Sich mit mit einem Thema wie Tod und Sterben zu befassen, fällt den meisten Menschen nicht leicht. Besonders, wenn es um Tod und Sterben im persönlichen Umfeld geht, wissen viele Menschen überhaupt nicht, wie sie damit umgehen sollen. Das war aber nicht immer so, denn es gab Zeiten, in denen der Tod sozusagen ein ständiger Begleiter der Menschen war.
Heute kommen wir mit dem Tod schon allein deshalb nicht so viel in Berührung, weil die allgemeine Lebenserwartung der Menschen durch verbesserte Lebensbedingungen und die moderne Medizin immer höher wird. Im Durchschnitt wird ein Mann in Deutschland heutzutage 76 Jahre alt, eine Frau sogar 82 Jahre.
Im europäischen Mittelalter sah das noch ganz anders aus: Im Durchschnitt wurden die Menschen dieser Zeit nur 35 Jahre alt, wobei der Durchschnitt vor allem deshalb so niedrig war, weil Kinder und besonders Säuglinge häufig an Krankheiten und Hunger starben. Aber sogar Könige, die besser lebten als die einfache Bevölkerung, wurden selten älter als 50 Jahre. Wenn man sich das vor Augen führt, ist es ganz klar, dass die Menschen damals viel häufiger und auch früher mit dem Tod konfrontiert wurden als wir heutzutage. Denn heute ist es gar nicht ungewöhnlich, dass man schon erwachsen ist, wenn man zum ersten Mal mit dem Tod eines Familienmitglieds in Berührung kommt.
Der Tod als ständiger Begleiter
Wie gesagt, war das im Mittelalter ganz anders. Es gab Seuchen und Hungersnöte, das Leben war hart und die medizinische Versorgung und die hygienischen Bedingungen sehr schlecht. Es war ganz normal, dass Menschen früh sterben, sogar der Tod von Kindern war für das Mittelalter alles andere als ungewöhnlich. Für uns klingt das ganz furchtbar, aber die Menschen hatten damals einen völlig anderen Umgang mit dem Tod. Er war sozusagen ein ständiger Begleiter und gehörte ganz selbstverständlich zum Leben.
Oft merkte ein Kranker schon früh selbst, dass er bald sterben muss, denn bei manchen Krankheitsanzeichen war damals klar, dass es keine Heilung mehr geben kann. Wenn jemand schließlich im Sterben lag, wurden feierliche Zeremonien durchgeführt. Fenster und Türen wurden geschlossen, Kerzen entzündet und Verwandte und Freunde versammelten sich um das Bett des Sterbenden. So konnte er sich verabschieden, sich bei denen entschuldigen, denen er einmal Unrecht getan hat und noch einmal an sein Leben zurück denken.
Außerdem betete der Sterbende zu Gott um die Vergebung seiner Sünden. Ein Priester erteilte ihm anschließend die Absolution. Das bedeutet, dass er ihm im Namen Gottes seine Sünden vergab. Kirche und Religion hatten für die Menschen im Mittelalter noch eine viel größere Bedeutung als für die meisten Menschen heutzutage. Es war deshalb sehr wichtig, nicht ohne die Absolution zu sterben. Aus diesem Grund war ein plötzlicher Tod ohne Zeugen eine ganz schlimme Vorstellung. Heute sehen wir das anders: Schnell und ohne Leiden zu sterben, ist für viele ein angenehmerer Gedanke.
Rituale nach dem Tod
Wenn ein Mensch gestorben war, gab es eine Reihe von Ritualen, die von den Hinterbliebenen ausgeführt wurde. Viele von ihnen hatten einen abergläubischen Hintergrund und waren vor allem im frühen Mittelalter üblich. Zum Beispiel öffnete man das Fenster, damit die Seele des Verstorbenen entweichen konnte. Auch wurden zum Teil alle Spiegel im Haus verhängt, aus Sorge, die Seele könnte in sie einfahren. Solche abergläubischen Rituale wurden weniger, je mehr Einfluss die Kirche auf das Leben der Menschen gewann.
Im Gegensatz zu heute waren es gewöhnlich die Verwandten, die sich nach dem Tod um den Verstorbenen kümmerten. Sie wuschen ihn und kleideten ihn neu ein, damit er im Hausaufgebahrt werden konnte. Der Verstorbene blieb dort für einige Tage liegen, so dass Verwandte, Freunde, Bekannte und Nachbarn ihn noch einmal besuchen und gemeinsam für ihn beten konnten. Das war für die Menschen damals ganz normal und niemand fand es gruselig oder unheimlich, einen Toten im Haus zu haben.
Diese Totenwache dauerte bis zum Tag der Beerdigung und endete damit, dass der Sarg des Verstorbenen gemeinsam zum Friedhof getragen wurde. So merkwürdig es für uns klingen mag, war der Tod also in früheren Zeiten so etwas wie ein Gemeinschaftserlebnis. Man starb nicht allein und auch in der Trauer um einen Angehörigen war man nicht auf sich gestellt. Noch dazu glaubten die Menschen fest daran, dass der Tod nur der Übergang in ein besseres Leben nach dem Tod war, so dass sie ihn in gewisser Weise weniger dramatisch sahen.
Das Verhältnis zum Tod ändert sich
Diese Sichtweise auf den Tod wandelte sich aber im Laufe der Zeit, was vor allem daran lag, dass sich die ganze Gesellschaft nach und nach veränderte. Die Bevölkerungszahl wuchs an, die Menschen lebten länger, es gab neue Gesellschaftsschichten und auch die Familien veränderten sich. Richtige Großfamilien wurden seltener, stattdessen bestanden die Familien häufiger nur noch aus Eltern, Kindern und Großeltern. Das bedeutete, dass die Familienmitglieder eine viel stärkere gefühlsmäßige Bindung zueinander hatten. Die Menschen entwickelten ein stärkeres Gefühl dafür, dass ihr Leben einzigartig und wertvoll war und nicht nur eine kurze Station auf dem Weg ins Jenseits. Natürlich veränderte sich damit auch ihre Einstellung zum Tod und das Ausmaß ihrer Trauer, wenn ein geliebter Mensch starb.
Ein Todesfall war nicht mehr alltäglich, sondern ein Schicksalsschlag. Irgendwann war die Trauer beim Verlust eines geliebten Menschen so unfassbar groß, dass auch ein fester Glaube an Gott nicht mehr trösten konnte. Diese Entwicklungen kamen allerdings nicht plötzlich, sondern verliefen langsam und allmählich über Jahrhunderte. Aber der Umgang mit dem Tod veränderte sich nicht nur, weil die Menschen ihre Trauer stärker wahrnahmen. Auch der Fortschritt auf dem Gebiet der Technik spielte eine Rolle. Im 19. Jahrhundert begann man sich zum Beispiel Sorgen wegen der Hygiene zu machen.
Bisher waren die Toten auf Kirchhöfen mitten in der Stadt beerdigt worden, aber das wurde langsam zum Problem. Die Städte wuchsen in dieser Stadt sehr schnell und natürlich mussten auch mehr Tote bestattet werden. Als Lösung wurde Friedhöfe an den Stadtgrenzen angelegt, weit weg vom Alltag der Lebenden. Weil die Toten dorthin transportiert werden mussten, entstanden die ersten Bestattungsunternehmen, die nach und nach immer mehr Aufgaben rund um den Trauerfall übernahmen, die vorher von den Familienmitgliedern erledigt wurden.
Der Tod heute
Wie bereits erwähnt, haben die Menschen heute erst spät Kontakt mit dem Tod und nur ganz selten mit Toten. Ein selbstverständlicher Umgang mit einem Todesfall und Verstorbenen ist heute kaum denkbar, man hat ihn schlicht und einfach verlernt. Die Art und Weise, wie wir in unserer Gesellschaft mit dem Tod umgehen, ist so gesehen eine ganz natürliche Entwicklung: Die Trauer wurde größer, deshalb wurde der Gedanke daran immer weiter weg geschoben. Heutzutage wissen viele Menschen schon nicht so recht, wie sie mit kranken oder auch mit alten Menschen umgehen sollen und gehen deshalb unbewusst auf Abstand. Sie gehen nicht gern ins Krankenhaus oder ins Altenheim, auch nicht, um jemanden zu besuchen.
Es ist sehr selten geworden, dass jemand bis zum Lebensende in seiner vertrauten Umgebung bleibt oder sogar im Kreis seiner Angehörigen. Die meisten Menschen sterben heute in Krankenhäusern oder Heimen. Nicht selten haben die Angehörigen am Ende das Gefühl, nicht alles getan zu haben und machen sich zusätzlich zur ihrer Trauer auch noch Vorwürfe. Die Trauer selbst hat sich verändert, denn es gibt weniger Rituale, an denen man sich orientieren kann und vor allem sind Menschen in Trauer mehr auch sich allein gestellt als früher. Beim Organisieren der Bestattung und allem, was dazu gehört, hilft das Bestattungsunternehmen, aber nach der Beerdigung fallen viele Trauernde erst einmal in ein Loch.
Früher war alles besser?
Beim Lesen dieses Überblicks kann man den Eindruck bekommen, früher sei alles besser gewesen. Das wäre aber zu einfach gedacht. Denn natürlich ist es gut, dass Menschen heute lange leben, lange bei guter Gesundheit sind und dass sich viele von uns erst spät mit dem Tod auseinander setzen müssen. Doch es kann bestimmt nicht schaden, ab und zu daran zu denken, dass der Tod ein ganz natürlicher Bestandteil des Lebens ist und tatsächlich jeden von uns etwas angeht.
Das fällt schwer, wenn es um den Tod eines geliebten Menschen geht, denn der Gedanke daran ist einfach unfassbar traurig. Verständlich, dass man sich damit nicht zu viel beschäftigen möchte. Aber solche Gedanken zu verdrängen, kann keine Lösung sein. Es hilft schon, im Alltag häufiger über solche Dinge zu reden und sich ein bisschen bewusster mit dem Thema zu beschäftigen.
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