von Britta Pawlak
Wie wir Dinge wahrnehmen, hängt von der Fähigkeit unseres Gehirns ab, die von den Augen erfassten Informationen zu verarbeiten. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Erfahrung: Das Gehirn merkt sich ähnliche Objekte und ordnet sie zu. Es versucht, Verbindungen herzustellen und ein räumliches Bild daraus zu konstruieren. Dabei können uns unsere Sinne aber auch in die Irre führen: Bei "optischen Täuschungen" wirken gleiche Gegenstände unterschiedlich groß, gleiche Farben heller oder dunkler, gerade Linien schief - oder wir sehen Dinge, die überhaupt nicht da sind. Wie ist das möglich?
Durch unsere Augen erfassen wir Dinge in unserer Umgebung. Lichtwellen, die von Objekten zurückgeworfen werden, nimmt die Netzhaut des Auges auf. Doch damit ist unsere Fähigkeit, Dinge zu sehen, noch nicht erklärt. Wie wir unsere Umwelt wahrnehmen, hängt von dem Zusammenspiel zwischen Sehapparat und Gehirn ab. Gegenstände, die vom Auge erfasst werden, müssen erst verarbeitet werden, um sich zu dem Bild zu fügen, wie wir es letztendlich begreifen.
Dabei spielt die Erinnerung und Erfahrung eine große Rolle. Wir lernen, ähnliche Gegenstände miteinander in Verbindung zu bringen und dadurch zu erkennen, was wir eigentlich sehen. Das Gehirn vergleicht also Objekte und ordnet sie zu. Dabei versucht es, Informationen, die vom Auge weitergegeben werden, in ein dreidimensionales Bild zu verwandeln - schließlich leben wir in einer räumlichen Welt. Aus diesem Grund sind Gegenstände, die sich in der Ferne befinden, logischerweise kleiner - beziehungsweise nehmen wir sie so wahr. Wie wir die Bilder erfassen, hängt also auch von der jeweiligen Betrachter-Perspektive ab.
Visuelle Illusion: Täuschung der Sinne
Dieses Zusammenspiel zwischen Auge und Gehirn ist entscheidend für die Fähigkeit, Dinge zu begreifen und richtig einzuordnen. Unser Gehirn kann aber auch getäuscht werden - und unsere Sinne führen uns in die Irre. Die so genannte "visuelle Illusion" kommt zustande, weil das Gehirn mithilfe der Erfahrung versucht, ein wahrgenommenes Bild zu erkennen. Das ist eigentlich nützlich - führt in speziellen Fällen allerdings zu Verwirrungen. Ein zweidimensionales Bild wird dreidimensional erfasst, und wir ziehen falsche Rückschlüsse über Objekte, die wir sehen.
Unser Gehirn ist dann bestrebt, eine Verbindung zwischen den dargestellten Objekten zu erkennen. Eine Figur scheint zum Beispiel durch die perspektivische Darstellung kleiner als die andere - obwohl beide gleich groß sind. Oder gerade Linien werden schief wahrgenommen. Auch Farben werden unterschiedlich erfasst. Je nachdem, auf welchem Hintergrund sie sich befinden, können sie heller oder dunkler wirken. Bei optischen Täuschungen sehen wir auch Dinge, die es überhaupt nicht gibt. Wie genau kommen solche Phänomene zustande?
Größer, kleiner - oder gleich groß?
Betrachten wir Abbildungen mit verschiedenen Objekten, stellt unser Gehirn eine Beziehung zwischen diesen her. Wir erkennen einen "Weg", der von vorne nach hinten des Bildes verläuft, und deshalb entsteht der Eindruck räumlicher Tiefe. So scheinen sich Objekte des unteren Bildrandes "in der Nähe" zu befinden. Mit größerer Entfernung wirken Gegenstände kleiner. Durch die Bestrebung, ein dreidimensionales Bild zu erfassen, erscheinen Körper derselben Größe deshalb unterschiedlich groß.
Gleich große Gegenstände nehmen wir auch dann verschieden wahr, wenn sich in ihrer Umgebung jeweils andere - kleinere oder größere - Objekte befinden. Wir bewerten Dinge "relativ" - also in Abhängigkeit oder im Vergleich zu anderen. Etwas ist nicht einfach nur groß, klein, hell oder dunkel - es hängt vom jeweiligen Maßstab ab. Jemand, der eigentlich groß ist, könnte neben einem Riesen dennoch wie ein Zwerg wirken. Im Größenverhältnis zu anderen Objekten kann derselbe Körper also einmal relativ groß und dann wieder relativ klein wirken.
Wie gerade Linien schief werden
Durch unterschiedliche Farbspiele können Linien, die eigentlich gerade sind, schief aussehen. In der Abbildung rechts zum Beispiel sind die winzigen hellen Quadrate in den Ecken der dunklen dafür verantwortlich. Sie stören den Gesamteindruck der Trennlinien zwischen den hellen und dunklen Quadraten - und die eigentlich geraden Linien wirken gekrümmt.
Die Ausrichtung von Geraden kann auch völlig anders wirken, wenn sich noch weitere Linien in der Umgebung befinden, die im Gesamtbild für Verwirrung sorgen. Zwei zueinander parallele Geraden können beispielsweise schief erscheinen, wenn sie durch andere Striche gekreuzt werden, die jeweils in verschiedene Richtungen verlaufen (siehe kleine Abbildung oben rechts).
Gleiche Farben erscheinen heller oder dunkler
Farben und ihre Helligkeit können sehr unterschiedlich wahrgenommen werden. Bei starkem Sonnenlicht erscheint der gleiche Farbton anders als im dämmrigen Licht. Auf dunklem Hintergrund sieht eine Farbe deutlich heller aus als auf hellem. In Abhängigkeit zur Umgebung wirken gleiche Farben also verschieden.
Auch das Verhältnis von Licht und Schatten ordnet unser Gehirn ein. Aus Erfahrung wissen wir, dass der gleiche Gegenstand viel dunkler aussieht, wenn er im Schatten liegt. Glauben wir, einen Schatteneffekt zu erkennen, vermuten wir in demselben Farbton also eine hellere Farbe, die durch den Schatten dunkel wirkt.
Im Bild links spielt sowohl die dargestellte Schattierung als auch unsere Erfahrung, dass ein Schachbrettmuster zweifarbig sein muss, eine Rolle - deshalb nehmen wir die gleichfarbigen Felder A und B völlig verschieden wahr. In unserer Bildergalerie (Bild 2) im zweiten Teil des Artikels kannst du dich noch einmal genau davon überzeugen, dass A und B denselben Grauton haben.
Dinge sehen, die es überhaupt nicht gibt?
Einige Bilder täuschen unsere Sinne in der Form, dass wir Dinge sehen, die eigentlich nicht da sind. Unser Gehirn versucht zum Beispiel, durch Erfahrung die Form eines bestimmten Objekts zu erfassen. Es ergänzt dann Linien oder Kanten, die für den Gesamteindruck dieses Gegenstandes entscheidend sind, im eigentlichen Bild aber fehlen (siehe "Würfel mit weißen Kanten", kleine Abbildung oben links).
Das menschliche Gehirn ist stets bemüht, zu erfassen, was das Auge ihm an Eindrücken liefert. Für die Verarbeitung der Sehinformationen richtet es sich stark nach Linien und Kanten - da diese eine Orientierung ermöglichen. So erkennen wir Strichzeichnungen mit deutlichen Konturen schneller als Bilder mit schwammigen Farbschattierungen. Kontraste werden bei der Verarbeitung von Objekten verstärkt. In der Abbildung rechts befindet sich auf einer schwarz gefärbten Fläche ein weißes Gitter. Der Kontrast wird überbetont - und wir sehen in den Zwischenräumen graue Farbtupfer, die nicht vorhanden sind.
Illusion der Bewegung
Bei manchen optischen Täuschungen glaubt der Betrachter, Teile des Bildes würden sich bewegen. Das passiert zum Beispiel dann, wenn ein Gegenstand vor einem Hintergrund betrachtet wird, dessen räumliche Lage nicht zugeordnet werden kann. Bei einigen Bildern muss der Kopf oder die Grafik selbst bewegt werden, um die vermeintliche "Bewegung" wahrzunehmen.
Dies funktioniert am besten, wenn man die Gegenstände, die bewegt wahrgenommen werden, nicht fokussiert. Blickt man in der Abbildung links auf den schwarzen Punkt in der Mitte und bewegt dabei den Kopf vor und zurück, scheinen sich die beiden Kreise in entgegen gesetzter Richtung zu drehen. Zustande kommt dieser Effekt durch die schräg ausgerichteten Vierecke, die den jeweiligen Kreis bilden: Im äußeren Kreis sind sie nach links geneigt, im inneren nach rechts.
Hinweis zum Copyright: Die private Nutzung unserer Webseite und Texte ist kostenlos. Schulen und Lehrkräfte benötigen eine Lizenz. Weitere Informationen zur SCHUL-LIZENZ finden Sie hier.
Wenn dir ein Fehler im Artikel auffällt, schreib' uns eine E-Mail an redaktion@helles-koepfchen.de. Hat dir der Artikel gefallen? Unten kannst du eine Bewertung abgeben.