Der Begriff Politikverdrossenheit bezeichnet die negative Einstellung der Bürger eines Staates zur Politik. Wer "politikverdrossen" ist, hat keine Lust und keine Motivation, sich selbst an politischen Aktivitäten wie zum Beispiel Wahlen zu beteiligen. Während sich in manchen Fällen Politikverdrossenheit nur auf bestimmte politische Entscheidungen oder Vorgänge beziehen kann, können in besonders extremen Fällen manche politikverdrossenen Menschen die Politik sogar gänzlich ablehnen. Eine andere Bezeichnung für Politikverdrossenheit ist auch "Politikmüdigkeit".
Obwohl bereits seit den 1960er Jahren in der Öffentlichkeit über das mangelnde politische Interesse der Bürger diskutiert wurde, taucht das Wort "Politikverdrossenheit" selbst erst Ende der 1980er Jahre zum ersten Mal auf. Nachdem der Begriff in der politischen Welt Fuß fassen konnte, wurde das Wort "Politikverdrossenheit" im Jahre 1992 sogar zum "Wort des Jahres" gewählt und zwei Jahre später in den Duden aufgenommen.
Politikverdrossenheit heißt aber nicht unbedingt, dass jemand sich grundsätzlich nicht für gesellschaftliche Fragen wie eine gerechte Verteilung oder die Bekämpfung von Arbeitslosigkeit und Armut interessiert. Der Grund für die Politikverdrossenheit der Menschen ist meist, dass diese sich von der Politik nicht (mehr) verstanden oder ernst genommen fühlen. Diese Menschen haben das Gefühl, dass die Politiker sich nicht um ihre oder ihnen wichtige Belange kümmern. Sie glauben zunehmend, dass ihre eigene politische Beteiligung sowieso keine Auswirkungen auf die tatsächliche Politik hat. Dies hat oft zur Folge, dass politikverdrossene Menschen nicht mehr zu Wahl gehen und sich auch aus sonstigen politischen Aktivitäten heraushalten.
Einen zunehmenden Anstieg einer Politikverdrossenheit in der Bevölkerung lässt sich an unterschiedlichen Entwicklungen ablesen. Beispielsweise geht die Wahlbeteiligung bei der Bundestagswahl seit Jahrzehnten zurück. Während sich bei den Bundestagswahlen der 1970er Jahren noch jeweils über 90 Prozent der Wahlberechtigten beteiligt hatten, ist die Wahlbeteiligung bei den beiden Bundestagswahlen der Jahre 2009 und 2013 auf nur noch etwas über 70 Prozent herabgesunken.
Auch die so genannte "Parteienverdrossenheit" ist mit der Politikverdrossenheit verwandt. Diese bezieht sich jedoch stets auf die Arbeit von bestimmten Parteien, aus denen aufgrund von politischen Streits, Skandalen, Korruption oder Vetternwirtschaft immer häufiger Menschen austreten. Während die Partei CDU im Jahre 1990 noch etwa 790.000 Mitglieder hatte, so ist diese Zahl bis zum Ende des Jahres 2014 auf nur noch knapp 460.000 Mitglieder gesunken.
In der Öffentlichkeit wird auch häufig die Politikverdrossenheit bei Jugendlichen diskutiert. Die Shell-Jugendstudie, die seit 1953 regelmäßig veröffentlicht wird und die Gewohnheiten und das Verhalten der Jugendlichen in Deutschland untersucht, belegt, dass das Interesse von Jugendlichen an Politik seit den 1980er und beginnenden 1990er Jahren abgenommen hat. Während sich damals noch mehr als jeder zweite Jugendliche als politisch interessiert bezeichnet hatte, waren im Jahre 2002 nur noch 34 Prozent der Jugendlichen an Politik interessiert. Dennoch geht laut der aktuellsten Studie von 2010 der Trend dahin, dass sich Jugendliche wieder mehr für Politik interessieren: 40 Prozent bezeugten demnach ihr Interesse für politische Themen. Als Gründe für die Politikverdrossenheit der Jugendlichen wird oftmals angeführt, dass sie als Minderjährige kaum Mitspracherecht haben und nicht stimmberechtigt sind, so dass sie das Gefühl haben, dass ihre Wünsche und Bedürfnisse von der Politik häufig übergangen werden. Auch die Themen der Parteien sprechen selten die Interessen und Belange von jüngeren Menschen an.
Auch für die Politikverdrossenheit der wahlberechtigten Menschen gibt es zahlreiche Gründe. Häufig nennen Politikverdrossene Wahlversprechen als Grund, die die siegreichen Politiker oder Parteien während des Wahlkampfes gemacht, aber nach ihrer erfolgreichen Wahl nicht eingehalten haben. So war dies beispielsweise im Jahre 2007, als die gewählten Parteien sich im Wahlkampf gegen eine Erhöhung der Mehrwertsteuer ausgesprochen hatten, diese jedoch schließlich doch um 3 Prozent erhöhten.
Auch die allgemeine wirtschaftliche Lage mitsamt Staatsverschuldung, Arbeitslosigkeit oder aber besonders große Politikskandale wie eine Steueraffäre eines Politikers, bei der dieser Politiker Steuern hinterzogen hat, kann dazu führen, dass die Menschen das Vertrauen in die Politik verlieren. So wird der Politik häufig vorgeworfen, dass sie nur in ihrem eigenen Interesse handelt und dass nicht die Menschen, sondern nur Geld und ein eigener Machtgewinn in ihrem Fokus stehen würden. Auch wenn die Politik im Auge der Menschen zu wenig gegen ein bestimmtes Problem tut oder ihre Maßnahmen zu langsam greifen, macht sich bei den Menschen Unmut breit, die zur Politikverdrossenheit führen kann.
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