11.11.2005
Japans Walfangflotte hat sich wieder auf den Weg ins Walschutzgebiet am Südpol gemacht. Ausgerechnet dort sollen in den kommenden Monaten fast 1.000 Wale getötet werden - angeblich, um ihre Lebensweise zu erforschen. Doch das meiste Fleisch landet in japanischen Restaurants. Das Helle Köpfchen hat Wal-Expertin Stefanie Werner von der Umweltschutz-Organisation Greenpeace gefragt, wie das möglich ist.
Helles Köpfchen: Warum nimmt die japanische Walfangflotte ausgerechnet Kurs auf den Südpol?
Stefanie Werner: Die Sonne geht am Südpol in den kommenden Monaten nicht unter. Im klaren, kalten Meerwasser gedeiht das Plankton dadurch besonders gut, und Millionen von Krill-Krebsen, Fischen und anderen Meeresbewohnern tummeln sich dort. Weil viele Großwale diese Krebse sehr gerne fressen, finden sie in der Antarktis sehr gute Lebensbedingungen vor. So können sie sich eine dicke Fettschicht anfressen, bevor sie wieder auf Wanderung gehen, um später in wärmeren Gewässern ihre Jungen zu bekommen.
HK: Es treffen sich also viele verschiedenen Walarten am Südpol?
Werner: Genauso ist es. Zwergwale, Pottwale, Finnwale und Buckelwale machen dort auf ihren Wanderungen durch die Weltmeere jedes Jahr wieder Halt. In der Antarktis können sie stressfrei ausruhen - fern ab von Menschen, ihren Schiffen, Fischereinetzen und Ölbohrinseln. Seit 1994 ist dort ein internationales Naturschutzgebiet ausgewiesen.
HK: Wie kann es dann sein, dass japanische Walfänger ausgerechnet in diesem Gebiet auf die Jagd gehen?
Werner: Japan nutzt ein Schlupfloch in den Regeln der Internationalen Walfangkommission (IWC). Es wurde nämlich festgelegt, dass Wale zu reinen Forschungszwecken gejagt werden dürfen. Dabei war an einzelne Tiere gedacht worden. Niemand hatte geahnt, dass ein Land wie Japan darin die Erlaubnis sieht, weit über 1.000 Wale pro Jahr am Südpol und 380 im Nordwestpazifik zu töten. In den kommenden Monaten wird die japanische Fangflotte "Kyodo Senpaku" in den Gewässern um den Südpol 935 Minkewale und erstmals auch wieder die extrem bedrohten Buckel- und Finnwale harpunieren. Alle Ermahnungen der Internationalen Walfangkommission gegen Japans Walfänger waren bisher vergeblich.
HK: Für welche Forschungen will Japan so viele Wale töten?
Werner: Japanische Wissenschaftler nehmen Gewebeproben und veröffentlichen jedes Jahr ein paar wenige Forschungsergebnisse. Doch ihre Erkenntnisse sind sehr gering und werden von anderen Wissenschaftlern in der Welt kaum genutzt. Wer Wale wirklich erforschen will, muss sie nicht umbringen. Das haben mittlerweile sogar führende Meeresbiologen aus Japan bestätigt.
HK: Aus welchem Grund werden Wale dann überhaupt gejagt?
Werner: Jedes Jahr landet der größte Teil des Walfleischs in japanischen Kochtöpfen. Für ein Kilogramm Walfleisch werden Spitzenpreise von bis zu 300 Euro gezahlt. Ein Zwergwal wiegt mit Knochen und der dicken Fettschicht 15.000 Kilogramm. Schlimm ist, dass Wale eigentlich schon seit 1986 nicht mehr getötet werden dürfen, um ihr Fleisch zu verkaufen. Das Argument "Forschung" ist nur ein Trick, um dieses Verbot zu umgehen. Auch die IWC bestätigt unsere Kritik und hat Japan wegen seiner Walfangpolitik schon mehrfach öffentlich ermahnt.
HK: Warum ist Walfleisch in Japan so beliebt?
Werner: Vor allem von den jungen Japanern wird Walfleisch immer seltener nachgefragt. Doch die japanische Regierung versucht, das zu ändern. Erst im vergangenen Jahr gab sie der Fast-Food-Kette "Lucky Pierrot" Steuergelder als Starthilfe. Diese Schnellimbiss-Kette bietet "Wal-Burger" an. Außerdem fahren im Auftrag der Regierung Kleinbusse mit Lautsprechern durchs Land, die verkündeten, dass es viel zu viele Wale gäbe. Angeblich würden die Meeresriesen die Ozeane leer fressen.
HK: Stimmt das?
Werner: Nein, überhaupt nicht. Dass es so wenige Fische in den Weltmeeren gibt, liegt an den gigantischen Fischfangflotten, die mit ihren zerstörerischen Fangmethoden die Ozeane leer fischen. Wale haben damit nichts zu tun - es gibt ja kaum noch welche. Im vergangenen Jahrhundert wurden von internationalen Walfangflotten mit Dampfschiffen über zwei Millionen Großwale getötet. So sind von den etwa 250.000 Blauwalen, die einst in den südlichen Meeren lebten, heute wahrscheinlich nicht mehr als etwa 1000 übrig. Nicht umsonst stehen die meisten Großwale auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Tierarten.
HK: Ist Japan das einzige Land, das sich nicht an das internationale Walfangverbot hält?
Werner: Leider nein. Während Japan am Südpol und im Nordwestpazifik immer mehr Wale fängt, jagen Norwegen und Island die Meeressäuger in ihren eigenen Gewässern. Auch Südkorea macht offensichtlich gezielt Jagd auf Wale. Allerdings behauptet das Land, dass alle getöteten Tiere unbeabsichtigt in die Fischernetzen geraten und gestorben seien.
HK: Was können Kinder und Jugendliche tun, die dagegen sind, dass immer noch Wale getötet werden?
Werner: Bei Greenpeace gibt es die Aktion "Kids for Oceans". Wenn die Leser des Hellen Köpfchens mehr wissen möchten, können sie gerne über unsere Webseite "Greenpeace 4 Kids" (unten verlinkt) kostenlos Info-Materialien bestellen. Außerdem können alle, die zwischen zehn und fünfzehn Jahren alt sind, ein eigenes Greenteam gründen und eigene Aktionen planen.
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