Kinder- und Jugendliteratur
Kinder- und Jugendliteratur ist Literatur, die von Kindern und Jugendlichen gelesen wird. Dazu gehört sowohl Literatur, die Kinder und Jugendliche von sich aus gerne lesen, als auch Literatur, die als geeigneter Lesestoff für Kinder und Jugendliche gilt und ihnen angeboten wird. Zur Kinder- und Jugendliteratur werden neben fiktiven und nichtfiktiven Büchern auch die Medien Zeitschriften, Hörgeschichten und Theaterstücke gezählt.
Aus dem Inhalt:
[...] (e.o.plauen) oder Das fliegende Klassenzimmer von Erich Kästner. Viele andere Autoren zogen aus Deutschland fort und schrieben aus dem Exil Bücher. Kurt Held schrieb beispielsweise aus der Schweiz Die rote Zora und ihre Bande. Und seine Ehefrau Lisa Tetzner schrieb die in Berlin angefangene Serie Die Kinder aus Nr. 67 in der Schweiz weiter. Nach dem Ende des zweiten Weltkriegs und dem Untergang des Nationalsozialismus spaltete sich nicht nur Deutschland in West und Ost, sondern auch die deutsche Kinder- und Jugendliteratur. In der sozialistisch regierten DDR wurde in der Tradition der proletarischen KJL von den Autoren eine sozialistisch-realistische Literatur gefordert, die sich auf die Zielvorstellungen des Kommunismus konzentrierte. Aus dem Grund wurden Bücher vor ihrer Veröffentlichung auf ihre politische Botschaft hin überprüft und gegebenenfalls zensiert, die Druckgenehmigung verweigert oder deren Veröffentlichung zumindest erschwert. Viele Autoren hatten deshalb eine Art "Schere im Kopf", das heißt, sie zensierten sich selbst und schrieben nichts mehr, was problematisch werden konnte. Manche Autoren versuchten ihre Kritik zwischen den Zeilen zu verpacken. Anderen gelang es, einen Großteil ihrer Texte in der BRD zu veröffentlichen.
Gleichzeitig wurden einige Autoren aus dem feindlichen, kapitalistischen Ausland zumindest in den ersten zwei bis drei Jahrzehnten in der DDR nicht veröffentlicht. Beliebten Genres wie der Abenteuerroman oder Comic wurden teilweise eigene, neue Erzählweisen oder Formen entgegen gestellt. Liselotte Welskopf-Henrich schrieb mit Die Söhne der großen Bärin eine sehr erfolgreiche sozialistisch-realistische Indianer-Roman-Reihe. Hannes Hegen schuf mit den Digedags eine beliebte Bildergeschichten-Serie, die neben der Darstellung vieler Abenteuer durch Raum und Zeit, historisches, geografisches und naturwissenschaftlich-technisches Wissen vermittelte. KJL galt in der DDR also als wichtige Möglichkeit, Kinder und Jugendliche zu erziehen. Sie wurde vom Staat deshalb gefördert und unterstützt. Es wurde auch viel darüber diskutiert, wie Literatur für Kinder und Jugendliche sein sollte. Insgesamt wurde sie ernster genommen und war anerkannter als die KJL zur gleichen Zeit in der BRD. Mit Bert Brecht, Peter Hacks, Franz Fühmann, Erwin Strittmatter, Stephan Hermlin und anderen gab es einige bekannte Autoren, die sowohl für Erwachsene als auch für Kinder schrieben. In den ersten Jahren nach dem Weltkrieg wurden in Ostdeutschland viele Bücher der sowjetischen Besatzungsmacht veröffentlicht. Daneben wurden auch Klassiker, ideologisch unproblematische Bücher aus der Zeit des Nationalsozialismus und sozialistischen realistischen Literatur aus der Weimarer Republik wieder aufgelegt. Während die KJL in der DDR in den 50er Jahren anfangs noch sehr von der Vorstellung geprägt war, Kindern eine sozialistische Weltsicht zu vermitteln und sie zum Aufbau einer kommunistischen Gesellschaft zu erziehen, rückten bereits in den 60er Jahren die Alltagsprobleme und persönlichen Konflikte des Einzelnen innerhalb der Gesellschaft in den Vordergrund. Gehard Holtz-Baumert nimmt in Alfons Zitterbacke. Geschichten eines Pechvogels beispielsweise die Schwierigkeiten Alfons, sich in seiner Umwelt zurecht zu finden, aufs Korn und lässt selbst seinen Protagonisten darüber lachen. Benno Pludra stellt in Tambari und Lütt Matten und die weiße Muschel Heranwachsende vor, die immer wieder Konflikte mit Erwachsenen haben, weil sie vom vorgeschriebenen Weg abgehen. Anders als bei Holtz-Baumert werden hier die Konflikte nicht mit Humor weggelacht, sondern mit kindlicher Kreativität und deren Anerkennung durch die Erwachsenen gelöst. Die Entwicklung, die persönlichen Sichtweisen der Protagonisten zu beschreiben, setzte sich in den 70er Jahren fort. Die Beschreibung des subjektiven Erlebens wurde immer wichtiger. Ulrich Plenzdorfs Roman und Bühnenstück Die neue Leiden des jungen W. steht beispielsweise für so eine neue Literatur. In den achtziger Jahren fand wieder verstärkt eine Hinwendung zu fantastischen Stoffen wie Märchen, Heldendichtungen, Mythen, vereinzelt auch fantastischen Geschichten statt. Bekannt wurde Christoph Heins fantastischer Roman Das Wildpferd unterm Kachelofen, der bis heute immer wieder neu aufgelegt wird. Daneben wurden erstmals kritische Töne über das fehlende Umweltbewusstsein in der DDR laut und das erste Sachbuch zu Umweltfragen erschien. Anders war die Entwicklung in der marktwirtschaftlich orientierten BRD. Kindern wurden hier die ersten zwanzig Jahre nach dem Krieg aus dem politischen Leben der Eltern eher rausgehalten und ihnen dementsprechend Literatur angeboten, die ihnen einen eigenen, literarisch unterhaltsamen Schutzraum bot. In den fünfziger und sechziger Jahren wurden ihnen viele klassische Märchen- und Heldendichtungen angeboten. Auch Otfried Preußler nahm mit der Kleinen Hexe oder Bei uns in Schilda alte Märchen- und Sagenstoffe auf. Daneben wurde nun aber auch viel Literatur aus dem Ausland veröffentlicht. Pippi Langstrumpf, Die Fünf Freunde und Der kleine Prinz zogen neben Micky Maus, Tim und Struppi, Tarzan und etwas später auch Superman in die Kinderzimmer ein. In den 60er Jahren setzte sich die Tendenz fort, Kinder mit fantastischer Literatur zu unterhalten.
Otfried Preußler, Michael Ende und teilweise auch James Krüss, die Geschichten mit fantastischen Elementen schrieben, mussten sich allerdings bald von Vermittlern der KJL den Vorwurf anhören, Bücher zu schreiben, die die Realität verdrängten oder ausblendeten, anstatt sie kritisch darzustellen. Mit der Protestbewegung der 1968er wurde nun gefordert, dass Literatur Kindern nicht eine märchenhafte oder heile Welt vorgaukeln sollte, sondern sie aufklären, auf Missstände aufmerksam machen und sie zu selbstständigem Denken und Handeln provozieren und auffordern sollte. Aufklärende, problemorientierte Bücher wie Peter Härtlings Das war der Hirbel oder Ursula Wölfels Die grauen und die grünen Felder galten nun als vorbildlich.
Oft wurden zur kritischen Durchleuchtung der Realität auch fantastische Mittel eingesetzt. Eindrücklich ins Bild gebracht wurde diese widerständische KJL durch der Anti-Struwwelpeter von Friedrich Karl Waechter. Im Anti-Struwwelpeter stellt Waechter sich auf die Seite der Kinder und richtet sich gegen die Macht der Erwachsenen und unsinnige Erziehungsideale. Bekannt sind auch Christine Nöstlingers Wir pfeifen auf den Gurkenkönig, in dem der herrische Gurkenkönig die autoritären Strukturen einer Familie offen legt, und Paul Maars Sams, das Herrn Taschenbier Mut macht, sich gegen seinen Chef zu wehren. Oder auch Janoschs fantastische Welten, die voller anarchischer, antiautoritärer Bilder sind. Nachdem Anfang der Achtziger Jahre Michael Endes fantastischer Roman Die unendliche Geschichte einen riesigen Erfolg bei den Lesern hatte und auch J.J.R. Tolkiens Herr der Ringe mit jahrelanger Verspätung in Deutschland sehr erfolgreich wurde, gewann die fantastische Literatur wieder an Bedeutung und verdrängte allmähliche die realistische und problemorientierte Literatur. Trotzdem wurden auch weiterhin realistische Romane geschrieben und Konflikte von Kinder und Jugendlichen innerhalb der Gesellschaft dargestellt. Großes Aufsehen erlangte damals Gudrun Pausewangs negative Utopien Die letzten Kinder von Schewenborn und Die Wolke, in denen die wirkliche Bedrohung durch Atombombe und Atomkraftwerke anhand von tragischen Kinderschicksalen plastisch vor Augen geführt wurde. Einen anderen Weg, Kinder und Jugendliche für die gesellschaftliche Umgebung und ihre geschichtliche Entwicklung zu sensibilisieren, schlug Klaus Kordon ein. Er recherchierte Ereignisse und stellte sie in einen sozialen oder politische Zusammenhang. Wieder einen anderen Weg, Wirklichkeit darzustellen, zeigte Miriam Pressler. Sie schuf psychologische Kinderromane, die sich mit den Gedanken und Gefühlen der kindlichen Protagonisten, meistens Außenseiter, auseinandersetzen.
Daneben wurden in den achtziger Jahren auch viele Bücher veröffentlicht, die sich mit der nationalsozialistischen Vergangenheit auseinander setzten. Nach der Wiedervereinigung und dem Ende des kalten Krieges, zieht die Postmoderne und ihr Slogan „alles ist erlaubt“ auch in die Kinderliteratur ein. Veröffentlicht und gedruckt wird nunmehr alles, was sich verkauft und nicht eindeutig jugendgefährdend ist. Neben Harry Potter und der daraus folgenden Flut an Magie- und Fantasybüchern wurden in den letzten zehn Jahren die Genres Science-Fiction, Mystery, Horror und Grusel und auch Mangas, das sind japanische Comics, immer beliebter. Einen innovativen Schub bekam Mitte der achtziger, und vor allem in den neunziger Jahren das Bilderbuch. Während in der DDR mit Illustrationen, beispielsweise von Klaus Ensikat, Hans Ticha, Volker Pfüller, Kinder schon früh an Kunst für Erwachsene herangeführt wurden, orientierten sich Illustratoren in der BRD insgesamt (trotz einzelner Ausnahmen wie Friedrich Karl Waechter) häufiger an dem, was man als kindgemäß betrachtete. Nun entstanden auch in West-Deutschland viele künstlerische Bilderbücher, deren Illustratoren Kindern Kunst vermitteln und sie an den Sehgewohnheiten der Erwachsenen teilhaben lassen wollten. Bekannte Illustratoren dieser neuen Bilderbuchkunst waren anfangs beispielsweise Wolf Erlbruch, Quint Buchholz oder Nikolaus Heidelbach. Heute gibt es auch einige andere Illustratoren, die kunstvolle Illustrationen für Kinder und Jugendliche machen. Daneben entstehen auch wieder vermehrt Illustrationen, die keinen eigenständigen, künstlerischen Wert haben, sondern reine Bebilderung oder Verzierung eines Textes sind. Im Jahr 2000 werden die Vermittler der KJL durch die sogenannten PISA-Studie, die deutschen Schülern unter anderem eine ziemliche Leseschwäche bescheinigte, aufgeschreckt. Weiter beunruhigend wirkt auf die Vermittler der explodierende Markt an Computerspielen und der massive Einzug des damals noch relativ neuen Mediums Internet in die deutschen Kinderzimmer.
Anstatt wie bisher das gute Kinder- und Jugendbuch einzufordern, sei es nun politischer, pädagogischer oder literarischer Art, sind die Vermittler der KJL nun froh, wenn Kinder und Jugendliche überhaupt noch lesen. Lesezirkel und Lesepatenschaften sprießen seit dem PISA-Schock wie Pilze aus dem Boden, werden gefördert und bepreist, meist unabhängig davon, welche Bücher den Kindern vorgelesen werden und wie ihnen Literatur vermittelt wird. Ein sprachlich und bildlich schlechtes Conni-Buch scheint plötzlich die gleiche Qualität zu haben wie Eric Carles Kleine Raupe Nimmersatt, eine ruhm- und herrschsüchtige und bei genauer Betrachtung recht zickige Molly Moon von Georgia Byng gilt heute gleich vorbildlich wie die mutige Matilda von Roald Dahl oder Pippi Langstrumpf von Astrid Lindgren, die sich beide in erster Linie eben nicht für sich selbst, sondern für andere einsetzen.
Den Kindern und Jugendlichen könnte ihre neue Freiheit eigentlich nur Recht sein, dürfen sie nun endlich ohne Rücksicht auf Verluste alles lesen, was ihnen gefällt.
Doch diese Freiheit ist trügerisch und nicht wirklich vorhanden. Denn die Verlage und Großbuchhandlungen schränken diese Freiheit insofern wieder ein, als sie vor allem massentaugliche, sehr häufig seichte Bücher veröffentlichen und verkaufen. Vielfalt und Qualität wird durch unzählige Variationen eines Buchtyps und einseitiges Sichtbarmachen von erfolgreichen Serien in Programmheften und Buchregalen ersetzt. Wenn sie nicht gerade Artemis Fowl oder Warrior Cats heißen, sind die echten Perlen, die es in der KJL nach wie vor auch noch gibt, oft schwer zu entdecken. Dadurch diktieren Verlage und Großbuchhandlungen den Lesern doch wieder einen Geschmack, den sie in vielen Fällen wahrscheinlich gar nicht haben.
Unabhängig davon lässt sich für die Gegenwartsliteratur für Kinder und Jugendliche sagen, dass sie sich in ihrer Themenwahl, Sprache und Machart immer mehr zu All Age Büchern entwickelt, also zu Büchern, die von allen Alterstufen gelesen und gekauft werden können.
Abschließend kann man deshalb feststellen, dass zumindest zur Zeit nicht nur das anspruchsvolle Kinderbuch, sondern auch die intentionale Kinder- und Jugendliteratur langsam verschwindet. http://www.rossipotti.de/
http://www.akademie-kjl.de/index.html
http://www.goethe.de/kue/lit/prj/kju/deindex.htm
http://www.schule-bw.de/unterricht/paedagogik/lesefoerderung/lesetipps/k... [...]
http://www.rossipotti.de/inhalt/literaturlexikon/sachbegriffe/kinder_und_jugendliteratur.html