Die unterirdischen Städte Kappadokiens

Vergessene Weltwunder - Teil 7

Teil 8 von 11

In der Türkei liegen über 200 rätselhafte unterirdische Städte. Bis zu zwölf Stockwerke tief reichen sie in den weichen Tuffstein Kappadokiens, wie die Gegend etwa 300 Kilometer östlich der Hautstadt Ankara heißt. Kaum vorstellbar, dass in den Städten einmal bis zu 1,2 Millionen Menschen tief unter der Erde gelebt haben.


Im "Love Valley" bei Göreme stehen besonders bizarre Tufffelsen. (Quelle: Wolfgang Beyer (Wikipedia))

Mitten in Anatolien liegt die Bergregion Kappadokien, das "Land der schönen Pferde". Regen und Wind haben im Laufe von vielen Millionen Jahren wild aussehende Bergspitzen und Höhlen in die weichen Tuffstein-Berge geformt.

Diese Höhlen waren schon seit der Jungsteinzeit vor 4000 Jahren von Menschen bewohnt. Die alten Griechen erzählten sich folgende Legende: Wenn eine Schlange einen Kappadokier biss, starb die Schlange und nicht der Mensch.

Das scheint recht weit hergeholt zu sein. Fest steht, dass die Einwohner Kappadokiens auf dem Gebiet der Medizin ihren Zeitgenossen weit voraus waren. Sie haben bereits vor 5.000 Jahren Patienten erfolgreich am offenen Schädel operiert. Knochenfunde haben das eindeutig bewiesen.

Ständig neue Eroberer

Derinkuyu ist die größte unterirdische Stadt in Kappadokien. Sie wurde erst 1963 wieder entdeckt. (Quelle: Pacal.de)

In den anatolischen Bergen lagert das Gestein "Obsidian". Mit diesem haben die Menschen in der Steinzeit zum Beispiel Messer und Feilspitzen hergestellt. Weil es damals so nützlich war, war Obsidian natürlich auch wertvoll. Das Volk der Hethiter siedelte sich in Kappadokien an, baute das Gestein ab und verkaufte es auch an andere Völker.

Dadurch kamen die Hethiter zu Wohlstand. Sie bauten ein großes Reich auf und machten das Gebiet bekannt. Kappadokien wurde in den folgenden Jahrhunderten immer wieder von feindlichen Heeren und Horden heimgesucht. Die Bewohner mussten einen Weg finden, sich und ihr Hab und Gut möglichst schnell in Sicherheit zu bringen. Deshalb bauten sie tiefe Schutzkeller unter ihren Häusern.

Aus der Zeit der Hethiter-Herrschaft stammen die ersten Tunnelsysteme. Im achten Jahrhundert vor Christus eroberten dann die Phrygier unter König Midas ganz Anatolien. Diese bauten die Höhlen als Schutz vor den ständigen Angriffen der Assyrer weiter aus. Dann kamen die Byzantiner nach Kappadokien. Auch sie nutzten die Höhlen, um sich gegen die Araber zu wehren.

Weinkeller und Kirchen

Um 700 nach Christus lebten in Anatolien noch viele Christen. Um sie herum entwickelten sich die Anhänger einer (damals) neuen Religion zu einer stetig wachsenden Bedrohung: Der Islam breitete sich immer weiter aus. Die Bergregion Kappadokiens wurde zur Zufluchtsstätte für hunderttausende Christen. Die Einwohner bauten in dieser Zeit die Höhlen zu riesigen Städten aus.

Sie gruben Wohn- und Schlafräume, Ställe, Weinkeller, Küchen, Vorratsräume sowie prachtvoll ausgemalte byzantinische Kirchen - und das alles tief unter der Erde. Einige Bauwerke ragen zwölf Stockwerke tief in den Boden. Durch die Höhlenstädte flossen unterirdische Flüsse mit klarem, frischem Wasser. Und jede Stadt hatte bis zu 15.000 Luftschächte, die selbst 60 Meter unter der Erde noch für gute Luft sorgten.

Zwischen den Wohnungen, von denen sich immer zwei oder drei eine Küche teilen mussten, lagen dicke Steinwände. Die einzelnen Häuser waren durch niedrige Neben- und breite Hauptgänge miteinander verbunden. In den Wänden der Tunnel befanden sich kleine Nischen, in die Bewohner Kerzen und Öllampen stellten. Trotzdem war es in den Höhlenwohnungen immer ziemlich finster.

Das erste "Telefon"

In den Tuff-Felsen bei Göreme haben die Menschen vor langer Zeit zahlreiche Höhlenwohnungen und -kirchen angelegt. (Quelle: Wolfgang Beyer (Wikipedia))

In den unterirdischen Städten gab es sogar eine Art Telefon. Fünf bis zehn Zentimeter breite Belüftungsluftlöcher in der Decke und im Fußboden verbanden die Höhlen auf verschiedenen Etagen miteinander. Durch diese Löcher konnten die Nachbarn miteinander sprechen - ohne den langen Weg durch die engen Tunnel zu gehen. Im Falle eines Überfalls konnten sich sämtliche Bewohner schnell gegenseitig warnen.

Um in eine unterirdische Stadt zu kommen, musste man zunächst in dem zerklüfteten Gebirge den Eingang finden. Jede Stadt hatte mehrere Eingänge, vor die bei Gefahr riesige, runde Steinplatten geschoben wurden. Auch die Hauptgänge im Labyrinth der unterirdischen Stadt konnten mit 200 bis 500 Kilogramm schweren Steinplatten verschlossen werden. Die Steine könnten außerdem als Schutz vor dem Feuer der damals noch aktiven Vulkane gedient haben. Um in den Höhlen nicht wie in einem unterirdischen Gefängnis eingeschlossen zu sein, bauten die Einwohner riesige, bis zu zehn Kilometer lange, Tunnel bis zur unterirdischen Nachbarstadt.

Schutz vor Kriegern oder Vulkanen

Ob in der größten Höhlenstadt Derinkuyu wirklich einmal bis zu 20.000 Menschen lebten, kann heute niemand mehr sagen. Manche Forscher glauben, dass die Städte nur in akuter Kriegsgefahr bewohnt wurden. Andere Forscher vermuten hingegen, dass Feinde doch sehr leicht die Luftschächte hätten verschütten können. Daher glauben sie, dass die Städte in Friedenszeiten bewohnt wurden, um vor den Vulkanen sicher zu sein. Was zwischen dem 5. und 14. Jahrhundert hier tatsächlich geschah und warum die Felsenstädte dann verlassen und zugeschüttet wurden, ist ein ungelöstes Rätsel.

Erst im Jahr 1963 entdeckten Archäologen die größte Höhlenstadt Derinkuyu. Je länger die Altertums-Forscher suchten, desto mehr unterirdische Siedlungen und Städte fanden sie - bisher sind es fast 200. In diesen Städten gab es über 1000 unterirdische Kirchen. Die Unesco erklärte das gesamte Gebiet im Jahre 1986 zum Weltkulturerbe.


WikipediaIm achten Teil der Serie "Vergessene Weltwunder" geht es ab Samstag um den Potala Palast in den Bergen Tibets. Der fünfte Dalai Lama begann im 17. Jahrhundert mit dem Bau des eindrucksvollen Gebäudes. Der rot-weiße Palast bildet das Zentrum des tibetanischen Buddhismus und war außerdem für lange Zeit der Regierungssitz des Landes Tibet. Seit die sozialistische Regierung Chinas den 14. Dalai Lama im Jahr 1959 vertrieben hat, dient der Palast als Museum.

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letzte Aktualisierung: 16.04.2015

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