Als "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" bezeichnet man besonders grausame Vergehen gegen Zivilisten, also Menschen, die keiner Armee angehören und auch keine Uniform tragen. Solche Verbrechen sind zum Beispiel die vorsätzliche Tötung, Ausrottung, Versklavung, Vertreibung oder Folter von Menschen. Diese schweren Straftaten können nicht verjähren. Das heißt, sie können verfolgt und bestraft werden, egal wie viele Jahre seit dem Verbrechen vergangen sind. Die Täter müssen im Fall einer Verurteilung für lange Zeit ins Gefängnis (bis zu 30 Jahre). Sie können auch lebenslang eingesperrt werden. Die Todesstrafe ist heutzutage in den meisten demokratischen Ländern abgeschafft.
Der Ausdruck "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" tauchte erstmals 1915 auf, als Tausende von Armeniern im damaligen Osmanischen Reich, der heutigen Türkei, ermordet wurden. Näher beschrieben und bestimmt wurde der Begriff "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" aber erst viel später, nämlich 1945 in der so genannten Londoner Charta. Dort heißt es wörtlich: "Verbrechen gegen die Menschlichkeit, unter anderem: Mord, ethnische Ausrottung, Versklavung, Deportation und andere unmenschliche Akte gegen die Zivilbevölkerung oder: Verfolgung aufgrund von rassistischen, politischen und religiösen Motiven; unabhängig davon, ob einzelstaatliches Recht verletzt wurde."
Die Londoner Charta bildete nach dem Zweiten Weltkrieg die juristische Grundlage für die Nürnberger Prozesse, in denen die wichtigsten gefangenen NS-Machthaber vor Gericht gestellt und verurteilt wurden. Die Nürnberger Richter sahen die Massenvernichtung in Konzentrationslagern als Verbrechen gegen die Menschlichkeit und verurteilten die angeklagten NS-Kriegsverbrecher zu hohen Haftstrafen, einige auch zum Tode. Übrigens gab und gibt es immer wieder Debatten über den Begriff "Verbrechen gegen die Menschlichkeit". Auf Englisch heißt es "crimes against humanity", wobei "humanity" sowohl mit "Menschlichkeit" als auch mit "Menschheit" übersetzt werden kann. So kritisierte die deutsch-jüdische Philosophin Hannah Arendt: "Als hätten es die Nazis lediglich an 'Menschlichkeit' fehlen lassen, als sie Millionen in die Gaskammern schickten" - sie bezeichnete dies als "Übertreibung des Jahrhunderts".
Neue Konflikte auf der Welt, etwa der Jugoslawien-Krieg in den 1990er Jahren oder der Bürgerkrieg in Ruanda, führten dazu, dass die internationale Gemeinschaft neu über den Begriff "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" nachdachte und darüber, wer Verbrechen gegen die Menschlichkeit eigentlich untersuchen und bestrafen soll, wenn die Behörden der einzelnen Länder das nicht wollen und können. Man einigte sich darauf, weitere Straftaten als Verbrechen gegen die Menschlichkeit einzuordnen, darunter schwere sexuelle Übergriffe, Zwang zur Prostitution, Zwangssterilisation (ein operativer Eingriff, um einen Mann oder eine Frau ohne ihr Einverständnis unfruchtbar zu machen, so dass sie keine Kinder mehr zeugen oder bekommen können) und Apartheid-Verbrechen (strikte Rassentrennung und systematische Unterdrückung von nicht-weißen Bevölkerungsgruppen).
Was genau ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist, regelt seit einigen Jahren Artikel 7 des "Römischen Statuts" - ein internationales Abkommen, das 1998 in Kraft trat. Das Römische Statut haben bislang 120 Staaten unterzeichnet. Sie sind damit an das Statut gebunden, das heißt, sie verpflichten sich, Verbrechen gegen die Menschlichkeit in ihren Ländern nicht zuzulassen und zu helfen, die Schuldigen aufzuspüren und zu verurteilen. Die Vereinten Nationen entschieden außerdem, für die Verfolgung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit einen Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) einzurichten. Er ist eine unabhängige länderübergreifende Organisation und sitzt seit dem 1.Juli 2002 in der niederländischen Stadt Den Haag. Am IStGH arbeiten 18 Richter. Sie verhandeln und urteilen gegen einzelne Verantwortliche von Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Der IstGH ist auch für weitere Straftaten zuständig, nämlich für Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen der Aggression. Der IStGH darf nur Straftaten verfolgen, die nach dem Inkrafttreten des Römischen Statuts, also nach dem 1.Juli 2002, begangen wurden.
Mitte März 2012 fällte der Internationale Strafgerichtshof sein erstes Urteil wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Die Richter befanden den kongolesischen Milizenführer Thomas Lubanga für schuldig, in seiner Heimat Hunderte Kinder als Kindersoldaten missbraucht zu haben. Seine Soldaten überfielen auch eine Schule und entführten Kinder. Für wie viele Jahre Lubanga ins Gefängnis muss, wollen die Richter später entscheiden. Bis zum Urteilsspruch war es allerdings ein langer Weg. Wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind derzeit auch vier Prominente in Kenia angeklagt. Sie sollen die schweren Krawalle nach den Präsidentschaftswahlen 2008 angezettelt haben, bei denen mehr als tausend Menschen umkamen. Das Wahlergebnis war damals sehr knapp ausgefallen, der amtierende Präsident Kibaki ließ sich eilig neu vereidigen. Die Anhänger des angeblich unterlegenen Kandidaten Odinga gingen dagegen auf die Straße. Beide Lager lieferten sich blutige Kämpfe. Auch die Regierung des Landes Syrien, in dem es seit 2011 immer wieder zu großen Unruhen gekommen ist, begeht nach Einschätzung der Vereinten Nationen Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Den Unterzeichnerstaaten des Römischen Statuts ist es ein wichtiges Anliegen, schwerste Gräueltaten wie Verbrechen gegen die Menschlichkeit auf internationaler Ebene durch ein überstaatliches Gericht verfolgen zu können. Zur Rechenschaft gezogen werden kann ein Täter aber nur unter bestimmten Voraussetzungen: 1. Er gehört einem Staat an, der das Statut unterzeichnet hat. 2. Die Verbrechen wurden auf dem Gebiet eines solchen Vertragsstaates begangen. Oder 3. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat den Beschluss gefasst, den Täter vor Gericht zu stellen.
Es ist also wichtig, dass möglichst viele Länder das Römische Statut unterzeichnen. Trotzdem gibt es neben den Befürwortern - darunter Deutschland und die Länder der Europäischen Union - auch Gegner. Härtester Gegner des IStGH sind die USA. Zwar unterzeichnete der damalige US-Präsident Bill Clinton das Statut im Jahr 2000, doch sein Nachfolger George W. Bush nahm zwei Jahre später die Unterschrift zurück. Das ist zwar unüblich, aber zulässig. Mehr noch: 2002 wurde in den USA ein Gesetz, der so genannte "American Service-Members' Protection Act", rechtskräftig. Es ermächtigt die USA dazu, US-Bürger, die sich in Den Haag vor dem IStGH verantworten müssen, militärisch zu befreien. Eine Zusammenarbeit mit dem Gericht ist den US-Behörden verboten. Weitere Staaten, die das Rom-Statut nicht unterzeichnet haben, sind die Volksrepublik China, Indien, Irak, Iran, Israel, Kuba, Nordkorea, Pakistan, Russland, Syrien, Saudi-Arabien und die Türkei.
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