von Anna Schäfer - 10.07.2006
Nach dem Folter-Skandal im irakischen Gefängnis Abu Ghuraib erschüttert ein weiteres mutmaßliches Verbrechen us-amerikanischer Soldaten die Öffentlichkeit. Eine Einheit der US-Armee soll in der irakischen Stadt Haditha aus Rache 24 unschuldige Menschen - darunter sieben Kinder - ermordet haben. Das Massaker geschah bereits im vergangenen November, wurde aber erst im März bekannt. Nun soll untersucht werden, wie es zu der Gewalttat kommen konnte und weshalb das Militär das mutmaßliche Verbrechen so lange vertuschen konnte.
Die Bluttat, über die sich die Welt empört, liegt bereits mehr als ein halbes Jahr zurück. Am 19. November 2005 explodierte in der Provinzstadt Haditha, die etwa 250 Kilometer nordwestlich von Bagdad gelegen ist, eine Bombe. Sie riss einen jungen US-Soldaten in den Tod. Schnell war klar, dass Aufständische den Sprengsatz gelegt haben mussten. Augenzeugen berichten, dass die Kameraden des getöteten Soldaten kurz nach der Explosion wahllos in eines der Häuser gestürmt sind.
Es sollen Schüsse gefallen sein. Angeblich sollen die US-Soldaten in blinder Wut alle Bewohner erschossen haben. Und das, obwohl die Opfer offensichtlich nichts mit dem Anschlag zu tun hatten. Im gestürmten Haus lebte der 77-jährige Abdul Hamid Hassan Ali mit seiner Familie. Das Familienoberhaupt war an den Rollstuhl gefesselt. Die Soldaten hätten also schnell erkennen können, dass es sich bei dem alten Mann, den Frauen und Kindern nicht um aufständische Kämpfer handeln konnte.
Alte Männer und Kinder ermordet?
Die Schwiegertochter des alten Mannes soll mit ihrer damals fünf Monate alten Nichte gerade noch rechtzeitig aus dem Haus geflohen sein. Die Frau und das Baby haben als einzige überlebt. Als sie später zurückkamen, sollen alle sieben Verwandten tot gewesen sein. Die Zeugen sagen außerdem aus, dass die US-Soldaten noch zwei weitere Häuser in der Nachbarschaft gestürmt hätten. Auch hier wollten sie offenbar niemanden verschonen. Nur durch Glück sollen ein paar Kinder überlebt haben, weil sie sich tot stellten.
19 Menschen sollen in ihren Häusern getötet worden sein - Männer und Frauen, Kinder und Alte. Auch ein Taxifahrer und seine vier Fahrgäste sollen erschossen worden sein. Augenzeugen berichten, dass der Fahrer noch versucht habe zu fliehen, als er das durch den Sprengsatz zerstörte Armeefahrzeug der Amerikaner bemerkt habe. Aber da sei es schon zu spät gewesen, um sein Leben und das seiner Fahrgäste noch retten zu können.
Schweigen und Verschweigen
Die beteiligte Armee-Einheit schilderte die Ereignisse in ihrem offiziellen Bericht ganz anders. Angeblich seien die meisten Zivilisten (Nicht-Soldaten) ums Leben gekommen, als der von sunnitischen Aufständischen gezündete Sprengsatz explodierte. Weitere irakische Opfer habe es bei einer Schießerei gegeben, nachdem die Aufständischen das Feuer auf die US-Einheit eröffnet hätten. Diese Version des Tathergangs wurde zunächst nicht angezweifelt.
Erst im März dieses Jahres sorgte ein Bericht über das mutmaßliche Massaker in dem einflussreichen us-amerikanischen Nachrichtenmagazin "Time" dafür, dass die Welt von dem möglichen Verbrechen der US-Soldaten erfuhr. Ein junger irakischer Journalist hatte die Leichen der getöteten Zivilisten fotografiert und das Material einer irakischen Menschrechtsorganisation sowie der "Time" übergeben.
Erste Untersuchungs-Ergebnisse erhärten Verdacht
Erst nach der Veröffentlichung der Fotos im März begannen Ermittler damit, die Ereignisse zu untersuchen. Schnell wurde klar, dass die offizielle Version der US-Armee nicht stimmen kann. Alle irakischen Opfer sind erschossen worden. Niemand ist an den Folgen einer Bombenexplosion gestorben, wie es die Soldaten behaupten. Das endgültige Ergebnis des Untersuchungs-Berichts liegt jedoch noch nicht vor.
Ermittelt wird nicht nur gegen die beteiligten Soldaten, sondern auch gegen ihre Vorgesetzten. Den ranghohen Offizieren des US-Militärs wird vorgeworfen, dass sie die Verbrechen der Soldaten verschleiern wollten.
Bush-Regierung bangt um Unterstützung
Nach dem Skandal um das Gefängnis Abu Ghuraib, in dem US-Soldaten irakische Häftlinge grausam gefoltert haben, ist die Welt ein weiteres Mal darüber erschüttert, wie grausam und unmenschlich einige US-Soldaten offenbar gegen die Zivilbevölkerung vorgehen. Auch in den Vereinigten Staaten von Amerika sind viele Bürger über diese Nachricht empört. Die Regierung unter US-Präsident George W. Bush muss befürchten, dass sich das irakische Volk mehr und mehr gegen die US-Soldaten im Irak auflehnt.
Einige Journalisten und Kommentatoren vergleichen Haditha bereits mit dem Massaker von My Lai. My Lai ist ein kleines, vietnamesisches Dorf. Während des Vietnam-Kriegs haben US-Soldaten im Jahr 1968 dort bis zu 500 Zivilisten ermordet. Die Fotos dieses Verbrechens gingen um die Welt. Sie sorgten dafür, dass alle US-Truppen einige Jahre später aus Vietnam abgezogen werden mussten. Die damalige US-Regierung hatte den Rückhalt in ihrer Bevölkerung für diesen Krieg verloren.
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