von Ulf Pawlak
"Wusstest du, dass...?"
1. "…die Gezeiten dafür verantwortlich sind, dass die Tage allmählich immer länger werden?"
Die Lage der Flutberge beziehungsweise der Ebbezonen hängt von der Position des Mondes ab. Dieser bewegt sich innerhalb von 27 Tagen einmal um die Erde. Die Erdkugel selbst dreht sich jedoch viel schneller um ihre eigene Achse, als sich der Mond um die Erde dreht. Das Wasser der Ozeane fließt zwar möglichst schnell von den Ebbe- zu den Flutzonen, aber durch Reibung auf dem Meeresboden und durch "quer liegende" Kontinente, die erst umströmt werden müssen, kommt es zu einer Zeitverzögerung.
Dadurch, dass die Flutberge vom Mond zurückgehalten werden, wird die Drehung der Erdkugel allmählich wie unter zwei Bremsklötzen abgebremst. In der Entstehungsphase der Erde waren die Tage deshalb kürzer als heute. Die Abbremsung wird erst dann aufhören, wenn sich die Erde pro Mondumdrehung nur noch einmal um sich selbst dreht. Ein Tag würde dann fast einen ganzen Monat dauern. Aber keine Angst, dieser Vorgang geht sehr langsam voran. In 1.000 Jahren wird ein Tag zum Beispiel nur etwa 0,016 Sekunden länger dauern.
2. "…durch die Gezeiten auch die feste Erdkruste verformt wird?"
In Mitteleuropa hebt und senkt sich die Erdkruste im Rhythmus der Gezeiten um etwa 50 Zentimeter. Diese Bewegung kann mithilfe von empfindlichen Gravimetern (speziellen Schwerkraftmessgeräten) festgestellt werden.
3. "…auch auf anderen Himmelskörpern Gezeitenkräfte wirken?"
Alle Körper, die sich gegenseitig durch ihre Anziehungskraft beeinflussen, üben auch die Kräfte der Gezeiten aufeinander aus. So ist der Jupiter für die Gezeiten auf seinem Mond Io verantwortlich. Auch der Zwergplanet Pluto und sein Mond Charon üben Gezeitenkräfte aufeinander aus.
Die Gezeitenkräfte zwischen Erde und Mond wirken natürlich auch umgekehrt - nur, dass es auf dem Mond eben keine Wassermassen gibt. Die Wirkung der Erde auf den Mond ist dabei noch viel stärker als umgekehrt. Dies liegt daran, dass die Erde mehr Masse hat. Früher drehte sich der Mond noch deutlich schneller um sich selbst. Durch die Gezeitenkräfte wurde er dabei wie ein Kuchenteig "durchgewalkt" und hat sich ständig weiter verformt. Mit der Zeit hat die Erde die Geschwindigkeit, mit der sich der Mond dreht, abgebremst.
Die Gezeitenreibung durch die Erde hat nämlich auf dem Mond dazu geführt, dass dieser sich immer langsamer um sich selbst drehte. Dies geschah auf die gleiche Weise, wie auch der Mond die Erdrotation bremst (siehe oben). Heute ist der Mond nicht mehr ganz rund, sondern ein Ellipsoid. Dies ist eine Art Ei, jedoch mit gleich geformten Enden. Das "Mondei" zeigt nun immer mit der gleichen Seite zur Erde hin, denn heute dreht sich der Mond pro einer Umdrehung um die Erde auch genau einmal um sich selbst. Die Verlangsamung seiner Rotation stoppte an diesem Punkt, da es zu keiner Gezeitenreibung mehr kam. Grund: Erde und "Flutberg" auf dem Mond - also der Bereich, in dem die Gezeitenkräfte wirken - liegen nun immer auf einer Linie.
4. "…die Gezeitenwirkung alle Meere betrifft, nur nicht gleich stark?"
Es gibt Orte, an denen es fast keine oder zeitversetzte Gezeiten gibt. Dennoch wirken die Gezeiten in allen Meeren! Abhängig ist die Ausprägung vor allem von der Küstenbeschaffenheit des jeweiligen Ortes. An den Küsten ist der Tidenhub höher als auf offener See. Denn die Flut "schwappt" gewissermaßen auf das Land, das Wasser prallt also auf die starre Küste und türmt sich auf.
In Deutschland beträgt der größte Tidenhub an den Elbe -und Wesermündungen über vier Meter. Die großen Tidenunterschiede der Nordsee kommen durch ferne Wirkungen des Atlantischen Ozeans zustande: Von Ost dringt die Flut aus dem Atlantik durch den Ärmelkanal zwischen Norwegen und Schottland in die Deutsche Bucht. Aufgrund des flachen Reliefs (Oberflächengestalt der Erde) in der Nordsee umspült das Wasser bei Flut weite Gebiete. An der Ostsee beträgt der Tidenhub nur etwa 30 Zentimeter. Dies liegt an der geschützten, fast eingeschlossenen Lage der Ostsee. An vielen Küsten macht sich der Unterschied zwischen Ebbe und Flut nur schwach bemerkbar, weil das Relief des Meeresbodens schnell nach unten abfällt. In der Bay of Fundy in Kanada treten die weltweit stärksten Gezeiten mit einem Höhenunterschied von bis zu 21 Metern auf.
5. "...es bei der Gezeitenwirkung auf die Größenverhältnisse ankommt?"
Nicht kann man das Phänomen von Ebbe und Flut in Seen oder im Schwimmbecken beobachten. Aber warum eigentlich nicht? Es handelt sich hierbei um Wassermengen, die viel zu gering sind, um einen Tidenhub zu entwickeln - denn die Gezeitenwirkung hängt von der Masse ab. Dies wird von den Wissenschaftlern auch den Menschen entgegen gehalten, die bestimmte Handlungen nach den Mondphasen ausrichten. Sie glauben daran, dass die Wirkung, die der Mond auf das Wasser unseres Planeten ausübt, auch uns Menschen betrifft - schließlich besteht der Mensch zum Großteil aus Wasser. Doch selbst in großen Seen kann man die Gezeitenwirkung schon nicht mehr wahrnehmen.
6. "…der Mensch in der Lage ist, die Gezeiten zur Stromerzeugung zu nutzen?"
Dabei werden Turbinen unter der Wasseroberfläche gebaut. Wie bei einem Staudamm wird dann die Wasserströmung, die durch Ebbe und Flut entsteht, genutzt, um die Turbinen in Bewegung zu setzen und dadurch elektrischen Strom zu erzeugen. Da man jedoch Buchten benötigt, an denen der Tidenhub mindestens fünf Meter beträgt, gibt es nur wenige geeignete Standorte für solche Kraftwerke. Deshalb wird diese Technologie auch in Zukunft eine untergeordnete Rolle bei der Stromerzeugung spielen.
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