Stäbchen im Auge - Die Welt der Farben

Kinderuni: Können Tiere Farben sehen?

30.11.2005

Jeder Mensch weiß, dass Mohnblumen leuchtend rot, Gräser grün und Zitronen gelb sind. Warum sollten Tiere das anders sehen? "Weil die Welt nicht wirklich bunt ist, sondern in unseren Augen nur so aussieht", hat Professor Christa Neumeyer vielen erstaunten Kindern erklärt, die trotz des Wintereinbruchs zur Kinderuni nach Mainz gekommen sind.

In den Augen der meisten Tiere sieht die Welt ganz anders aus, als wir sie kennen. (Quelle: Johannes Gutenberg-Universität Mainz)

Unsere Augen liefern alle möglichen Eindrücke ans Gehirn. Diese Informationen werden dann von uns als Farben und Formen wahrgenommen. Viele Tiere haben jedoch ganz andere Augen als wir, mit denen sie die Welt auch völlig unterschiedlich sehen.

"Die Augen von Katzen sind noch so ähnlich aufgebaut wie die unseren", erklärt Christa Neumeyer und zeigt den Kinderuni-Teilnehmern Fotos von einem großen Katzengesicht. "Dagegen sind die Unterschiede bei anderen Tierarten enorm." Spinnen zum Beispiel haben acht Augen, Bienen besitzen zwei "Facettenaugen", und Nachtaffen haben Augen, mit denen sie sogar bei Dunkelheit alles genau erkennen können. Doch wie lässt es sich beweisen, dass diese Tiere tatsächlich anders sehen als Menschen?

Die Antwort der Tiere

Professor Christa Neumeyer hat Kindern erklärt, wie Forscher die Antworten der Tiere verstehen können. (Quelle: Helles Köpfchen)

Da wir die Welt nicht durch die Augen von Tieren betrachten können, müssen wir uns auf eine andere Art behelfen, um diese Frage zu klären. Christa Neumeyer weiß Rat: "Man muss das Tier fragen und dann seine Antwort verstehen." Aha. Die Gesichter der jungen Studenten spiegeln Ratlosigkeit wider. Jemand flüstert: "Mit einer Biene sprechen? Das geht doch gar nicht!"

Doch da irrt sich der Kinderstudent. Ein Tierforscher hat bereits im Jahr 1914 bewiesen, dass es doch möglich ist. Natürlich kann man eine Biene nicht fragen: "Hey, sag' mal, wie siehst du eigentlich die Welt?", und dann eine Antwort erwarten. Aber man kann der Biene eine Aufgabe stellen und anschließend anhand ihres Verhaltens die richtige Antwort ablesen. In einem Experiment, das sich Karl von Frisch ausgedacht hat, geben Bienen zu verstehen, ob sie blau von anderen Farben unterscheiden können.

Experiment mit Bienen

Bienen landen zielsicher auf der Fläche mit dem Zuckerwasser. Denn sie haben sich die Farbe gemerkt. (Quelle: Johannes Gutenberg-Universität Mainz)

Das funktioniert so: Zunächst wird eine Fläche in bunte Felder unterteilt. Es gibt nun also ein gelbes, ein rotes, ein grünes, ein violettes und andere farbige Felder. Auf jedes Felder wird nun ein Schälchen mit ganz normalem Wasser gestellt. Nur auf das blaue Feld kommt ein Schälchen mit Zuckerwasser. Gesüßtes Wasser hat nämlich den Vorteil, dass es den Bienen sehr gut schmeckt, sie es aber - im Gegensatz zu Honig - nicht riechen können. Auf diese Weise ist ausgeschlossen, dass Bienen ihrem Geruchssinn folgen, statt ihren Augen.

Nun wird eine gefangene Biene in einer Streichholzschachtel auf das blaue Feld gesetzt. Die Schachtel muss man ganz vorsichtig gerade so weit öffnen, dass die Biene ihre Fühler und den Kopf herausstrecken und das Zuckerwasser erreichen kann. Wenn die Biene gemerkt hat, welch Köstlichkeit auf sie wartet, will sie gar nicht mehr fliehen. Dann kann man sie getrost ganz freilassen.

Wo ist das Zuckerwasser geblieben?

Sie ist nun so damit beschäftigt, Zuckerwasser zu trinken, dass man ihr problemlos einen kleinen weißen Punkt aufmalen kann, um sie später wieder zu erkennen. Wenn das Insekt genug getrunken hat, fliegt es davon, um die anderen Bienen über seinen Fund zu informieren.

Bevor die Biene nun zurückkommt, muss man die bunte Fläche neu mischen, sodass das blaue Feld an einer ganz anderen Stelle liegt als zuvor. Wenn die Biene nun trotzdem wieder das blaue Feld anfliegen sollte, um erneut Zuckerwasser zu trinken, dann ist das der Beleg dafür, dass sie diese Fläche von den anderen unterscheiden kann. Und tatsächlich: Die Biene mit dem weißen Punkt steuert zielstrebig das blaue Feld an.

Schwarz-weiß oder Farbe?

Das Feld unten links hat die selbe Helligkeit wie das blaue Viereck. Bienen lassen sich dennoch nicht verwirren. (Quelle: Kinderuni Mainz)

Nun ist also bewiesen, dass die Biene ein Feld von den anderen unterscheiden kann. Aber ob sie tatsächlich die Farbe blau erkannt hat, ist noch unklar. Denn die verschiedenen Flächen kann man auch auf einem Schwarz-Weiß-Foto auseinander halten, auf dem verschiedene Farben in unterschiedliche Grautöne umgewandelt wurden. Sehen Bienen also tatsächlich farbig, oder nehmen sie die Welt durch verschiedene Hell-Dunkel-Stufen wahr?

Um dies zu überprüfen, muss man das Experiment noch einmal leicht verändert wiederholen. Statt bunter Farbplättchen werden nun außer dem blauen lauter graue Plättchen auf dem Tisch verteilt. Eines dieser grauen Plättchen hat genau den Grauton, den das blaue Plättchen auf dem Schwarz-Weiß-Foto hätte. Wenn die Biene keine Farben sehen könnte, dann müsste sie verwirrt sein und unentschlossen zwischen dem blauen und dem dunkelgrauen Feld hin und her fliegen. Doch die Biene steuert erneut ganz gezielt das blaue Feld an. Damit ist bewiesen, dass sie tatsächlich Farben sehen kann.

Ultra-Violett ist für das menschliche Auge unsichtbar

Die Facettenaugen der Honigbiene sehen sie Welt bunt. Allerdings erkennen sie kein Dunkelrot, dafür aber Ultraviolett. (Quelle: Wikipedia)

Karl von Frisch hat natürlich ebenfalls getestet, ob Bienen weitere Farben erkennen können. Dabei hat er etwas Überraschendes festgestellt: Bienen können alle Farben unterscheiden - außer Dunkelrot. Das sieht für sie genauso aus wie Schwarz. Dafür sehen sie eine Farbe, die wir nicht erkennen können: ultraviolett. Für Menschen sind "UV-Strahlen" dagegen nur in einem ganz speziellen Licht sichtbar.

"Alles in der Natur hat einen Sinn", sagte Professor Neumeyer. Indem Bienen UV-Licht erkennen, sehen für sie gelbe Blumen nicht alle gleichfarbig aus, wie für uns. Bienen erkennen blitzschnell, welche gelbe Blüte sie anfliegen müssen, weil in ihr viel Nektar enthalten ist.

Goldfische sind "Mainzer Spezialität"

Goldfische steuern direkt das Röhrchen mit dem richtigen Farbpunkt an. (Quelle: Johannes Gutenberg-Universität Mainz)

In dieser Vorlesung ist es übrigens nicht nur um die Sichtweise der Bienen gegangen. Julia hatte schon die ganze Zeit darauf gewartet, wann sie endlich etwas über ihre Lieblingstiere erfahren würde - und das sind Fische.

Ihre Geduld wurde belohnt. "Fische sind die Spezialität der Tierforscher an der Uni Mainz", berichtete Christa Neumeyer. "Wir Mainzer haben herausgefunden, dass auch sie die Farbe ultraviolett sehen können." Das sei eine große Überraschung für viele Natur-Wissenschaftler gewesen.

Das Goldfisch-Experiment erinnerte stark an den Versuch mit der Biene. Die Fische werden allerdings nicht mit Zuckerwasser angelockt, sondern mit einer Futter-Paste. Wenn ein Fisch gelernt hat, dass es beim blauen Punkt Futter gibt, steuert er beim nächsten Mal gezielt wieder diesen Punkt an. Mit diesem Experiment haben Wissenschaftler bewiesen, dass Goldfische unter Wasser sogar besser sehen können als Menschen mit Taucherbrille.

Warum sehen wir Farben?

Diese Blume ist sehen wir gelb. Bienen sehen sie dagegen ultraviolett (rechts). Der Mensch kann diese Farbe jedoch nicht erkennen. (Quelle: Johannes Gutenberg-Universität Mainz)

Um zu verstehen, weshalb einige Tiere ultraviolett sehen können und andere nicht, muss man sich die Augen einmal ganz, ganz genau ansehen. Verantwortlich dafür, dass wir verschiedene Farben und Helligkeiten unterscheiden können, sind winzige Zellen auf der Netzhaut des Auges. Einige dieser Zellen haben die Form von "Stäbchen", andere die von "Zapfen". Mit Hilfe der "Stäbchen" können wir verschiedene Helligkeitsstufen unterscheiden. Die "Zapfen" sind dagegen für die Farbwahrnehmung zuständig. Im menschlichen Auge gibt es drei verschiedene Zapfen-Arten.

Der erste Zapfentyp hat sich auf kurzwelliges Licht spezialisiert. Diese Zapfen leitet ankommende Informationen ans Gehirn weiter, wo die dann als "blau" entschlüsselt werden. Der zweite Zapfentyp ist für den mittleren Wellenbereich zuständig. Wenn er sich meldet, dann deutet das Gehirn diese Information als "grün". Und der dritte Zapfen reagiert schließlich auf das langwellige Licht. Unser Hirn folgert: "rot".

Wenn sich die Mittelwellen- und die Langwellen-Zapfen geleichzeitig melden, ensteht bei uns der Eindruck, dass wir "gelb" sehen. Regen sich alle drei Zapfentypen auf einmal, dann folgert unser Hirn: "weiß". Wird dagegen überhaupt kein Zapfen angesprochen, deuten wir das als "schwarz". Wenn wir "schwarz" sehen, dann sehen wir also gar nichts. Bei einigen Tieren ist das anders. Sie haben einen zusätzlichen Zapfen. Wenn der sich meldet, entsteht im Hirn die Farbe "ultra-violett".

Einige Menschen haben nur zwei Zapfen

Wenn du hier 31 statt CH liest, kannst du rot und grün schlecht unterscheiden. (Quelle: Dr. med. Rudolf Fischl)

Dadurch dass alle Stäbchen und Zapfentypen überall auf der Netzhaut verteilt sind, erhält das Gehirn unglaublich viele Meldungen gleichzeitig - zumindest dann, wenn wir die Augen offen haben. Im Hirn werden die einzelnen Informationen dann zu einem Bild zusammengesetzt, sodass eine Abbildung der Umgebung entsteht.

Fünf von hundert Menschen können allerdings rot und grün gar nicht oder nur schlecht auseinander halten. Das liegt daran, dass bei ihnen ein Zapfentyp ganz oder teilweise ausgefallen ist. Ob du dazu gehörst, kannst du mit dem Bild rechts testen. Wenn alles in deinem Auge normal funktioniert, dann solltest du die Buchstaben "CH" deutlich erkennen. Wenn du dagegen eine "31" siehst, dann bist du wahrscheinlich "rot-grün-blind". Das ist aber zumindest dann egal, wenn du später nicht gerade Pilot werden willst. Hunden geht es übrigens ähnlich. Auch sie können rote und grüne Flächen nicht auseinander halten, da sie nur zwei Zapfentypen im Auge haben.

Besonders gute und schlechte Augen im Tierreich

Am Ende hat Professor Neumeyer noch erklären müssen, wie die Haustiere der Kinder die Welt sehen. (Quelle: Helles Köpfchen)

Am Ende der Vorlesung haben die Nachwuchs-Studenten noch erfahren, welche Tierarten was sehen können. Affen, Kängurus und Feuersalamander sehen die Welt fast so wie wir. Sie haben die gleichen drei Zapfen im Auge wie Menschen.

Einige Tiere haben eine zusätzliche Zapfenart, die ultraviolettes Licht sehen kann. Mit vier Zapfen sehen diese Tiere ihre Umwelt viel deutlicher als Menschen. Dadurch können zum Beispiel fast alle Vögel reife von unreifen Früchten sehr schnell unterscheiden, da die reifen Früchte in ihren Augen viel stärker leuchten. Neben Vögeln haben auch die meisten Reptilien und viele Fische vier Zapfen.

Es gibt in der Tierwelt allerdings auch einige Arten, die überhaupt keine Farben unterscheiden können. Da Delfine und Nachtaffen nur einen einzigen Zapfentyp haben, nehmen sie ihre Umwelt in verschiedenen Graustufen wahr. Als "kleine Entschädigung" sind dafür ihre Stäbchen extrem gut ausgebildet. Dadurch können sie sich auch bei Dunkelheit problemlos orientieren.

Vergiss nicht, dir oben rechts die Fotogalerie mit vielen weiteren Bildern und Informationen anzusehen.

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letzte Aktualisierung: 31.12.2009

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