von Tanja Lindauer
Der US-amerikanische Folk-Sänger inspirierte viele andere Künstler wie Bob Dylan, Sänger Bono von U2 oder Bruce Springsteen. 20 Jahre lang zog er durch sein Heimatland, spielte seine Songs und setzte sich für unterdrückte Menschen ein. Sein berühmtestes Lied, "This Land is Your Land", wird auch als heimliche Hymne der USA bezeichnet. Im Juli 2012 wäre die Folk-Legende 100 Jahre alt geworden. Zu Lebzeiten beachtete ihn am Ende seiner Karriere kaum einer, der schwer erkrankte Sänger starb alleine in einer Nervenanstalt. Wer war dieser Musiker, der so viele Menschen bewegte?
Am 14 Juli 1912 erblickte Woodrow Wilson Guthrie, der von allen später "Woody" genannt wurde, in Okemah, Oklahoma, das Licht der Welt. Seinen Namen hatte er dem Präsidenten Thomas Woodrow Wilson zu verdanken, den seine Eltern verehrten. Eigentlich ging es der Familie Guthrie recht gut und Woody wuchs in wohlhabenden Verhältnissen auf. Doch das änderte sich eines Tages, denn sein Vater verlor beim Spekulieren mit Häusern sein ganzes Geld: Die Wirtschaftskrise hatte das Land nun fest im Griff. Fortan mussten die Guthries mit sehr wenig auskommen.
Das Pech des Vaters überschattete die Familie und ein Unglück folgte dem nächsten. 1919 starb Woodys Schwester Clara infolge von schweren Brandverletzungen, die durch eine ungesicherte Steckdose verursacht wurden. Woody war damals sieben Jahre alt und der Verlust der Schwester machte ihm sehr zu schaffen. Auch der Vater Charles Guthrie wurde später aufgrund von schweren Verbrennungen ins Krankenhaus eingeliefert. Man munkelte, dass seine Frau ihm diese Verletzungen zugefügt habe, als dieser schlief.
Da sich Woodys Mutter schon seit einiger Zeit auffällig verhielt, wies man sie nun in eine Klinik ein. Man fand heraus, dass sie an einer Krankheit namens Chorea Huntington litt. Dabei handelt es sich um eine unheilbare und erbliche Krankheit, die das Gehirn befällt. Der Zustand von Woodys Mutter verschlechterte sich zusehends und sie starb schließlich an den Folgen der tödlichen Krankheit. Auch Woody Guthrie erkrankte später mit 32 Jahren an Chorea Huntington. Sein Vater zog nach Texas, um sich von den Verletzungen zu erholen und um seine Schulden zu tilgen. Woody und seine anderen Geschwister blieben in Oklahoma und wurden von dem ältesten Bruder, Roy, großgezogen.
Auf nach Texas
Als Woody 17 Jahre alt war, zog er zu seinem Vater nach Texas. Hier versuchte er, die High School zu beenden, doch das Lernen lag ihm nie so richtig. Es kostete ihn einige Mühen, und nach vier Jahren verließ er die Schule und lernte lieber allein in der Bibliothek. Mit kleinen Jobs hielt sich der 19-Jährige über Wasser. In dieser Zeit soll er sich auch selbst das Gitarre spielen beigebracht haben. Er gründete eine Band und heiratete 1933 schließlich die damals 16-jährige Mary Jennings, die Schwester seines Freundes. Mit ein paar kleinen Auftritten in Kneipen konnte er ebenfalls etwas Geld verdienen. Um seine Familie zu ernähren, arbeitete er als Schildermaler. Aber in Zeiten der Weltwirtschaftskrise war es schwer, eine lohnende Arbeit zu finden, und das Geld war stets knapp.
Gleichzeitig wurden die USA von Umweltkatastrophen heimgesucht. Der Mittlere Westen des Landes wurde Mitte der 1930er Jahre von schweren Sandstürmen vollständig verwüstet. Lange Dürreperioden waren die Folge, die den betroffenen Regionen schwer zu schaffen machten. Die Gebiete gingen als "Dust Bowl", also als "Staubschüssel", in die Geschichte ein. Viele Menschen mussten ihre Heimat verlassen und woanders ihr Glück versuchen, zu ihnen zählte auch Woody. Die so genannten "Oakies", so wurden die Wirtschaftsflüchtigen genannt, hatten ein schweres Los und standen vor dem Nichts. Diese Erlebnisse sollte der Musiker später in seinen Songs (den "Dust Bowl Ballads") verarbeiten. Seine Frau war zu dieser Zeit bereits zum zweiten Mal schwanger. Insgesamt gingen aus der gemeinsamen Ehe drei Kinder hervor: Gwen, Sue und Bill.
Da Woody Guthrie eine Familie zu ernähren hatte, versuchte er sein Glück in Los Angeles. In L.A. angekommen, verdiente Woody mit Auftritten in kleinen Bars oder als Straßenmusiker etwas Geld, doch zum Leben reichte es kaum aus. Gemeinsam mit seinem Cousin Leon Guthrie, der von allen "Oklahoma Jack" genannt wurde, ergatterte er eine Stelle bei einem Radiosender. Sein Cousin stieg aber bald aus und an seine Stelle trat nun Maxine Chrissman. Woody und die Sängerin Maxine hatten eine feste Talk-Show mit Songs, die "Woody and Lefty Lou-Show". Das einfache Volk liebte die Sendung. Woody Guthrie wusste, wie die Menschen sich fühlten, schließlich war er einer von ihnen. Guthries Songs wurden von seinen Kritikern nicht unbedingt gelobt: "Seine Songs zu hören ist wie in eine Zitrone zu beißen." Aber der Sänger wollte auch nicht unterhalten, sondern den Menschen die Augen öffnen. Er nannte seine Songs "Lieder des Volkes".
Zeiten des Umbruchs
Der US-amerikanische Präsident Franklin Delano Roosevelt sorgte mit verschiedenen politischen Maßnahmen nach den langen Jahren der Wirtschaftskrise endlich wieder für einen Aufschwung. Viele Projekte wurden nun gefördert, die das Leben der Bürger verbessern sollten. Es gab damals zum Beispiel nur in den großen Städten Strom, daher wurde nun daran gearbeitet, auch Dörfer und kleinere Städte mit Energie zu versorgen. Auf diese Weise entstanden neue Arbeitsplätze. Damit diese Projekte beim Volk bekannt wurden, bat man Woody Guthrie um Hilfe. Er sollte die Baustellen im Land bereisen und die Projekte bewerben. Guthrie schrieb Songs über das, was er sah, und veröffentlichte diese. Einige der bekanntesten Lieder entstanden in dieser Zeit, wie etwa "Pastures of Plenty" oder "Roll on, Columbia", das sogar zur Hymne von Washington wurde.
Bis 1940 wurden "Kommunisten", zu denen sich auch Woody Guthrie zählte, in den USA zumindest toleriert. Zu dieser Zeit wütete in Europa bereits der Zweite Weltkrieg. Als der Hitler-Stalin-Pakt geschlossen wurde, änderte sich die Stimmung in den USA. Guthries politische Einstellung wurde nicht länger akzeptiert und er verlor seinen Job. 1940 ging er daher nach New York, wo seine musikalische Karriere einen Aufschwung erlebte. Er wurde immer bekannter und seine Lieder wurden nun auch aufgenommen, hierunter ebenso seine frühen "Dust Bowl Ballads". In New York lernte er den bekannten Folk-Musiker Pete Seeger kennen, der sehr angetan von Guthries Songs war. Unter anderem auch ihm war es zu verdanken, dass die Lieder Woody Guthries immer bekannter wurden. 1941 trennte Guthrie sich von seiner Frau, aber erst 1945 sollte die offizielle Scheidung vollzogen werden, da Mary streng katholisch war.
Musik als politische Botschaft
Ab 1941 gehörte Guthrie gemeinsam mit Pete Seeger einer Gruppe von Musikern an, die sich "The Almanac Singers" nannte. In dieser Gruppe sollte er sein bekanntestes Lied überhaupt schreiben: "This Land is Your Land". Als sich sein Freund Seeger später in einem Interview erinnerte, sagte er: "Das Lied war nie in den Hitparaden oder wurde großartig im Radio gespielt. Aber jeder - und ich meine wirklich jeder - kennt dieses Lied."
Bei der Musikgruppe handelte es sich aber nicht um eine gewöhnliche Band, denn die Gründer wollten anonym bleiben, also unerkannt. Sie wollten mit der Musik politische Botschaften verbreiten. Musiker kamen und gingen, jeder konnte seinen Beitrag leisten. Woody Guthrie engagierte sich immer stärker für politische Themen, und so schrieb er auch regelmäßig Artikel für die Zeitung "Daily Worker", die von der Kommunistischen Partei herausgegeben wurde.
Neben seiner Musik hatte Guthrie auf diese Weise ein zweites Organ gefunden, um sich Verhör zu verschaffen. Er schrieb über gesellschaftliche Ausbeutung, Ausgrenzung und Ungleichheit und diskutierte, wie man dagegen angehen könne. Das Schreiben von Texten lag ihm ebenso wie die Musik und so veröffentlichte er 1943 den Roman "Bound for Glory" (der deutsche Titel heißt "Dies Land ist mein Land"), in dem er seine eigenen Erfahrungen und Erlebnisse beschreibt, es ist also seine Autobiografie. In dieser Zeit lernte Woody Guthrie auch seine zweite Ehefrau, Marjorie Mazia, kennen. Er wurde erneut Vater mehrerer Kinder: Cathy (sie starb bei einem Wohnungsbrand als Kind), Arlo (ebenfalls Sänger), Joady Ben und Nora Lee.
Eine schwere Krankheit verändert sein Leben
Nach dem Kriegseintritt der USA im Jahr 1943 wurde der Folk-Musiker zur Marine einberufen. Drei Einsätze musste er auf einem U-Boot ausführen, später trat er der US-Armee bei. "This Machine Kills Fascists" ("Diese Maschine tötet Faschisten") stand zu dieser Zeit auf seiner Gitarre. Die Musik, seine große Leidenschaft, verlor er niemals aus den Augen. Er nahm sage und schreibe zwölf Platten in seiner Zeit beim Militär auf.
1944 ging die Band "The Alamanac Singers" in die Brüche. Woody Guthrie blieb aber nicht untätig und gründete nach dem Krieg sogar eine Gewerkschaft für Musiker, die "Peoples Song". Doch als der Sänger 32 Jahre alt war, brach die schwere Nervenkrankheit aus und machte ihm und seiner Umgebung das Leben schwer. Die Symptome häuften sich und Woody wurde immer unzuverlässiger. Die Ärzte glaubten zunächst, es handle sich um eine Alkoholsucht oder eine Persönlichkeitsstörung.
Anfang der 1950er Jahre wurde die Arbeit als Musiker einfach zu schwer für Guthrie, die Krankheit hatte ihn nun fest im Griff. Seine letzten Aufnahmen 1952 wurden nicht mehr veröffentlicht, da seine Krankheit nun offiziell bestätigt wurde. Kurz darauf wurde er zum Pflegefall, er brauchte ständig jemanden, der sich um ihn kümmerte. Doch Woody Guthrie war ein Kämpfer, er gab noch lange nicht auf und heiratete 1953 erneut. Mit Anneke Marshall hatte er eine weitere gemeinsame Tochter. Doch Lorina Lynn wurde zur Adoption freigegeben. Drei Jahre später wurde der Musiker in ein Krankenhaus eingewiesen. Er war eine Gefahr für sich selbst und für andere geworden.
Tragisches Ende eines großen Musikers
Die letzten neun Jahre seines Lebens wurde er in verschiedenen Kliniken behandelt, bis er schließlich in Queens in eine Nervenanstalt eingeliefert wurde, wo er am 3. Oktober 1967 starb. Doch auch wenn Woody Guthrie in den letzten Jahren seines tragischen Lebens aus dem Gedächtnis vieler Menschen verschwunden war, so hatte er doch einen großen Einfluss auf nachfolgende Musiker.
Nicht alle hatten ihn zu Lebzeiten vergessen. 1961 stand ein junger Mann von gerade 19 Jahren vor seinem Krankenbett und spielte ihm ein Lied vor, als Zeichen seiner Verehrung. Im Gästebuch trug er sich als Robert Zimmermann ein, später wurde er als der große Musiker Bob Dylan bekannt. Nach seinem ersten Besuch bei Woody Guthrie soll dieser ihm noch hinterher gerufen haben: "Ich bin noch nicht tot!" Heute, anlässlich seines 100. Geburtstages, erinnert man sich wieder oft an den Sänger. Mehr als tausend Songs hat er geschrieben, ebenso zwei Bücher, mehrere Gedichte sowie etliche Artikel und Texte.
"Dass dieses Land dein Land ist, dass dieses Land mein Land ist, von Kalifornien bis New York Island, vom Redwood Forest bis zu den Wassern des Golfstroms" - so beginnt das wohl berühmteste Lied "This Land is Your Land" von Woody Guthrie, das ihn unsterblich hat werden lassen.
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letzte Aktualisierung: 22.07.2012
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