Die berühmten "68er" - im Jahr 2008 haben sie 40 Jahre Geschichte geschrieben. Was waren sie eigentlich? Kann man überhaut von "den 68ern" allgemein sprechen? Was hat es mit den damaligen Studentenbewegungen auf sich? Wie und warum verschärfte sich der Konflikt zwischen der jungen und der älteren Generation, zwischen Studenten und Staat? Was waren die Ziele der 68er?
Die "68er" allgemein bezeichnen eine Epoche des gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Umbruchs. In den sechziger Jahren protestierten viele junge Menschen gegen die Regeln und Lebensgewohnheiten, die von ihren Eltern und der Gesellschaft vorgegeben wurden. Die "Studentenbewegungen" formierten sich in den 60er Jahren in den USA und Westeuropa - und erreichten ihren Höhepunkt in den so genannten "68ern".
Dennoch hatten nicht alle, die man als "Vertreter der 68er" bezeichnen kann, dieselben politischen, gesellschaftlichen und persönlichen Ansichten oder führten ein ähnliches Leben. Längst nicht alle von ihnen lieferten sind Randale mit der Polizei, nahmen viele Drogen oder lebten in "Kommunen" - so wie "typische 68er-Rebellen" heute oft dargestellt werden. Unter dem Begriff der "68er" werden meist verschiedene Strömungen und Bewegungen zusammengefasst.
Woodstock und "Flower-Power"
Noch nie wurden politische Proteste, Einstellungen und das Lebensgefühl allgemein auch so stark von der Musik geprägt wie in den 68ern. Populär wurden Musiker und Bands wie The Doors, Rolling Stones, Jimi Hendrix, Deep Purple, Janis Joplin, Bob Dylan und Joan Baez. Die berühmten Schlagworte "Sex, Drugs & Rock 'n' Roll" wurden prägend für die Generation. Das bekannte "Woodstock Festival", das im August 1969 im US-Bundesstaat New York stattfand, gilt als musikalischer Höhepunkt der amerikanischen "Hippie-Bewegung".
Die so genannte "Hippie-Bewegung" trat vor allem für Befreiung von gesellschaftlichen Zwängen und Tabus ein. Zwar überschnitten sich viele Ziele und Ideale der "Hippie-" und der eigentlichen "68er-Bewegung", es gab aber auch viele Gegensätzlichkeiten. Allgemein ging es bei den Hippies stärker um die Selbstverwirklichung eines jeden Einzelnen. Viele Hippies, deren Schlagwort bekanntermaßen die "Flower-Power" (englisch, bedeutet etwa "Blumenmacht") war, lebten in so genannten Kommunen zusammen.
Sie lehnten Gewalt ab und traten für Frieden, Gleichheit, Gemeinschaft und auch die "freie Liebe" ein. Der gesellschaftliche Umgang mit Sexualität war zu damaligen Zeiten ein völlig anderer. Damit wollte die junge Generation radikal brechen. Das Ideal der Hippies war es, Sexualität nicht länger zu tabuisieren, sondern frei auszuleben und viele sexuelle Erfahrungen zu machen. Von der älteren Generation wurde dies immer wieder als "provokant" und "skandalös" empfunden. Der Konsum von Drogen - vor allem "bewusstseinsverändernder" halluzinogener Drogen - war in der "Flower-Power-Bewegung" weit verbreitet. Man rauchte Cannabis und nahm auch starke Rauschmittel wie LSD.
Proteste gegen das System
In vielen Ländern kritisierten junge Menschen in den 60ern die gängigen Lebensansichten und gesellschaftlichen Entwicklungen. Sie empörten sich über den Krieg, den die USA damals in Vietnam führten. In Deutschland warf die Jugend der Generation ihrer Eltern vor, sich nicht ausreichend mit den Verbrechen, die im Nationalsozialismus begangen wurden, auseinander zu setzten und die Vergangenheit herunterzuspielen. Sie lehnten sich gegen starre und veraltete Ansichten und Lehrmethoden an Schulen und Universitäten auf.
Sie übten auch Kritik am Kapitalismus. Das ist das Wirtschaftssystem, das auch heute in Deutschland und anderen Ländern herrscht. Sie bemängelten daran vor allem, dass der Besitz ungleich verteilt war und die Macht in erster Linie den reicheren Menschen gehörte, die "auf Kosten der Ärmeren" lebten. Ihrer Ansicht nach beuteten die einflussreichen Unternehmer mit Geld (dem Kapital) ihre Angestellten und Arbeiter aus.
Zudem kritisierten die jungen Menschen, dass vor allem die reichen Staaten Macht ausübten und Herrschaftsansprüche stellten - und ärmere Länder durch den Handel benachteiligt waren. Sie warfen dem Großteil der Gesellschaft vor, hauptsächlich auf materielle Dinge, also Reichtum und Geld, bedacht zu sein. Sie wehrten sich gegen den Bau der ersten Atomkraftwerke und prangerten an, dass die Menschen viel zu sehr auf ihren persönlichen Vorteil bedacht seien und sich zu wenig für ihre Umwelt und die Erhaltung der Natur einsetzten.
Mehr Rechte für Frauen
Entscheidend war auch die Forderung nach mehr Rechten für Frauen. Damals waren Mädchen und Frauen in vielen Bereichen noch stark benachteiligt, die Rollenbilder wesentlich starrer als heute. So durften Ehefrauen viele Dinge nur mit der Erlaubnis ihrer Männer tun. In Deutschland gab es noch den so genannten "Kuppelei-Paragraphen": Erlaubte man einem Mann, bei der 18-jährigen Tochter zu übernachten, drohten einem sogar ernste Strafmaßnahmen.
Und noch oft genug wurde bei sexueller Gewalt gegen Frauen eine Mitschuld bei den Opfern gesucht. Dass eine Frau mit dem Bund der Ehe ihrem Mann gegenüber auch automatisch sexuelle Verpflichtungen einging, war eine gängige Ansicht. Dass eine Vergewaltigung in der Ehe überhaupt als solche anerkannt und strafrechtlich verfolgt wird, wurde nach langen politischen Debatten sogar erst in den 90er Jahren per Gesetz bestimmt. Die Frauenbewegung der 68er setzte sich auch für das Recht der Frau auf Abtreibung ein. "Mein Bauch gehört mir" - so lautete damals das Motto der Protestlerinnen.
Einen großen Umbruch stellte die so genannte "Anti-Baby-Pille" dar, die erstmalig 1960 als neues Verhütungsmittel auf den Markt kam. Die Pille gehört zu den sichersten Verhütungsmitteln überhaupt. Sie greift allerdings in das Hormonsystem des Körpers ein und hat auch unerwünschte Nebenwirkungen. Für viele Frauen bedeutete die Einführung der Anti-Baby-Pille, von nun an selbst über ihren Körper, ihre Kinderplanung und damit ihr Leben entscheiden zu können. Sie fühlten sich viel selbstständiger und unabhängiger. Das machte sich auch in der Bevölkerungsentwicklung bemerkbar: Der so genannte "Pillenknick" auf Schaubildern und Alterspyramiden zeigt, dass es in den 60er Jahren durch die Anti-Baby-Pille zu einer deutlichen Senkung der Geburtenraten kam.
Studentenbewegung der 68er-Generation
Vor allem Studenten suchten nach neuen Lebensformen und zogen die Schriften von Denkern wie Karl Marx und Friedrich Engels heran, mit deren Theorien und Werten sie eine neue, gerechtere Gesellschaft errichten wollten. Sie solidarisierten sich mit den Arbeitern, die sich gegen die "mächtigen Unterdrücker" auflehnen sollten. Sie vertraten eine politische Auffassung, die auch heute noch als "links" bezeichnet wird - und wurden als die "linken Rebellen" der 68er-Bewegung bekannt. Den Staat - also etwa Politiker, Richter und Polizei - der der Gesellschaft ihrer Ansicht nach ein vorgegebenes System aufzwang, empfanden sie als unterdrückend und autoritär.
Auch die späteren Gründer der RAF strebten in Deutschland nach diesen Zielen, aber mit einem entscheidenden Unterschied: Sie hielten sich nicht an die grundsätzlichen Regeln des demokratischen Staates und schreckten auch vor brutaler Gewalt nicht zurück. Sie versuchten sogar, ihre Ziele mit Mord, Erpressung und Gewaltanschlägen durchzusetzen. Die "Rote Armee Fraktion" wird deshalb - im Gegensatz zu friedlichen linken Gruppierungen - als "linksextremistische Terrororganisation" bezeichnet.
Wut und Entrüstung: Tod eines friedlichen Demonstranten
In vielen Städten Europas demonstrierten junge Menschen. Sie zogen auf die Straße, um ihre Meinung zu verkünden, auf die Missstände und die "ungleichen Verhältnisse" aufmerksam zu machen. Die Proteste der Studenten wurden von vielen Politikern leichtfertig abgetan - und der Staat ging zum Teil mit harten Polizeieinsätzen gegen die demonstrierenden Studenten vor. Protestaktionen wurden gewaltsam beendet, einige junge Demonstranten wurden von der Polizei auch tätlich angegriffen und verhaftet. Die Mehrheit der Demonstranten protestierte allerdings friedlich und war nicht gewaltbereit.
Zeitungen wie das im Axel-Springer-Verlag erscheinende Boulevard-Blatt "Bild" hetzten massiv gegen die Vertreter der 68er-Bewegung und bezeichneten sie öffentlich als "ungepflegte Politgammler" und "Krawallköpfe", gegen die man "gewaltsam" vorgehen müsse. Man verurteilte die Anhänger der Studentenvereinigungen generell, radikal und gewaltbereit zu sein und forderte die Bevölkerung dazu auf, die "Störenfriede" zu bekämpfen.
Der vorerst traurige Höhepunkt des Konfliktes zwischen Staat und rebellierender Jugend in Deutschland war der Tod des Studenten Benno Ohnesorg. Der 26-Jährige bekannte sich zur friedlichen Auseinandersetzung und nahm am 2. Juni 1967 in Berlin zum ersten Mal an einer Demonstration teil. Am Rande der Versammlung geriet er in ein Handgemenge mit der Polizei. Aus der Dienstwaffe eines Polizisten, Karl-Heinz Kurras, fiel ein Schuss, der für Benno Ohnesorg tödlich war. Vor Gericht beteuerte der Polizist später, der Schuss habe sich versehentlich gelöst und wurde frei gesprochen. Vor kurzem wurde der Fall in den Medien allerdings wieder aufgerollt: Es wurde bekannt, dass der heute 81-Jährige ein geheimes Mitglied der SED, der Einheitspartei der DDR, gewesen sein und für die Stasi gearbeitet haben soll.
Dies wird deshalb als bedeutend angesehen, da der Tod Benno Ohnesorgs und der Freispruch Kurras' als Wendepunkt in der Studentenbewegung gelten. "Der Staat hat auf uns alle geschossen" war ein prägender Satz, der von nun an durch die Studentenvereinigungen ging. Die Bild-Zeitung spielte den Tod Ohnesorgs damals herunter und beschuldigte hingegen die "gewaltbereiten" und "militanten" Studenten, für die Ausschreitungen verantwortlich zu sein.
Anschlag auf Studentenführer Rudi Dutschke
Nach dem Tod Benno Ohnesorgs hatten der bekannte deutsche Studentenführer Rudi Dutschke, der sich von Beginn an von gewaltbereiten Terror-Gruppierungen distanzierte, und andere Mitglieder der Studentenbewegung zu Protesten aufgerufen. Sie wollten eine Aufklärung der Todesumstände Ohnesorgs durchsetzen. Weiterhin riefen sie zur Enteignung des Axel-Springer-Verlages auf, den sie aufgrund seiner Berichterstattung mitverantwortlich für den Tod Benno Ohnesorgs machten.
Am 11. April 1968 wurde Dutschke von dem Hilfsarbeiter Josef Bachmann durch mehrfache Schüsse lebensgefährlich verletzt. Mit schweren Hirnblutungen entrann er dabei knapp dem Tod. Er konnte nur mühsam wieder das Sprechen erlernen und litt nach dem Anschlag für den Rest seines Lebens unter epileptischen Anfällen. 1979 starb Dutschke an den Spätfolgen, als er bei einem erneuten Anfall in der Badewanne ertrank. Das Motiv des Attentäters konnte nie vollkommen aufgeklärt werden. Man vermutete jedoch einen rechtsextremen Hintergrund, da Bachmann Artikel einer nationalistischen Zeitung bei sich getragen hatte.
Erneut beschuldigten die Studenten nach dem Anschlag auf Dutschke den Axel-Springer-Verlag, die Verantwortung für das Attentat zu tragen, da die Bild-Zeitung seit Monaten massiv Stimmung gegen Rudi Dutschke gemacht hatte. Wörtlich sprach sie sich damals dafür aus, mit "Polizeihieben" gegen die "Krawallköpfe" vorzugehen und schrieb weiterhin: "Man darf auch nicht die ganze Drecksarbeit der Polizei und ihren Wasserwerfern überlassen." Die Bild-Zeitung hatte die Bevölkerung zur "Mithilfe" aufgefordert, die "Störer" zu finden und zu ergreifen.
Eine Studentenversammlung, unter ihnen die spätere Mitbegründerin der RAF, Ulrike Meinhof, marschierte nach dem Attentat auf Dutschke von der Universität aus zum Verlagshaus Springer und setzte mehrere Fahrzeuge in Brand, um die Auslieferung der Zeitung zu verhindern.
Abspaltung gewaltbereiter Terror-Gruppierungen
Für die deutsche Studentenbewegung saß der Schock nach dem Tod Benno Ohnesorgs tief. Es kam zur Bildung von Splittergruppen mit unterschiedlichen Richtungen und Zielen, die sich auch gegenseitig bekämpften. In der "linken Szene" spalteten sich von den mehrheitlich friedlichen Protestlern extreme Gruppierungen ab, die ihren überzeugten Kampf mit allen verfügbaren Mitteln führen wollten. Die radikale, gewaltbereite Einstellung der RAF-Mitglieder fand hier ihren Nährboden.
Die Mitglieder der "Roten Armee Fraktion" verübten von der Zeit der Gründung 1970 bis ins Jahr 1993 zahlreiche Anschläge und Entführungen in Deutschland sowie auch im Ausland. Vor allem in den 70er Jahren richteten sich die Terrorattacken der RAF immer wieder gegen bekannte Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Politik. 34 Menschen fielen den Gewalttaten der RAF zum Opfer, auf Seiten der "Roten Armee Fraktion" starben 20 Mitglieder.
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