von Sebastian Zender - 22.10.2009
Das Jugendbuch von Carlos Ruiz Zafón ist in Spanien schon seit 1995 zu haben - nun ist es endlich auch in deutscher Sprache erschienen. Genau zur rechten Zeit: "Der dunkle Wächter" passt wunderbar zum bevorstehenden Gruselfest Halloween, denn die Geschichte hat einen hohen Gänsehautfaktor. Das Buch ist also nichts für schwache Nerven. Alle Freunde des wohligen Schauders hingegen erwartet ein spannender Schmöker für die kalte Jahreszeit.
Mit seinem Roman "Der Schatten des Windes" (2001) gelang dem spanischen Schriftsteller Carlos Ruiz Zafón der internationale Durchbruch. Seitdem das Buch 2003 in der deutschen Übersetzung erschien, hat er auch hierzulande viele begeisterte Leser. Auch Zafóns jüngster Roman, "Das Spiel des Engels" (2008), wurde zum internationalen Bestseller. In Spanien hatte er sich schon lange vor diesen Erfolgen einen Namen als Autor von schaurig-schönen Jugendbüchern gemacht.
"Der dunkle Wächter" spielt in Frankreich im Sommer des Jahres 1937: Nach dem Tod ihres Mannes, der ihr einen Berg von Schulden hinterlassen hat, verlässt Simone Sauvelle gemeinsam mit ihren Kindern Dorian und Irene die Hauptstadt Paris. Ein alter Freund der Familie hat ihr in einem kleinen Fischerdorf an der normannischen Küste eine Stelle als Haushälterin des Spielzeugfabrikanten Lazarus Jann verschafft. Zunächst scheint es so, als hätten die Sauvelles damit das große Los gezogen. Nach den harten Zeiten in Paris erscheint ihnen das kleine Örtchen am Meer der perfekte Ort für einen Neuanfang.
Ein dunkles Geheimnis
Obwohl die Uhren hier natürlich etwas anders ticken als in der großen Stadt, werden die Neuankömmlinge freundlich aufgenommen und die Kinder haben sich schnell eingelebt. Irene findet in dem eigenbrötlerischen Fischerjungen Ismael ihre erste große Liebe, und für ihren jüngeren Bruder Dorian sind die felsige Küste und der ans Dorf angrenzende Wald ein riesiger Abenteuerspielplatz. Auch Lazarus Jann, der neue Arbeitgeber ihrer Mutter, entpuppt sich als äußerst charmanter und großzügiger Mann. Was macht es da schon, dass sein Landsitz Cravenmoore, eine alte, im Wald gelegene Villa, deren Räume und Korridore von unzähligen automatischen Spielzeugfiguren bevölkert werden, der Familie etwas unheimlich ist?
Als jedoch eines Tages die Leiche eines Mädchens im Wald gefunden wird, ist es mit der Idylle vorbei. Ist dies der Anfang einer Mordserie, wie sie sich vor Jahren schon einmal ereignet hat? Hat die im Dorf kursierende Gespenstergeschichte über die rätselhaften "Septemberlichter" (im Original heißt das Buch übrigens auch "Las Luces de Septiembre" - also "Die Septemberlichter"), die man angeblich im verlassenen Leuchtturm vor der Küste sehen kann, etwas mit der Sache zu tun? War es wirklich nur eine optische Täuschung, als es Dorian einmal so schien, als hätte der Spielzeugfabrikant Jann keinen Schatten?
Die Sauvelles müssen bald feststellen, dass in Cravenmoore nicht alles so ist, wie es scheint. Irene und ihr neuer Freund Ismael geraten beim Versuch, das dunkle Geheimnis des Anwesens zu ergründen, in einen Sog haarsträubender Ereignisse. Noch bevor sie auch nur die leiseste Ahnung haben, wie sie das Rätsel lösen könnten, wird ihnen klar, dass es in diesem Abenteuer auch für sie um Leben und Tod geht.
Fesselnd und temporeich wie ein Film
Bei der Konstruktion seines Gruselszenarios verwendet Zafón viele bereits aus anderen Geschichten bekannte Elemente. Dennoch schlägt einen die Handlung unweigerlich in ihren Bann. Schon bald möchte man das Buch gar nicht mehr zur Seite legen. Das liegt zum einen an Zafóns fesselndem Schreibstil, der an seinen späteren Büchern so oft gelobt wurde und von dem auch "Der dunkle Wächter" schon einen guten Eindruck vermittelt.
Zum anderen entwickelt die Fantasy-Story ein Tempo, wie man es sonst nur von Filmen gewohnt ist. Letzteres ist kein Zufall, denn der 1964 in Barcelona geborene Zafón lebt seit 1994 im kalifornischen Los Angeles. Im Vorwort zu einer spanischen Ausgabe von 2007 erzählt er, dass er in der Zeit, in der das Buch entstanden ist, vom Schreibtisch seiner Wohnung aus in der Ferne die berühmten Buchstaben von Hollywood sehen konnte. Er habe daher manchmal den Eindruck, das Buch enthalte eher filmische als literarische Elemente. Wie ein guter Hollywoodfilm bietet "Der dunkle Wächter" entsprechend vor allem eines: spannende Unterhaltung.
Weitere Jugendbücher von Carlos Ruiz Zafón
Für alle, die beim Lesen des Buches auf den Geschmack gekommen sind, gibt es gute Neuigkeiten. Im März und September 2010 erscheinen zwei weitere Jugendbücher von Carlos Ruiz Zafón, die er noch vor "Der dunkle Wächter" geschrieben hat: "Der Fürst des Nebels" und "Der Mitternachtspalast". Der Fischerverlag, in dem die Jugendbücher erscheinen, empfiehlt sie für Leser ab zwölf Jahren. Für jüngere Kinder sind sie wohl auch wirklich etwas zu gruselig. Die neueren Bücher von Zafón sind zwar ebenfalls sehr empfehlenswert, aber wirklich nur etwas für die älteren unter euch. Vergesst auf jeden Fall nicht, euch eine Taschenlampe neben das Bett zu legen…
Autor: Carlos Ruiz Zafón
Titel: Der Dunkle Wächter
Alter: ab 12 Jahren
Aus dem Spanischen von Lisa Grüneisen
352 Seiten, gebunden
17,95 Euro; 31,90 sFr (UVP)
ISBN: 978-3-596-85388-5
Hinweis zum Copyright: Die private Nutzung unserer Webseite und Texte ist kostenlos. Schulen und Lehrkräfte benötigen eine Lizenz. Weitere Informationen zur SCHUL-LIZENZ finden Sie hier.
Wenn dir ein Fehler im Artikel auffällt, schreib' uns eine E-Mail an redaktion@helles-koepfchen.de. Hat dir der Artikel gefallen? Unten kannst du eine Bewertung abgeben.