz des starken Wirtschaftswachstums leben auch im heutigen China die meisten der über 1,3 Milliarden Einwohner als arme Bauern und Landarbeiter in der Provinz, in den Städten sammeln sich die völlig mittellosen und oft aus den ländlichen Gebieten abgewanderten "Wanderarbeiter". Das Wirtschaftswachstum bedeutet für diese einkommensschwache Mehrheit der Bevölkerung bisher eher eine Verschlechterung ihrer Lebensverhältnisse. Vom Wachstum profitieren eine in den Städten entstandene Mittelschicht und natürlich die Oberschicht. Für die ärmeren Schichten auf dem Land gibt es oft weder Schulbildung noch irgendeine soziale Absicherung. Die Mittelschicht hingegen versucht, durch eine strenge Ausbildung ihrer Kinder deren Zukunftschancen für den "sozialen Aufstieg" zu sichern.
Überhaupt gibt es ein seltsames Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern infolge der "Ein-Kind-Politik". Viele Eltern wollten lieber Söhne als Töchter haben. Trotz Verbot einer vorgeburtlichen Bestimmung des Geschlechts durch einen Arzt wiesen die Raten der Neugeborenen in den 1980er- und 1990er-Jahren einen starken Jungenüberschuss auf. Teilweise wurden kleine Mädchen auch einfach ausgesetzt oder vernachlässigt. Ein Grund für diesen verstärkten Wunsch nach männlichen Nachkommen war die Tatsache, dass eine verheiratete Frau traditionellerweise in die Familie des Mannes aufgenommen wurde. Im Alter wurden die Menschen also normalerweise von den Söhnen und Schwiegertöchtern gepflegt und materiell versorgt.<
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