Österreich hat gewählt

von Andreas Fischer - 01.10.2006

Rund 6,1 Million Österreicher waren am Sonntag dazu aufgerufen, ein neues Parlament zu wählen. Die regierende Österreichische Volkspartei (ÖVP) von Kanzler Wolfgang Schüssel hat viele Stimmen eingebüßt und lieferte sich mit der Sozialdemokratischen Partei (SPÖ) ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Die rechtsgerichteten Parteien gewinnen dagegen deutlich hinzu. Neben der Freiheitlichen Partei (FPÖ) schafft auch das Bündnis Zukunft (BZÖ) von Jörg Haider den Einzug ins Parlament.


SPÖ-Vorsitzender Alfred Gusenbauer hat überraschend die Parlamentswahl gewonnen.

Die Regierungszeit von Kanzler Wolfgang Schüssel geht nach sechs Jahren zu Ende. Durch die unerwartet hohen Verluste seiner Partei von zurzeit über acht Prozent gegenüber dem Wahlergebnis von 2002 liegt die Österreichische Volkspartei im vorläufigen Ergebnis knapp hinter den Sozialdemokraten. Die Wahlbeteiligung erreichte mit nur ungefähr 75 Prozent einen neuen Tiefpunkt.

Der genaue Ausgang der Wahl steht aber erst nach Auszählung der Stimmen aus der Briefwahl am 9. Oktober fest. Bereits kurz nach den ersten Hochrechnungen gab sich der SPÖ-Vorsitzende Alfred Gusenbauer siegessicher: "Wir haben unser Wahlziel, erster zu werden, erreicht", auch wenn es zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht ganz sicher war.

Rechte Parteien haben erschreckend viele Stimmen erhalten

Wahlplakat der FPÖ: Stimmenfang auf Kosten von Ausländern.

Bedenklich ist das gute Abschneiden der rechtsgerichteten Parteien, die sich im Wahlkampf mit fremdenfeindlichen Parolen gegenseitig überboten beziehungsweise inhaltlich unterboten haben. Die FPÖ konnte das Wahlergebnis aus dem Jahr 2002 sogar noch übertreffen und ist dadurch drittstärkste Kraft im Wiener Nationalrat. Und das, obwohl sich ihr politisches "Zugpferd" Jörg Haider im vergangenen Jahr von ihr trennte und eine ganz neue rechte Partei gründete: das Bündnis Zukunft (BZÖ).

Doch auch er kann sich über das vorläufige Ergebnis freuen, denn seine Partei schafft aller Voraussicht nach den Einzug in den Nationalrat - wenn auch sehr knapp. Auch die Grünen sind mit dem besten Wahlergebnis seit ihrem Bestehen zufrieden, obwohl sie im Rennen um Platz Drei voraussichtlich knapp hinter der Freiheitlichen Partei (FPÖ) landen werden. Da sowohl die Sozialdemokraten als auch Politiker der Volkspartei eine Koalition (Zusammenschluss) mit der rechten FPÖ von vornherein ausgeschlossen hatten, haben die Grünen gute Chancen, als Koalitionspartner einer der beiden großen Parteien in die Regierung zu kommen. Am wahrscheinlichsten ist aber derzeit eine große Koalition aus ÖVP und SPÖ.

Info zum österreichischen Wahlsystem

In Österreich gilt die Verhältniswahl, das heißt, die Parteien sind entsprechend ihrer Anzahl der nach der Auszählung erhaltenen Stimmen vertreten. (Bei der Mehrheitswahl dagegen ziehen nach dem "der Gewinner bekommt alles"-Prinzip nur die Kandidaten ins Parlament, die im jeweiligen Wahlkreis die Mehrheit haben. Alle anderen Stimmen verfallen, auch wenn man fast genauso viele erhalten hat wie der Sieger.) Bei den österreichischen Wahlen werden für die nächsten vier Jahre 183 Mitglieder in den Nationalrat gewählt. Dabei gibt es neun Landeswahlkreise (Bundesländer), die wiederum in 43 Regionalwahlkreise unterteilt sind.

Jeder wahlberechtigte Bürger hat eine Stimme, mit der er seine bevorzugte Partei wählt. Der Wähler gibt darüber hinaus noch zwei so genannte Vorzugsstimmen ab: für einen Bewerber von der Landesparteiliste sowie für einen der Regionalparteiliste. Man verteilt damit noch jeweils eine Stimme (eine für den Landkreis und eine für die Gemeinde) an einen entsprechenden Kandidaten der gewählten Partei. Für jede der drei Bereiche (Regional-, Landes- und Bundesebene) gibt es ein bestimmtes Auszählungsverfahren. Die abgegebenen Stimmen für eine Partei werden dafür in Prozent umgerechnet. Dabei wird das Verhältnis von den erhaltenen Parteienstimmen zur Gesamtanzahl aller in Österreich abgegebenen gültigen Stimmen berechnet.

Die Sperrklausel für die Parteien liegt bei vier Prozent. Die Parteien brauchen also eine Mindestanzahl an Stimmen, um überhaupt vertreten zu sein. Die Stimmen der darunter liegenden Parteien verfallen. Der Sinn der Sperrklausel ist es, dass nicht zu viele kleine Parteien im Parlament vertreten sind. Denn bei sehr vielen Parteien wird es schwierig, die verschiedenen Interessenlagen zu vereinbaren, Entscheidungen treffen zu können und neue Regelungen durchzusetzen. Mit den Vorzugstimmen für die beiden Wahlkreise auf regionaler Ebene und Landesebene werden anhand der Stimmen entsprechende Mandate verteilt. Es werden also Abgeordnete der Parteien gewählt, die in bestimmten Regionen und Bundesländern regieren dürfen.

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letzte Aktualisierung: 13.11.2009

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