von Antje Leser
Die flinken Nager mit ihren buschigen Schwänzen und den Pinselohren sind aus unseren Wäldern und Parkanlagen nicht wegzudenken. Sie erklimmen die dünnsten Äste, wagen gefährliche Sprünge von Baum zu Baum oder flitzen kopfunter einen Stamm hinab. Als besonders lernfähige Überlebenskünstler legen sie Vorräte an und finden diese auch unter einer dicken Schneedecke wieder. Doch wie leben die kleinen Baumfüchse tatsächlich? Und wieso sagt man, der Teufel sei ein Eichhörnchen?
Das Europäische Eichhörnchen (sein lateinischer Name ist "Sciurus vulgaris") gehört zur Familie der Hörnchen ("Sciuridae"), genauer gesagt zu der Unterfamilie der Baumhörnchen. Weltweit gibt es über 190 verschiedene Eichhörnchenarten, denen man überall außer in Australien, Neuguinea, Madagaskar und der Antarktis begegnet. Neben unseren rötlichen gibt es auch die grauen Eichhörnchen Nordamerikas und die Rieseneichhörnchen aus Indien.
Der Name des Eichhörnchens kommt nicht etwa von den Eicheln, die es mit Vorliebe verspeist. Auch nicht von den Eichen, auf denen es herum klettert. Sprachforschern zufolge stammt das "Eich" im Eichhörnchen von dem indogermanischen Wort "aig" ab. "Aig" bedeutet "sich heftig bewegen". Wenn man einem Eichhörnchen zusieht, wie es durchs Unterholz springt, um dann gleich darauf einen Baum hinauf zu jagen, trifft das ja auch zu. Obwohl die auffällig langen "Pinselohren" eines Eichhörnchens Ähnlichkeit mit kleinen Hörnern haben, sind sich die Sprachexperten nicht sicher, ob der Name tatsächlich mit Hörnern zusammenhängt.
Kletterkünstler im roten Pelz
Eichhörnchen sind hervorragende Kletterer. Da sie mit nur etwa 200 bis 400 Gramm sehr leicht sind, trauen sie sich auf dünnste Äste. Wenn sie mit dem Kopf nach unten klettern, drehen sie die Hinterpfoten nach außen und halten sich mit ihren Greifzehen fest. Wie Steigeisen bohren sich dabei ihre messerscharfen Krallen in glatte Baumstämme und verhindern ein Abrutschen. Während Eichhörnchen an den Hinterpfoten fünf Zehen haben, sind ihre Vorderbeine mit vier krallenbewehrten Fingern ausgestattet. Sie sind praktische Werkzeuge beim Vergraben von Nüssen und Festhalten der Nahrung. Mit ihren langen, muskulösen Hinterbeinen bewegen sich Eichhörnchen am Boden in großen Sprüngen vorwärts. Betrachtet man eine Eichhörnchenspur im Schnee, so erkennt man einen kompletten Fußabdruck mit Ferse und Zehen. Eichhörnchen sind Sohlengänger.
Das Markenzeichen des Eichhörnchens ist sein buschiger Schwanz. Er ist fast so lang wie das Tier selbst (15 bis 20 Zentimeter) und hat dem Hörnchen seinen lateinischen Namen gegeben. "Sciuridae" bedeutet nämlich "Schattenschwanz". Doch der Schutz gegen die Sonne ist sicher nicht die Haupteigenschaft des Schwanzes. Viel wichtiger ist er als Steuerruder beim Springen von Ast zu Ast oder als Balancierstange, wenn die Zweige einmal zu dünn werden. Auf der Flucht vor einem Marder dient er als Fallschirm, mit dem das Eichhörnchen sicher auf dem Waldboden landet. Während sich das Fell des Eichhörnchens zweimal im Jahr erneuert, werden die Schwanzhaare nur im Sommer ausgetauscht. Im Winter ist der Schwanz dann kuschelig warm und dient dem Eichhörnchen als Decke. Auch Eichhörnchenbabys wissen Mamas Schwanz sehr zu schätzen. Übrigens ist er gleichzeitig eine Art "Stimmungsbarometer" - das heißt, er zeigt an, in welcher Verfassung das Tier gerade ist. Mit seiner Hilfe verständigen sich Eichhörnchen untereinander.
Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen
Eichhörnchen sind Allesfresser. Am liebsten mögen sie Eicheln, Nüsse, Kastanien, Samen, Beeren, für den Menschen giftige Pilze und Knospen. Aber auch Insekten, Schnecken, Eier oder Jungvögel gehören zu ihrem Speiseplan. Um die harte Schale der Nüsse zu knacken, haben Eichhörnchen im Ober- und Unterkiefer jeweils zwei scharfe Nagezähne, mit denen sie die Nussschale aufsprengen. Da sie einen geteilten Unterkiefer besitzen, können sie zum Herausnagen des Nussinneren die Zähne des Unterkiefers sogar spreizen. Die Nagezähne besitzen keine Zahnwurzel und könnten pro Jahr bis zu 15 Zentimeter wachsen, wenn die Eichhörnchen nicht ständig an etwas Hartem knabbern würden.
Der Herbst ist für das Eichhörnchen eine besondere Jahreszeit. Jetzt findet es reichlich Nahrung und kann sich für den Winter ein Fettpolster zulegen. Was nicht mehr in den Magen passt, wird als Vorrat in unterschiedlichen Verstecken angelegt. Eichhörnchen merken sich nicht, wo sie etwas vergraben haben. Sie verlassen sich auf ihren ausgezeichneten Geruchssinn und "erschnuppern" sich ihr Futter aus bis zu 30 Zentimeter Entfernung. Das ist im hohen Schnee oft gar nicht so leicht.
Vermutlich kommt daher das Sprichwort "Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen", was bedeutet, dass etwas schwierig und nur unter großem Aufwand zu erreichen ist. Viele Samen werden gar nicht gefunden und wachsen später zu Bäumen heran, sodass das Eichhörnchen unbewusst für das Aufforsten des Waldes sorgt. Sobald es kalt wird, zieht sich das Eichhörnchen in sein Nest ("Kobel") zurück und hält Winterruhe. Im Gegensatz zu den Winterschläfern muss es jedoch regelmäßig seinen Schlafplatz verlassen, um zu fressen.
Die Kinderstube im Kobel
Der Kobel, das kugelförmige Nest des Eichhörnchens, dient nicht nur als Winterquartier. Er schützt den kleinen Nager das ganze Jahr über vor seinen natürlichen Feinden, den Greifvögeln und Mardern. Außerdem ist er eine sichere Kinderstube für den Nachwuchs. Für den Bau des bis zu 50 Zentimeter großen Nestes wählt das Eichhörnchen eine geeignete Astgabel in über sechs Metern Höhe, in die es ein Gebilde aus Zweigen, Nadeln und Blättern baut. Innen wird das Nest mit Moos, Federn und Gras sorgfältig auspolstert, damit es seine Bewohner vor Kälte und Nässe schützt. Die Kobel besitzen mindestens zwei Ausgänge, wobei einer von ihnen die Flucht nach unten ermöglicht. Eichhörnchen haben stets zwei bis acht Nester, zwischen denen sie notfalls wechseln können.
Während der Paarungszeit im Frühjahr geben Eichhörnchen ihr Leben als Einzelgänger auf. Hat sich eine Eichkatze für ein Männchen entschieden, darf es bis zur Geburt der Jungen im Kobel des Weibchens bleiben. Nach etwa vier Wochen kommen drei bis acht nackte und blinde Jungen zur Welt. Der erste Flaum sprießt nach etwa zehn Tagen und gut zwei Wochen später können die Kleinen die Augen öffnen. Die Mutter säugt ihre Jungen acht Wochen lang, danach kann sie erneut befruchtet werden. Eichhörnchen bekommen zweimal im Jahr Nachwuchs. Die kleinen Eichhörnchen bleiben noch einige Monate in der Nähe ihrer Mutter, doch mit zwölf Monaten können sie bereits ihre eigene Familie gründen. Leider überleben nur zwei von zehn Jungtieren das erste Jahr, danach können sie jedoch bis zu zwölf Jahre alt werden.
Natürliche Feinde
Eichhörnchen sind tagaktiv, also sind sie tagsüber unterwegs und schlafen nachts in ihren Kobeln. Dabei müssen sie sich vor Bussarden, Krähen und Falken in acht nehmen. Auch Baummarder, Luchse und Wiesel betrachten Eichhörnchen als Leckerbissen, weshalb die kleinen Nager besonders gut sehen, hören und riechen können. Ihre schwarzen Knopfaugen sitzen so am Kopf, dass sie einen guten Rundumblick haben und kleinste Bewegungen frühzeitig wahrnehmen.
Feinste Tasthaare ("Vibrissen") ermöglichen dem Eichhörnchen, sich auch nachts sicher zu bewegen. Zunehmend bedroht wird das europäische Eichhörnchen übrigens von einem Verwandten. Reisende haben das in Nordamerika verbreitete Grauhörnchen nach Europa gebracht, wo es sich zunehmend ausbreitet. Es ist stärker und gefräßiger als das rote Eichhörnchen und vertreibt es aus seinen Revieren. In Italien und der Schweiz ist es bereits heimisch geworden.
Natürlich bedeutet auch der Mensch eine Bedrohung für das Eichhörnchen. Da das Nagetier ein "Kulturfolger" ist, also ein Lebewesen, das dem Menschen ohne dessen Zutun folgt, hat es sein Revier längst auf Gärten und Parkanlagen ausgeweitet. Unfälle wie kürzlich in Frankfurt, wo ein Eichhörnchen auf die Oberleitung des Hauptbahnhofs geklettert ist und einen tödlichen Stromschlag erlitten hat, sind daher nicht selten. Übrigens sind Eichhörnchen in Deutschland besonders geschützt: Sie dürfen nicht gefangen und nicht gejagt werden. Kleidungsstücke aus Pelzen von Eichhörnchen, die so genannten "Fehe", sind bei uns verboten. Nur in Russland werden die Winterfelle der sibirischen Eichhörnchen mit dem blaugrauen Rücken und der weißen Bauchseite heute noch zu Mänteln verarbeitet.
"Der Teufel ist ein Eichhörnchen"?
Vielleicht hast auch du schon einmal von dem Spruch gehört, dass der Teufel ein Eichhörnchen sei. Kaum zu glauben, dass ausgerechnet die flauschigen Hörnchen mit ihren Knopfaugen und buschigen Schwänzen mit dem Teufel in Verbindung gebracht werden - was steckt also dahinter?
Einer Sage zufolge soll der Teufel einst in Gestalt eines Eichhörnchens einen Jäger so sehr genarrt haben, dass dieser zu spät zur Kirche kam. Im übertragenen Sinn bedeutet die Redewendung also, dass man sich gerade auch vor den Dingen hüten soll, die völlig harmlos erscheinen. Am Ende könnten sie doch großes Unheil heraufbeschwören.
Hinweis zum Copyright: Die private Nutzung unserer Webseite und Texte ist kostenlos. Schulen und Lehrkräfte benötigen eine Lizenz. Weitere Informationen zur SCHUL-LIZENZ finden Sie hier.
Wenn dir ein Fehler im Artikel auffällt, schreib' uns eine E-Mail an redaktion@helles-koepfchen.de. Hat dir der Artikel gefallen? Unten kannst du eine Bewertung abgeben.