von Felicia Chacón Díaz und Björn Pawlak
René Descartes war ein französischer Philosoph, der als Begründer der modernen Philosophie und als Wegbereiter der "Aufklärung" gilt. Er forderte die Menschen in seinen Schriften dazu auf, nicht länger das zu glauben, was andere als die "Wahrheit" lehrten. Vielmehr sollte man der Frage nach der Wahrheit auf den Grund gehen, indem man das eigene Denken zum Ausgangspunkt nimmt. Man ordnet Descartes der philosophischen Richtung des "Rationalismus" zu - "ratio" ist lateinisch und bedeutet "Vernunft".
Das Leben des Philosophen begann im Jahr 1596 und endete im Jahr 1650. Er lebte in Frankreich, in den Niederlanden und gegen Ende seines Lebens in Schweden. Berühmt ist Descartes' lateinischer Ausspruch "Cogito ergo sum!" (zu Deutsch "Ich denke, also bin ich!"). Doch was genau verbirgt sich hinter diesem Satz? Und wer war dieser Mann, der beim Niederschreiben seiner Gedanken auch stets darauf achten musste, dass er nicht zu sehr in Widerspruch mit den Lehren der damals sehr mächtigen Katholischen Kirche geriet.
Es konnte schwerwiegende Folgen haben, wenn man gewisse Ideen äußerte. Dem berühmten Naturwissenschaftler Galileo Galilei - ein Zeitgenosse Descartes' - wurde der Prozess gemacht, weil er behauptet hatte, dass die Erde sich um die Sonne drehe. Galilei widerrief seine Theorie, weil ihm sein Leben wichtiger war als die vermeintliche Wahrheit.
Ein anderer, nämlich Giordano Bruno, wurde im Jahr 1600 gar auf dem Scheiterhaufen verbrannt, weil er den Standpunkt vertrat, dass es im Universum "unendlich viele Welten" (bewohnte erdähnliche Planeten) geben könnte. Descartes versuchte zeit seines Lebens, einen Mittelweg zwischen offizieller Kirchenlehre und seiner persönlichen Philosophie zu finden. Dennoch hatte er sich durch seine Theorien viele Feinde gemacht. 1663 setzte der Vatikan Descartes' Schriften sogar auf den Index verbotener Bücher ("Index librorum prohibitorum").
Die frühen Jahre: Ausbildung bei den Jesuiten
Descartes wurde am 31. März 1596 im kleinen Städtchen La Haye in der mittelfranzösischen Region Touraine geboren - heute ist dieser Ort ihm zu Ehren umbenannt worden und heißt jetzt "La Haye-Descartes"). René war der dritte Sohn des angesehenen und wohlhabenden Juristen Joachim Descartes, seine Mutter hieß Jeanne Brochard. René und seine zwei Brüder wurden jedoch von der Großmutter großgezogen, weil die leibliche Mutter starb, als der Junge gerade einmal zwei Jahre alt war. Der Vater musste wegen seines Berufes als Anwalt und politischer Berater immer wieder für längere Zeit in die Bretagne (eine Region im Nordwesten), deswegen konnte er sich kaum ausreichend um seine Kinder kümmern.
Im Alter von acht Jahren wurde René auf eine Schule des katholischen Jesuitenordens geschickt - neben der Theologie spielt auch die Philosophie in der jesuitischen Ausbildung eine besonders wichtige Rolle. Die Schule hieß "Collège Royal Henri-le-Grand" und befand sich in La-Flèche, einer Stadt in der französischen Provinz Anjou. Descartes lernte hier Griechisch und Latein, außerdem wurde er in den Fächern Mathematik, Astronomie, Musik und Architektur unterrichtet. Besonders wichtig waren die Texte des griechischen Meisterphilosophen Aristoteles, die im Original gelesen wurden. Zusätzlich gab es jesuitische Kommentare zu den Originaltexten - es stand also fest, wie man diese zu interpretieren hatte. Schon als Kind eignete sich Descartes sein philosophisches Grundwissen an.
Nach der Schulzeit: Descartes studiert Jura
Das jesuitische Bildungswesen orientierte sich an der von den logischen Schriften des Aristoteles hergeleiteten "Scholastik"(der lateinische Ausdruck "scholasticus" bedeutet "schulisch"). Die Scholastik ist eine Methode zur Klärung wissenschaftlicher Fragen - eine Behauptung wird untersucht, indem man zuerst die dafür und dagegen sprechenden Argumente erörtert um dann ein Urteil zu fällen. Auch in der mittelalterlichen Theologie argumentierte man also mithilfe der Logik - mithilfe der Logik bewies man damals sogar die Existenz Gottes ("Gottesbeweise"). Später entwickelte auch Descartes selbst eigene Gottesbeweise. Die Scholastik war aber nicht nur auf theologische Themen begrenzt, sondern umfasste die gesamte Wissenschaft. Man könnte sogar sagen, dass alle Wissenschaft im Mittelalter der Theologie untergeordnet und gewissermaßen Teil von ihr war.
René war ein kränkliches Kind - in der Jesuitenschule räumte man ihm deshalb Sonderrechte ein. Descartes nahm teilweise nicht mit den anderen Schülern gemeinsam am Unterricht teil, sondern blieb krank im Bett. Man half ihm aber, mit dem Stoff nachzukommen - notfalls mit Einzelunterricht. Descartes beendete also erfolgreich seine schulische Ausbildung bei den Jesuiten und machte im Jahr 1616 seinen Schulabschluss ("Baccalauréat"). Sein Berufswunsch stand auch bald fest - er wollte wie sein Vater Jurist werden. Der Plan war also, an der Universität von Poitiers Jura zu studieren. An der Universität hat Descartes keine Probleme mit der Stoffmenge - er war ein guter Student und seine Lehrer hielten große Stücke auf ihn.
Descartes wird Soldat
Descartes schloss sein Studium der Rechtswissenschaften ab - es kam allerdings in seinem Leben nicht mehr dazu, dass er den erlernten Beruf auch als Anwalt oder Richter ausübte. Descartes war nach seinem Studium neugierig darauf, andere Orte kennen zu lernen und andere Menschen zu treffen. Es begann eine Lebensphase, in der Descartes auf Reisen ging.
Zunächst hielt sich Descartes eine Weile in der französischen Hauptstadt Paris auf, aber er verspürte die Lust, einmal ins Ausland zu gehen. Die Möglichkeit dazu ergab sich, indem er sich als Soldat verpflichtete. Im Jahr 1616 diente Descartes eine Zeit lang unter dem niederländischen Feldherrn Moritz von Nassau in der Stadt Breda (damals waren Frankreich und die Niederlanden Bündnispartner). Das 17. Jahrhundert war die Zeit der großen Religionskriege - der Dreißigjährige Krieg (1618 bis 1648) war unter anderem eine Auseinandersetzung zwischen den Katholiken und Protestanten.
In den Niederlanden lernte er den Arzt und Naturforscher Isaac Beeckmann kennen, der Descartes' weiteren Werdegang stark beeinflusste. Dem Einfluss Beeckmanns war es zu verdanken, dass sich Descartes verstärkt mit Physik und Mathematik auseinanderzusetzen begann. Außerdem machte sich bei Descartes langsam die Überzeugung breit, dass es das Beste wäre, das eigene Leben dem Denken zu widmen. Er reiste durch Dänemark und Deutschland, und verpflichtete sich im Jahr 1619 noch einmal als Soldat. Diesmal im zum katholischen Bündnis gehörenden Heer des bayerischen Herzogs Maximilian. Den Beginn des Dreißigjährigen Krieges erlebte Descartes also als Soldat im Feld - unter anderem war er bei der Eroberung Prags dabei.
Richtungsweisende Träume: Descartes wird Philosoph
Den Winter 1619/1620 verbrachte Descartes in Deutschland - sein Winterquartier war eine kleine Stube in Neuburg an der Donau, nicht weit entfernt von Ingolstadt. Hier hatte er des Nachts drei Schlüsselträume, die ihm die eigene Zukunft als Begründer einer neuen Wissenschaft offenbarten. Bei der Interpretation seiner Träume soll Descartes über seinen weiteren Lebensweg nachgedacht haben und letztlich zu der Entscheidung gekommen zu sein, als Philosoph eine "universale Methode zur Erforschung der Wahrheit" zu finden.
Descartes hängte den Beruf des Soldaten endgültig an den Nagel. Die nächsten Jahre widmete er erneut dem Reisen - so war er jeweils mehrere Monate lang in Deutschland, Italien, in den Niederlanden und in der Schweiz. 1623 ließ er sich in Paris nieder. Er hatte nach dem Tod seines Vaters ein großzügiges Erbe erhalten, so dass er sich um seinen Lebensunterhalt keine Sorgen mehr zu machen brauchte.
Bis 1628 arbeitete Descartes an der letztlich unvollendet gebliebenen Abhandlung "Regulae ad directionem ingenii" ("Regeln zur Ausrichtung der Erkenntniskraft"). In Paris nahm man ihn erstmals als einen viel versprechenden Theoretiker wahr. Er verkehrte in den Kreisen der "höheren Gesellschaft" und war ein beliebter Gesprächs- und Diskussionspartner für die Pariser "Intellektuellen" seiner Zeit.
Neue Heimat in den Niederlanden
Ein Jahr später zog Descartes in die Niederlanden - möglicherweise wegen des geistig freieren und toleranteren Klimas dort. Hier verbrachte er ziemlich zurückgezogen die nächsten 18 Jahre seines Lebens, wobei er den Wohnort immer wieder wechselte. Descartes lebte unter anderen in den Städten Dordrecht, Franeker, Leiden, Amsterdam, Deventer und Utrecht. 1635 wurde er Vater einer Tochter, die er gemeinsam mit der bei ihm als Dienstmagd angestellten Helene Jans gezeugt hatte. Descartes' Tochter hieß Francine und starb, als sie fünf Jahre alt war, an Scharlach. Der Tod seiner Tochter stürzte den Philosophen in die größte Krise seines Lebens.
Descartes widmete sich vor allem der "Metaphysik" und den Naturwissenschaften. (Der Begriff "Metaphysik" leitet sich von den beiden Wortelementen "metá" - griechisch für "dahinter" - und "phýsis" - griechisch für "Natur" - ab. Die Metaphysik ist ein Hauptzweig der Philosophie und wirft Fragen nach dem Sinn und Zweck der gesamten Wirklichkeit auf.)
Obwohl man ihn heute vor allem als Philosophen wahrnimmt, war Descartes ein für seine Zeit universell gebildeter Mensch der Wissenschaften. Descartes vermischt in seiner Philosophie Erkenntnistheorie, Ethik, Metaphysik und Physik gewissermaßen zu einer einzigen Wissenschaft. Im Jahr 1637 veröffentlichte Descartes eins seiner berühmtesten Bücher, den "Discours de la méthode" (deutscher Titel: "Diskurs über die Methode").
"Meditationen über die Erste Philosophie"
Anders als das thematisch ähnliche, 1641 veröffentlichte Werk "Meditationes de prima philosophia" (der komplette deutsche Titel lautet "Meditationen über die Erste Philosophie, in der die Existenz Gottes und die Unsterblichkeit der Seele bewiesen wird") richtet sich der "Diskurs über die Methode" nicht nur an das Publikum "vom Fach", sondern an jeden Leser. Deswegen schrieb er dieses Buch in der auch den eher ungebildeten Zeitgenossen geläufigen französischen Sprache. Andere Werke hingegen verfasste er ausschließlich in der lateinischen Gelehrtensprache.
Ohne es zu wollen, hatte sich Descartes durch seine Bücher zum Feindbild vieler Theologen gemacht - nicht nur in seiner alten Heimat Frankreich, sondern auch in den Niederlanden. Descartes litt unter den Anschuldigungen und lud andere Denker ein, Einwände gegen seine Argumente zu formulieren. Die "Meditationen" sind schließlich ein ziemlich dickes Buch geworden, weil Descartes es in letzter Fassung gemeinsam mit den Einwänden anderer und seinen Erwiderungen auf diese Einwände veröffentlichte.
Auch andere Hauptwerke Descartes' entstanden in seiner Zeit in den Niederlanden - 1644 erschien sein Werk "Principia philosophiae" (deutscher Titel: "Die Prinzipien der Philosophie"), 1649 folgte "Les Passions de l'âme" (auf Deutsch "Die Leidenschaften der Seele").
Tod in Schweden
Descartes war schon länger mit der schwedischen Königin Cristina von Schweden, die sich sehr für die Philosophie und für die Naturwissenschaften interessierte - Cristina und Descartes tauschten ihre Gedanken jahrelang in Briefen aus und Descartes besuchte die Königin mehrere Male in Schweden. Im Jahr 1649 bat Cristina den Philosophen, nach Schweden zu ziehen um dort ihr persönlicher Philosophielehrer zu werden. Descartes war in den Niederlanden am Ende nicht mehr richtig glücklich - wegen den von ihm vertretenen Standpunkten griff man ihn dort immer häufiger an.
Descartes nahm die Einladung an - am schwedischen Königshof in Stockholm musste er seinen Lebenswandel dann radikal umstellen. Die Königin war eine Frühaufsteherin, anders als Descartes, der gewöhnlich die Vormittage in seinem Bett verbrachte und lieber abends und in der Nacht arbeitete. In Stockholm bei Cristina wurde er genötigt, schon um fünf Uhr morgens aufzustehen und mit dem Unterricht seiner Schülerin zu beginnen. Außerdem machte Descartes das kalte und regnerische Wetter zu schaffen, so dass er bald an gesundheitlichen Problemen litt.
Anfang Februar 1650 erkrankte er, zehn Tage später - am 11. Februar 1650 - war er tot. Descartes wurde 53 Jahre alt. Offizielle Todesursache war eine Lungenentzündung. Allerdings gab es schon damals die Vermutung, dass Descartes unter Umständen vergiftet wurde. Viele Historiker der Gegenwart halten es für möglich, dass diese Theorie zutrifft - beweisen lässt sich so etwas heute natürlich nicht mehr.
Descartes lebte in Schweden im Haus des französischen Botschafters - dort lebte außerdem noch ein Augustinermönch, der als Mörder in Frage käme. Er kannte die Standpunkte Descartes' aus Streitgesprächen über die Religion und er zweifelte an Descartes' Glaube. Das Motiv für den Mord hätte sein können, die sich zum Katholizismus bekennende Königin vor dem vermeintlich religionskritischen Einfluss des Philosophen zu bewahren.
Die protestantischen Schweden fanden für den Leichnam des Katholiken Descartes eine letzte Ruhestätte auf einem Friedhof namens "Adolf Fredriks Kyrkan", auf dem normalerweise ungetaufte Kinder begraben wurden. 1676 wurde der Leichnam allerdings wieder ausgegraben ("exhumiert"), um ihn in Descartes' Geburtsland, also nach Frankreich, zu bringen. Die leiblichen Überreste des Philosophen befinden sich bis heute in der Pariser Kirche "Saint-Germain-des-Prés".
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