von Christoph Hühnergarth - 21.11.2009
Alle 32 Teilnehmer an der Fußball-Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika stehen nun fest. Das allerletzte Ticket löste Uruguay in seinem Entscheidungsspiel gegen Costa Rica. Als letzte europäische Mannschaft qualifizierte sich der amtierende Vizeweltmeister Frankreich gegen Außenseiter Irland in einem dramatischen Entscheidungsspiel. Doch auch andere hoch gehandelte Favoriten auf den WM-Titel mussten um ihre Teilnahme zittern. Deutschland hingegen machte die Qualifikation schon im Oktober durch einen 1:0-Erfolg über Russland perfekt.
Am längsten musste ausgerechnet Vizeweltmeister Frankreich in der so genannten Relegation (das bedeutet Entscheidungsrunde) um die Teilnahme an der WM "nachsitzen". Erst in der 13. Minute der Verlängerung des entscheidenden Rückspiels gegen Irland mogelte sich Frankreich in Person von Star-Stürmer Thierry Henry zu einem Unentschieden, das den Franzosen zur Qualifikation genügte. Mannschaftskapitän Henry hatte den Ball absichtlich mit der Hand unter Kontrolle gebracht und zu Mitspieler William Gallas gepasst, der aus kurzer Entfernung nur noch zum 1:1-Ausgleich einköpfen musste. Der Schiedsrichter übersah Henrys Handspiel. Da die Franzosen das Hinspiel in Irland knapp mit 1:0 gewonnen hatten, reichte ihnen ein Unentschieden.
Die Empörung über den erschwindelten Treffer war auf Seiten der Iren natürlich groß: "Sie haben uns beraubt. Der Schiedsrichter hätte Henry fragen müssen, dann hätte er das Handspiel zugegeben", beschwerte sich Irlands Trainer Giovanni Trapattoni. Torschütze Gallas dagegen rechtfertigte sich, dass solche Tore "auch zum Spiel gehören". Auch Henry selbst suchte verlegen nach Ausreden: "Es war Hand, aber ich bin nicht der Schiedsrichter", entschuldigte er sich.
Europäische Gruppenzweite mussten in die Entscheidungsrunde
Neben Frankreich qualifizierten sich auch Griechenland, Portugal und Slowenien in allerletzter Minute für die WM, obwohl die Teams jeweils nur Zweite in ihrer Qualifikationsgruppe wurden. Während alle Gruppenersten (zum Beispiel Deutschland) direkt zur WM fahren dürfen, mussten die acht besten Gruppenzweiten noch einmal in zwei Relegationsspielen ran. Der Gewinner darf jeweils an der WM teilnehmen.
Griechenland, der Europameister von 2004, hatte es mit der Ukraine zu tun. Weil das Hinspiel torlos ausgegangen war, genügte den Griechen - trainiert vom Deutschen Otto Rehhagel - ein knappes 1:0 im Rückspiel. Dimitrios Salpingidis sorgte in der 30. Minute für den entscheidenden Treffer. Erst zum zweiten Mal nach 1994 qualifizierte sich Griechenland somit für eine WM. Für Trainer Otto Rehhagel geht ein lebenslanger Traum in Erfüllung: Im reifen Alter von 71 darf er doch noch an einer WM teilnehmen.
Die portugiesische Nationalmannschaft um Weltfußballer Cristiano Ronaldo besiegte die aufstrebenden Bosnier in Hin- und Rückspiel jeweils mit 1:0. Raul Meireles sorgte mit seinem Treffer im "Hexenkessel" (so nennt man ein besonders stimmungsgeladenes Stadion) im bosnischen Zenica für die Entscheidung. Überraschend musste Portugal in seiner Qualifikationsgruppe den Dänen den Vortritt lassen. Und dann verletzte sich auch noch Star-Stürmer Cristiano Ronaldo vor den entscheidenden Partien. Zwar spielten die Bosnier, bei denen fünf Spieler (Vedad Ibisevic, Sejad Salihovic, Edin Dzeko, Zvjezdan Misimovic und Zlatan Bajramovic) aus der deutschen Bundesliga mitwirken, gut gegen die Portugiesen mit, aber Portugal war das cleverere Team.
Für die größte Überraschung in den europäischen Relegationsspielen sorgte Slowenien. Gegen das scheinbar übermächtige Russland, das Deutschland in den Gruppenspielen zweimal an den Rand einer Niederlage gebracht hatte, gewannen die Slowenen mit 1:0 durch ein Tor des Bundesliga-Profis Zlatko Dedic (VfL Bochum). Russlands Coach Guus Hiddink hingegen erlebt eine der schwärzesten Stunden seiner Trainerlaufbahn. Mit Holland und den Außenseitern Südkorea und Australien hatte es der holländische Trainer bereits zur WM geschafft, doch ausgerechnet mit den hoch gehandelten Russen blieb ihm eine vierte WM-Teilnahme verwehrt. Neben Zlatko Dedic freuen sich auch die Kölner Profis Milivoje Novakovic und Miso Brecko sowie rund zwei Millionen Slowenen über die erst zweite WM-Teilnahme überhaupt.
Ausschreitungen beim afrikanischen Duell
Noch dramatischer als in den europäischen Relegationsspielen ging es in Afrika zu. Dort ermittelte ein Entscheidungsspiel zwischen Ägypten und Algerien auf neutralem Boden den letzten afrikanischen WM-Teilnehmer, da beide Teams in der Qualifikationsgruppe exakt gleich viele Punkte erzielt und Tore geschossen hatten. Auch im direkten Vergleich gewann einmal Ägypten und einmal Algerien, jeweils auch mit der gleichen Tordifferenz. Eigentlich hätte nun ein Los darüber entscheiden müssen, wer zur WM fährt, aber beide Mannschaften einigten sich zusammen mit dem Fußball-Weltverband FIFA auf ein alles entscheidendes Spiel, das im Sudan ausgetragen wurde.
Bereits Tage vor dem Spiel herrschte in Omdurman, der sudanesischen Hauptstadt, der Ausnahmezustand - und nicht nur in Sachen Fußball, denn das Duell zwischen den beiden sportlichen Erzfeinden Ägypten und Algerien erforderte extrem hohe Sicherheitsmaßnahmen. Über 15.000 Polizisten und Soldaten waren im Einsatz, weil es bereits vor und nach den Gruppenspielen zwischen den Rivalen zu heftigen Ausschreitungen und gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern beider Teams gekommen war. So wurde zum Beispiel der Mannschaftsbus der Algerier im ägyptischen Kairo mit Steinen beworfen.
Der nicht mehr nur sportliche Konflikt zwischen den beiden nordafrikanischen Staaten beruht auf einem Ereignis, das bereits 20 Jahre zurück liegt. Am Abend des 17. November 1989 nämlich besiegte Ägypten Algerien mit 1:0 und qualifizierte sich erstmals seit 1934 wieder für eine Weltmeisterschaft. Nach dem Schlusspfiff jedoch gerieten einige Spieler so heftig aneinander, dass einige Spieler und Betreuer sich schwer verletzten - und all das nur wegen eines Fußballspiels. Seitdem schwelt ein Konflikt zwischen den beiden Ländern, der sich vor dem Entscheidungsspiel zu entladen drohte. An diesem Beispiel sieht man, welch große Bedeutung der Fußball gerade in ärmeren Ländern hat. Der Sport dient als Ventil, um sich von alltäglichen Problemen wie Armut und sozialen Missständen abzulenken. Viele Menschen identifizieren sich mit ihrer Nationalmannschaft und sehen sie als ein sehr wichtiges Aushängeschild des gesamten Landes. Spitzt sich ein sportlicher Konflikt zu einem gesellschaftlichen Konflikt zu, lassen einige fanatische Fans ihrem Unmut freien Lauf. So kommt es immer wieder zu gewalttätigen Ausschreitungen am Rande von wichtigen Fußballspielen zwischen sportlichen Rivalen.
Schiedsrichter Eddy Maillet hatte alle Hände voll zu tun, die Gemüter auch auf dem Platz zu beruhigen. Die Spieler lieferten sich zahlreiche teils überhart geführte Zweikämpfe und gerieten häufig aneinander. In der 41. Minute sorgte Anthar Yahia, der Profi in Diensten des VfL Bochum, für die Entscheidung und schoss Algerien zur WM. Nach dem Spiel trieb es wiederum zahlreiche fanatische Anhänger beider Mannschaften auf die Straßen. Es kam erneut zu Auseinandersetzungen mit der Polizei.
Entscheidungen auch in Amerika, Asien und Ozeanien gefallen
Die Nationalelf Uruguays qualifizierte sich als letzte südamerikanische Mannschaft für die WM. Als Fünfter der Südamerika-Gruppe mussten die "Urus" gegen Costa Rica, den Vierten der Amerika/Karibik-Gruppe antreten. In einem offenen und spannenden Spiel reichte Uruguay nach dem 1:0-Sieg im Hinspiel letztlich ein 1:1-Unentschieden. Costa Rica war in der Gruppenphase als Tabellendritter eigentlich schon so gut wie qualifiziert, musste aber beim letzten Spiel gegen die USA in der fünften Minute der Nachspielzeit doch noch den 2:2-Ausgleich hinnehmen - Honduras verdrängte dadurch die "Ticos" von Platz drei und darf sich nun auf seine erste WM-Teilnahme seit 1982 freuen.
Ebenfalls dabei ist Neuseeland, das sich als Gewinner der Ozeanien-Gruppe gegen Bahrain, das fünftbeste asiatische Team, messen musste. Knapp gewannen die Neuseeländer die Begegnung mit 1:0. Aus Asien kommt einer der ganz großen Außenseiter der kommenden Weltmeisterschaften, nämlich Nordkorea, das sich zum ersten Mal seit 44 Jahren wieder qualifizieren konnte. Theoretisch könnte es in Südafrika also sogar zum "Bruderduell" Nordkorea gegen Südkorea kommen.
Einziger echter Neuling bei der WM ist die Slowakei, denn die Osteuropäer haben sich seit ihrer Unabhängigkeit im Jahr 1993 noch nie für eine WM-Endrunde qualifizieren können. Neben Nordkorea und Honduras waren auch Neuseeland, Ghana, Griechenland und die Elfenbeinküste erst einmal bei einer WM dabei - dementsprechend war die Freude in diesen Ländern groß, dass es wieder klappte.
Deutschland schon seit Oktober sicher qualifiziert
Die von Bundestrainer Joachim Löw trainierte deutsche Nationalelf hat sich bereits am 10. Oktober qualifiziert. In ihrer Qualifikationsgruppe 4 blieb das Team um Kapitän Michael Ballack in allen 10 Partien ungeschlagen. Achtmal gingen die Deutschen als Sieger vom Platz, nur zweimal (jeweils gegen Finnland) gab es ein Unentschieden.
Besonders als die deutsche Nationalelf gegen den größten Konkurrenten aus Russland gefordert war, zeigte das Team eine konzentrierte und erstklassige Leistung. Mit viel Disziplin schlug Deutschland die Russen in Moskau mit 1:0 - und das, obwohl viele Experten befürchtet hatten, dass die Russen einen großen Heimvorteil haben würden, weil das Spiel auf Kunstrasen ausgetragen wurde. Im Spitzenspiel gegen Russland zeigte vor allem Torhüter René Adler eine Weltklasse-Leistung und ließ die russischen Stürmer an seinen Paraden verzweifeln.
Alle 32 WM-Teilnehmer auf einen Blick Europa (13 Startplätze):
Niederlande
England
Spanien
Deutschland
Dänemark
Serbien
Italien
Schweiz
Slowakei
Griechenland (Sieger in der Relegation gegen Ukraine)
Portugal (Sieger in der Relegation gegen Bosnien-Herzegowina)
Slowenien (Sieger in der Relegation gegen Russland)
Frankreich (Sieger in der Relegation gegen Irland)
Afrika (6 Startplätze):
Südafrika (Gastgeber)
Ghana
Elfenbeinküste
Nigeria
Kamerun
Algerien (1:0-Sieger im Entscheidungsspiel gegen Ägypten)
Südamerika (4 oder 5 Startplätze):
Brasilien
Paraguay
Chile
Argentinien
Uruguay (Sieger in der Relegation gegen Nord- und Mittelamerika-Teilnehmer Costa Rica)
Asien (4 oder 5 Startplätze):
Australien (Australien spielt zum ersten Mal nicht in der Ozeanien-Gruppe mit)
Japan
Südkorea
Nordkorea
Nord-, Mittelamerika, Karibik (3 oder 4 Startplätze):
USA
Mexiko
Honduras
Ozeanien (0 oder 1 Startplatz):
Neuseeland (Sieger in der Relegation gegen Asien-Teilnehmer Bahrain)
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