Das Leid der Zirkustiere: Interview mit der Buchautorin Ingrid Kaletka

Wie ergeht es Elefanten und anderen Wildtieren im Zirkus?

von Britta Pawlak - 10.12.2011

Der Zirkus übt auf viele Menschen - vor allem Kinder - eine große Faszination aus. Besonders die Darbietungen mit wilden Tieren wie Tigern, Bären und Elefanten gelten als Höhepunkte des Programms. Doch die meisten Zirkustiere sind unglücklich, erleiden ständig Stress und Schmerzen und werden alles andere als artgerecht gehalten. Sie leben in engen Käfigen, müssen ständig "trainieren" und haben ab einem bestimmten Alter "ausgedient", weil sie dem Zirkus dann nicht mehr von Nutzen sind. Wir haben mit Ingrid Kaletka gesprochen, die sich seit längerem für den Wildtierschutz einsetzt und ein Kinderbuch über die Rettung der Zirkustiere geschrieben hat.

Die Schriftstellerin Ingrid Kaletka setzt sich für den Wildtierschutz ein und hat ein Kinderbuch zum Thema Elefanten im Zirkus geschrieben. (Quelle: Ingrid Kaletka)

Frau Kaletka, Ihre Geschichte "Natumi Okawango" erzählt von zwei Elefanten aus Namibia, die sich auf den Weg nach Europa machen, um ein Elefantenkälbchen zu retten, das von Wilderen gefangen und an einen Zirkus verkauft wurde. Woher kommt Ihre Leidenschaft für Elefanten und waren Sie schon einmal in Namibia?

I. Kaletka: Im Kölner Zoo wurde vor vielen Jahren das Elefantenmädchen Marlar geboren. Sie faszinierte mich, ich beobachtete sie in regelmäßigen Besuchen über ganze Tage hinweg und war dann erschüttert von ihrem Schicksal, als ihre Mutter verstarb. Ich las auch sehr viel über das Verhalten von Elefanten, ihrem sehr sozialen Wesen und war erleichtert, dass Marlar von ihren Tanten "adoptiert" und aufgezogen wurde, wie es auch in der freien Wildbahn geschieht. In Namibia war ich leider noch nicht. Aber das ist in Planung. Ich durfte allerdings den Botschafter von Namibia in Berlin persönlich kennen lernen. Er war sehr begeistert von meinem Engagement, davon, dass ich auch das Thema Wilderei in meinem Buch anspreche, was in der Tat ein Riesenproblem dort ist. Und er freute sich, dass über mein Buch vielleicht das Interesse geweckt wird, Namibia als Reiseland zu entdecken.

Warum gilt Ihr Interesse insbesondere der Behandlung von Zirkustieren und wie sind Sie darauf gekommen, ein Kinderbuch zu diesem Thema zu schreiben?

I. Kaletka: Als ein großer europäischer Zirkus in Neuwied gastierte, besuchte ich diesen und schaute mir auch die Tiere in ihren Gehegen beziehungsweise Käfigen an. Von vielen Tieren, jedoch besonders von einer Elefantenkuh und ihrem offenkundig miserablen Zustand, war ich so erschüttert, dass ich recherchierte. Dieser Besuch im Zirkus gab den entscheidenden Anstoß. Ich liebe Tiere und besonders Elefanten. Ich stellte dann auch schnell fest, dass es noch kein Kinderbuch zu diesem Thema gab.

Zirkuselefanten werden alles andere als artgerecht gehalten, müssen ständig trainieren und erleiden bei den Kunststücken Stress und Schmerzen. (Quelle: Usien/ Wikimedia Commons)

Ihr Buch enthält viele Informationen über Zirkustiere, vor allem Elefanten. Woher haben Sie all Ihr Wissen über die Dickhäuter und andere Wildtiere im Zirkus? Wie haben Sie im Vorfeld recherchiert?

I. Kaletka: Die Idee zu diesem Buch kam gewisserweise durch meine Recherchen über Zirkuselefanten zustande. Ich besuche ja seit vielen Jahren die Elefanten im Zoo Köln, denen es dort noch verhältnismäßig gut geht, und habe dort vieles über Elefanten erfahren und viel Erfahrung gesammelt. Vor vier Jahren dann habe ich mir in verschiedenen Zirkussen die Elefanten angesehen und war über die Zustände dort erschrocken. Man konnte den Tieren ansehen, dass die leiden. In mehreren deutschen Zirkussen habe ich die schlechte Elefantenhaltung minutiös beobachtet. Außerdem habe ich gute Kontakte zu einem Diplom-Biologen der "European Elephant Group", der mir mit Rat und Tat zur Seite steht.

Was macht ein Leben im Zirkus für Wildtiere so grausam? Welche Tiere leiden besonders darunter und wo sehen Sie aus Sicht des Tierschutzes die größten Probleme?

I. Kaletka: Die Tiere werden nicht artgerecht gehalten, es fehlt schon an den grundlegendsten Sachen, die eigentlich selbstverständlich sein sollten: Platzbedarf, Gehegeeinrichtung, Sozialstruktur. Hinzu kommt der Dressurzwang und ständige Reisestress. Besonders Elefanten, aber auch andere Großsäugetiere wildlebender Arten, leiden körperlich und geistig unter diesen Bedingungen. Leider sind die Behörden nur im begrenzten Maße dazu in der Lage, daran etwas zu ändern, und häufig wird einfach weggeschaut.

Ähnlich schlimm ergeht es vielen anderen Wildtieren wie Löwen, die eigentlich in den afrikanischen Steppen beheimatet sind und im Zirkus nicht ansatzweise ihre natürlichen Verhaltensweisen ausleben können. (Quelle: Usien/ Wikimedia Commons)

Zwar wird das Thema Wildtiere im Zirkus immer häufiger diskutiert, nicht wenige sehen diese Grausamkeiten an Tieren aber weiterhin als "Unterhaltung" an und sind sich nicht darüber bewusst, welche Qualen die Wildtiere erleiden müssen. Machen auch Sie Erfahrungen mit Menschen, die Ihre kritische Haltung zum Thema Zirkustiere nicht nachvollziehen können und wie reagieren Sie auf solches Unverständnis?

I. Kaletka: Ich erlebe es immer wieder, dass Menschen das Thema Wildtiere im Zirkus völlig unkritisch sehen oder fälschlicherweise glauben, dass alles in Ordnung wäre, weil es in Deutschland ja ein Tierschutzgesetz gibt. Deshalb war mir dieses Buch so wichtig. Die Kinder haben noch keine Vorurteile und sollen mit diesem Buch für das Thema sensibilisiert werden.

Kann es Ihrer Ansicht nach überhaupt "glückliche Zirkustiere" geben? Wie stehen Sie zu Verhaltensbiologen wie Immanuel Birmelin, der die meisten Wildtiere im Zirkus nicht für unglücklich hält?

I. Kaletka: Ich glaube nicht, dass auch nur ein einziges Wildtier im Zirkus glücklich ist. Eine artgerechte Haltung dieser Tiere im reisenden Wanderzirkus ist meiner Meinung nach nicht möglich. Für einige Haustierrassen, wie Pferde oder Ziegen, könnten schon eher angemessene Haltungsbedingungen geschaffen werden, aber selbst bei den größten Zirkussen ist dies nur selten der Fall.

Gewisse "Verhaltensbiologen", die ihr Leben lang nur an neurotischen Zirkustieren geforscht haben, betreiben keine objektive Wissenschaft. Die Erkenntnisse aus dem Freiland sind der einzig gültige Maßstab, wie eine Tierhaltung zu beurteilen ist.

Was können wir tun, um noch stärker auf das Thema Wildtierschutz aufmerksam zu machen und mehr Menschen zum Nachdenken anzuregen?

Nur in den Weiten der Steppen und Nationalparks können Elefanten wirklich ihre natürlichen Gewohnheiten und Bedürfnisse ausleben. Bild: Elefantenkühe in Kenia (Quelle: Ekabhishek/ Wikimedia Commons)

I. Kaletka: Es gibt im Internet genügend Videos und Beweise, mit denen man sich von der Misshandlung von Zirkustieren überzeugen kann. Das einfachste wäre wohl, wenn jeder Zirkusse mit Wildtieren meiden würde und auch seinen Freunden und Bekannten von der Tierquälerei berichtet und sie auffordert, keine Wildtierzirkusse mehr zu besuchen. Ein Zoo ist ein viel besserer Ort, um wilde Tiere in naturähnlicher Umgebung und ohne blödsinnige Kunststückchen zu beobachten.

Tierschutzorganisationen setzen sich schon seit langem für ein Wildtierverbot in Zirkussen ein. In der Politik wird seit einigen Jahren über ein solches Verbot diskutiert, das in manchen anderen europäischen Ländern schon umgesetzt wurde. Glauben Sie, dass die Forderungen von Ihnen und anderen Tierschützern Erfolg haben werden und halten Sie ein Wildtierverbot im Zirkus auch in Deutschland für realistisch?

I. Kaletka: Ein Verbot von Wildtieren in Deutschland ist längst überfällig. Die Politik sollte dieser Aufforderung schnellstens nachkommen und ein entsprechendes Gesetz auf den Weg bringen. Für die im Zirkus lebenden Tiere könnten gemeinschaftlich Abgabeplätze gesucht oder Übergangsfristen vereinbart werden. In anderen europäischen Ländern hat dies bereits bestens funktioniert. Und die Zirkusse können ja mit weniger anspruchsvollen Haustierrassen weiter arbeiten, wenn diese angemessen gehalten werden.

Für faszinierende Darbietungen in der Manege müssen keine Wildtiere gequält werden. Auch ein Besuch in einem Zirkus ganz ohne Tiere lohnt sich - wie der moderne Cirque du Soleil ("Zirkus der Sonne"), der zweitgrößten Zirkus weltweit, dessen Programm aus Artistik, Theaterkunst und Livemusik besteht. (Quelle: Ekabhishek/ Wikimedia Commons)

Finden viele Kinder es nicht schade, wenn Sie im Zirkus keine Wildtiere mehr zu sehen bekommen? Was sagen Sie ihnen - hat der Zirkus dann noch seinen Reiz?

I. Kaletka: Man braucht nicht in den Zirkus gehen, um Wildtiere zu sehen. Es gibt so viele tolle Tierfilme und Bücher. Und fast jeder hat einen Zoo bei sich in der Nähe. Der Zirkus hat andere Stärken. Im Grunde beschreitet auch der Zirkus in meinem Buch am Ende einen Weg ohne Wildtiere, so, wie der Cirque de Soleil, der zweitgrößte Zirkus der Welt.

Engagieren Sie sich auch für den Tierschutz in anderen Bereichen und wo sehen Sie weitere Missstände? Haben Sie auch Bedenken bei der Haltung von Wildtieren wie Elefanten in Zoos? Und was denken Sie über Tiere wie Schimpansen, die gezwungen werden, für Filme und Fernsehserien vor der Kamera zu stehen?

I. Kaletka: Der Schwerpunkt meiner Tierschutzarbeit gilt den Tieren in Zirkussen. Es ist richtig, dass es auch in vielen Zoos und Tierparks noch Missstände bei der Haltung von Elefanten gibt. Aber grundsätzlich würde ich nicht ausschließen, dass Elefanten in Zoos ein ganz zufriedenes Leben führen können. Ich denke da zum Beispiel an die kleine "Marlar" aus dem Zoo Köln, die vor sechs Jahren dort zur Welt kam. Inzwischen ist sie schon eine richtige Nanny für ihre Schwestern und Brüder geworden und macht einen ganz zufriedenen Eindruck.

Bei den meisten dressierten Tieren für Film und Fernsehserien handelt es sich hingegen leider auch wieder um Zirkustiere, die mit sehr fragwürdigen Methoden dressiert und unter oft unerträglichen Bedingungen gehalten werden.

Arbeiten Sie zurzeit an einem neuen Buch und wenn ja, wovon handelt es?

I. Kaletka: Ja. Ich kann schon so viel verraten: Mein neues Manuskript wird sich dem Thema "Tiere im Tierheim" widmen.

Frau Kaletka, wir danken Ihnen für dieses Interview und wünschen Ihnen viel Erfolg für Ihr neues Projekt.

Das Interview führte Britta Pawlak

Monatliche Tierpatenschaft:

Der Uranek Verlag verlost jeden Monat unter den Buchkäufer­n von Natumi Okawango eine Tierpatenschaft eines Elefanten- ­oder Rhinowaise­n für die Dauer von einem Jahr aus der Elefantena­ufzuchtsta­tion von Dr. Daphne Sheldrick / Kenia. Die Waisen verlieren durch die Wilderei auf tragischst­e Art ihre Mütter und Familien. Viele sind völlig traumatisi­ert - sie alle brauchen unsere Unterstütz­ung. Wenn du Lust und Interesse hast, findest du weitere Infos auf der Homepage der Buchautorin Ingrid Kaletka: http://www.ingridkaletka.de/

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letzte Aktualisierung: 14.03.2012

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