von Christian Kohlstruk
Superlative (lateinisch "superlatio": "Übertreibung") interessierten die Menschen immer schon. Zu all unseren Fragen über die beeindruckensten oder verrücktesten Weltrekorde finden wir im "Guinness-Buch" die Antwort. Im vergangenen Jahr wurde von seinen Machern erstmalig der "World Records Day" ins Leben gerufen. Am 9. November 2006 veranstaltete Guinness auch dieses Jahr den Weltrekord-Tag. Wieder versuchten sich Teilnehmer aus aller Welt in der Aufstellung sensationeller neuer Rekorde.
Wer ist der schwerste Mensch, welches ist das schnellste Tier, wie tief ist die tiefste Stelle im Meer, wie viele Torten kann man in 15 Minuten essen? Wer ist der größte Mann, wer ist die kleinste Frau, welches Paar hat die meisten Kinder? Welcher Fußballer hat die meisten Tore geschossen, welcher Torwart hat die meisten Tore verhindert? Welches Säugetier kann am schnellsten laufen, welcher Vogel am höchsten fliegen, welcher Fisch am tiefsten tauchen?
Das "Buch der Besten", das berühmte "Guinness-Buch der Rekorde", ist ein Nachschlagewerk für alle, die an derartigen Fragen interessiert sind. Heutzutage ist das Guinness-Buch DAS "Lexikon" für Rekorde und Höchstleistungen aller Art und hält sogar selber den Titel als das nach der Bibel "am häufigsten verkaufte Buch aller Zeiten". Es ist damit das meistverkaufte urheberrechtlich geschützte Buch der Welt. Doch das Guinness-Buch hält noch einen weiteren, leider zweifelhaften Rekord: Kein anderes Buch wurde häufiger aus öffentlichen Büchereien entwendet.
Der Erfinder des "Buches der Besten"
Die Geschichte des weltbekannten Buches beginnt im Jahre 1951 in Irland. Sir Hugh Beaver saß nach einer erfolglosen Vogeljagd mit seinen Jagdkollegen zusammen. Beaver behauptete, der Regenpfeifer sei nun einmal der schnellste Jagdvogel überhaupt, denn er wollte sein Ansehen nicht verlieren. Seine Kollegen dagegen waren der Ansicht, dass der Rauhfuss eindeutig schneller sei.
Natürlich konnten sich die Jagdkollegen nicht einigen, so dass Beaver die Idee kam, eine Sammlung von Rekordleistungen zusammenzustellen. Als Geschäftsführer der Guinness-Brauerei wusste er um die Trink- und Wettleidenschaft seiner Landsleute, und so war er vom Erfolg eines derartigen Nachschlagewerkes überzeugt. Trotzdem sollte es noch einige Jahre dauern, bis er seinen Plan in die Tat umsetzte. 1954 setzte er sich mit zwei englischen Verlegern, den Zwillingen Ross und Norris McWhirter, zusammen, um endlich das erste Exemplar zu veröffentlichen. Ein Jahr später war es soweit: Das erste "Guinness Buch der Rekorde" aller Zeiten erschien.
Rekorde aller Art
Die ins Guinness-Buch eingetragenen Rekorde gehen heute weit über das hinaus, was Hugh Beaver dereinst wahrscheinlich im Sinn hatte. Jede nur messbare "Bestleistung" kann als Rekorddisziplin aufgeführt werden, sei sie noch so verrückt oder auch fraglich.
Da geht es um die Anzahl gleichzeitig in den Mund gestopfter Strohhalme, die längste auf einem Bein verbrachte Zeit, die meisten im Gesicht klebenden Esslöffel oder das Überqueren glühender Herdplatten. Eine Frau lässt sich seit 1979 die Fingernägel wachsen. Inzwischen haben diese eine Gesamtlänge von über sieben Metern, und jeder einzelne Nagel ist um die 70 Zentimer lang.
Eine andere Frau kann ihre Augäpfel elf Milimeter weit nach außen drücken, so dass sie fast aussieht wie eine Comicfigur, und ein Ungar schor 50 Schafe in acht Stunden. Einen herausragend kuriosen Rekord kann Michele Santelia aus Italien für sich verbuchen: Er tippte sage und schreibe 56 Bücher rückwärts und in ihrer Originalsprache, darunter das "Guinness-Buch der Rekorde" 2002, Homer’s Odyssee, Shakespeare’s MacBeth und, als Höhepunkt, das ägyptische Buch des Todes, das 78 Kilogramm wiegt und in Hieroglyphen geschrieben ist. Santelia verbrauchte vier Tastaturen und warf in der ganzen Zeit nicht einen Blick auf den Bildschirm. Insgesamt tippte der Italiener 3.004.767 Wörter in ihrer Originalsprache ab.
Quo vadis ("wohin gehst du"), Weltrekord?
Bei vielen Rekorden fragst bestimmt auch du dich: Warum machen Menschen so etwas Unsinniges? Was treibt einen Menschen, Jahre seines Lebens mit dem Abtippen von bereits geschriebenen Büchern zu verbringen? Und wieso dazu auch noch rückwärts? Wie kommt man auf die Idee, sich 258 Strohhalme in den Mund zu stecken? Ist es das Bedürfnis, sich weltweit und offiziell als Eigenbrötler mit verschrobenen Hobbies zu offenbaren? Oder ist es die Hoffnung, in die Geschichte einzugehen, und sei der Grund auch noch so banal oder verrückt?
Viele von uns möchten im Gedächtnis der Menschheit bleiben, und einigen Leuten ist es anscheinend sogar egal, auf welche Weise man sich an sie erinnert. Immerhin schließen die Richter des Guinness-Buchs solche Rekorde aus, die die Gesundheit zu sehr gefährden, beispielsweise einige Formen der Ausdauerrekorde oder auch Bereiche der Essensrekorde. Auch Langzeitrekorde in Computerspielen werden nicht anerkannt, wohl aber Highscores und Bestzeiten. Natürlich gibt es auch eine Menge Rekorde, die uns Respekt abverlangen, wie zum Beispiel sportliche und geistige Höchstleistungen.
Weltrekord als Werbung
Die Guinness-Weltrekorde werden auch immer wieder gerne für Werbezwecke verwendet. So benutzen viele Prominente das Buch, um den Blick der Öffentlichkeit auf sich zu ziehen. Zwei deutsche Schauspieler haben jetzt dem Weltstar Will Smith den Weltrekord für die meisten Auftritte bei Premieren abgenommen.
Mit sechs Neuvorstellungen ihres Films "Ein Freund von mir" in zwölf Stunden verdoppelten sie Smith’s Ex-Rekord und sicherten sich so den Platz im Guinness-Buch. Es heißt, dass es immer irgendwo jemanden gibt, der etwas noch besser kann. Ob die Herausgeber des Guinness-Buches das auch so sehen?
World Records Day 2006
Im vergangenen Jahr wurde von den Guinness-Buch-Machern erstmalig der "World Records Day" (Weltrekord-Tag) ins Leben gerufen. Am 9. November 2005 wurden weltweit Rekordversuche durchgeführt, darunter der in Südafrika aufgestellte Rekord für die meisten kahlrasierten Köpfe und der höchste jemals gewagte Tandemsprung in Australien. Auch in diesem Jahr zelebrierte Guinness am 9. November den "World Records Day" und hat sich dafür einiges einfallen lassen: Für alle angemeldeten Teilnehmer, die ihren Rekordversuch zwischen dem 6. und dem 12. November durchführen wollten, hat Guinness exklusive und seltene Preise reserviert, die unter den Rekordanwärtern verlost wurden. Außerdem wurde jeder Name auf der Webseite der Guinness-Weltrekorde verewigt.
Die Wiener ließen es sich nicht nehmen, dieses Jahr ihren eigenen Weltrekord-Tag zu feiern. Am 17. September veranstalteten die Stadt Wien und die Entertainement-Firma "Zoom" im Wiener Prater ein großes Fest, das ganz im Zeichen des Weltrekord-Tages stand. Unter anderem ließ der Salzburger Franz Müllner, der nahezu so breit wie groß ist, einen Hubschrauber auf seinen massigen Schultern landen. Dabei lasteten 34 Sekunden lang unglaubliche 545 Kilogramm auf seinem Rücken, der dem Hubschrauber als Landeplatz diente. Der Schweizer Marco Hort brach den amtierenden Weltrekord im "Stohhalme in den Mund stecken", indem er 264 der Röhrchen zehn Sekunden lang im Mund behielt, und der aus Linz stammende David Weichenberger übersprang mit seinem Einrad die Entfernung von 2,95 Metern. Der Rekord im Massenknutschen, zu dem etwa 1.900 Pärchen angereist kamen, konnte jedoch nicht übertroffen werden.
Der besondere Reiz des "World Records Day" liegt darin, dass alle an den Wettbewerben teilnehmen können. Jeder kann hier versuchen, einen der vielen Weltrekorde zu überbieten oder gar eine neue Disziplin ins Leben rufen. Auf der offiziellen Guinness-Weltrekord-Seite finden sich die Daten vieler ungefährlicher und für den Selbstversuch geeigneter Weltrekorde, wie zum Beispiel das größte Mosaik aus Smarties zu kreieren oder die längste Kürbiskopf-Kette der Welt zu schaffen.
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