von Björn Pawlak
Töne gibt es nicht einfach so in der Welt dort draußen... Vielmehr verfügt der menschliche Körper mit seinem hochkomplizierten Sinnesorgan für das Hören über die Fähigkeit, in der Luft auftretende und sich dort fortbewegende wellenförmige Druckveränderungen aufzufangen und in Nervenimpulse umzuwandeln. Von allen Sinnesorganen ist das Ohr das erste, dass beim menschlichen Embryo ausgebildet wird.
In der Luft wird Schall dadurch weitergeleitet, dass die Luftmoleküle sich gegenseitig "anschubsen". Der Ort für den "Empfang" der Schallwellen ist das Mittelohr. Im Innenohr werden die wahrgenommenen Schwingungen schließlich zu den Nervenimpulsen umgewandelt, die dann in das Gehirn weitergeleitet werden. Dort entstehen auf wundersame Weise bestimmte Aktivitätsmuster, die gleichbedeutend mit den Klangerlebnissen sind.
Eigentlicher Erzeuger für die später weiter verarbeiteten "akustischen" Signale ist das Trommelfell am Ende des äußeren Ohres. (Das griechischstämmige Wort "Akustik" ist der Name für die Lehre des Schalls und seiner Ausbreitung.) Das Trommelfell wird in Schwingungen versetzt, wenn das menschliche Ohr Schallwellen ausgesetzt ist - wie das gespannte Fell einer Trommel, die angeschlagen wird. Der Name für diesen Bestandteil des menschlichen Hörsystems macht also Sinn. Doch wie gelangen die Schallwellen zum Trommelfell und was passiert danach im Inneren des Gehörs?
Zwei wichtige physikalische Werte: "Frequenz" und "Amplitude"
Ein wichtiges Maß bei der Untersuchung von Schallwellen ist die "Frequenz" (von lateinisch "frequentia", das bedeutet "Häufigkeit") - gemeint ist die Anzahl der Schwingungen einer Schallwelle pro Zeiteinheit. "Hertz" - abgekürzt "Hz" ist die Maßeinheit für die Frequenz, sie beschreibt die Anzahl der Schwingungen pro Sekunde. Das menschliche Ohr kann nur einen ganz bestimmten Frequenzbereich verarbeiten, man spricht auch vom menschlichen "Hörfeld". Die Frequenz ist hauptverantwortlich für die Tonhöhe - je größer die Frequenz, desto höher der Ton!
Eine andere bedeutende Maßeinheit ist die "Amplitude" - gemeint ist die Stärke des Ausschlags einer Schwingungsbewegung. Man kann das mit einem Pendel vergleichen, das entweder nur ganz wenig hin und her schwingt oder aber stark ausschlägt. Die Amplitude ist hauptverantwortlich für die wahrgenommene Lautstärke eines Tons - je größer die Amplitude, desto lauter der Ton!
Das menschliche Hörfeld liegt ungefähr zwischen 16 und 19.000 Hertz. 16 Hertz entsprechen genau 16, 19.000 Hertz (oder anders ausgedrückt 19 Kilohertz) genau 19.000 Schwingungen pro Sekunde. Bei anderen Lebewesen liegt das Hörfeld ganz anders - Rekordhalter sind die Delphine, deren Gehör noch Frequenzbereiche von bis zu 200.000 Hertz wahrnehmen und verarbeiten kann.
Der Weg bis zum Trommelfell
Die äußerlich sichtbare Hörmuschel hilft den Menschen dabei festzustellen, aus welcher Richtung das Schallsignal kommt. Für Schallsignale, die von hinten kommen, stellt sie ein Hindernis dar, für solche von der Seite und von vorne hingegen wirkt sie wie ein Trichter.
Die äußere Hörmuschel mündet in den äußeren Gehörgang, der als an den Enden verengter und leicht gekrümmter Tunnel durch den Schädelknochen und bis zum Trommelfell reicht. Die äußere Hörmuschel samt Ohrläppchen und den äußeren Gehörgang bis zum Trommelfell bezeichnet man zusammenfassend auch als Außenohr. Hier wird der von außen einfallende Schall bis zum Trommelfell weitergeleitet.
Der äußere Gehörgang ist mit Haut ausgekleidet, die in der Tiefe direkt auf dem Knochen aufliegt - die Schmerzempfindlichkeit ist hier besonders groß. Die Haut im Gehörgang besitzt Drüsen, die das Ohrenschmalz produzieren. Ohrenschmalz ist wichtig für die Selbstreinigung des Gehörgangs - eingedrungener Schmutz oder Staub wird mit seiner Hilfe gebunden und nach außen transportiert. Man sollte bei der Körperreinigung deshalb aufpassen, das Ohrenschmalz nicht vollständig zu entfernen.
Trommelfell: Eingang zum Mittelohr
Das Trommelfell ist annähernd rund, hat einen Durchmesser von ungefähr einem Zentimeter und eine Dicke von ungefähr 0,1 Millimeter. Es ist stark gespannt und bildet die äußere Wand der Höhle des Mittelohres, welche auch "Paukenhöhle" genannt wird. Außen ist das Trommelfell von Haut, innen von Schleimhaut bedeckt.
Man nennt das Trommelfell eine "Membran" (der lateinische Begriff "membrana" bedeutet soviel wie "Häutchen"). Die auf das Trommelfell zulaufenden Schallwellen bewirken, dass dieses zu vibrieren beginnt. Diese Vibrationen werden im Mittelohr weitergeleitet.
Das Mittelohr selbst ist eine mit Luft gefüllte Höhle, die dem Innenohr vorgelagert ist. Es gibt von hier aus eine direkte Verbindung zum Rachenbereich - dieser Kanal wird "Ohrtrompete" genannt. Bei Druckveränderungen in der Außenwelt (zum Beispiel wenn man in einem Flugzeug fliegt) kann über die Ohrtrompete der Druck des Mittelohrs dem Druck der Außenwelt angepasst werden. Dieser Ausgleich findet statt, indem der Mensch gähnt oder schluckt.
Die "Gehörknöchelchenkette": Leitungsapparat des Gehörs
Hinter dem Trommelfell in der Paukenhöhle befinden sich die kleinsten Knochen des menschlichen Körpers - man spricht von der "Gehörknöchelchenkette". Das erste dieser Knöchelchen hat direkten Kontakt mit dem Trommelfell und ist mit diesem an einer Stelle verwachsen. Man nennt diesen ersten Gehörknochen der Kette auch "Hammer" und seinen unteren mit dem Trommelfell verwachsenen Bereich "Hammergriff". Der Hammer schwingt wegen des Kontaktes mit dem Trommelfell mit.
Im Fall der Vibration "schlägt" der Hammer ein anderes Knöchelchen an und überträgt somit seine Bewegung. Dieser zweite Gehörknochen wird "Amboss" genannt. Auch der Amboss hat einen langen Fortsatz und an dessen Ende Kontakt mit dem dritten Knöchelchen der Kette, welcher "Steigbügel" genannt wird.
Der Steigbügelfuß ist fest verwachsen mit dem so genannten "ovalen Fenster". Anders ausgedrückt füllt der Steigbügelfuß eine Öffnung aus, hinter der sich das mit Flüssigkeit gefüllte Innenohr befindet. Die Gehörknöchelchenkette überträgt die Bewegungen des Trommelfells auf die im Innenohr befindliche "Schnecke".
Das Innenohr: Sackgasse für die Schallwellen
Die Schallverarbeitung im Innenohr ist ein sehr komplizierter Mechanismus. Am Ende des Umwandlungsprozesses sind die Schallwellen komplett in elektrische Nervenimpulse umgewandelt worden - diese Impulse gelangen in das Gehirn und rufen dort die Hörerlebnisse hervor.
Die im Innenohr verlaufende Schnecke (auch "Cochlea" genannt) ist ein knöchernes Gangsystem, das mit Flüssigkeiten gefüllt ist. Die vom Mittelohr weitergeleiteten Schwingungen machen sich im Innenohr als Bewegungen in den Innenohrflüssigkeiten bemerkbar - man spricht von "Wanderwellen". Dabei kann man in der Cochlea drei durch Membrane getrennte Räume unterscheiden: den mittleren Schneckengang, die darüber liegende "Vorhoftreppe" und die darunter liegende "Paukentreppe". Die Flüssigkeit der Vorhof- und Paukentreppe heißt "Perilymphe", die des mittleren Schneckengangs "Endolymphe".
Die Vorhoftreppe liegt unmittelbar hinter dem ovalen Fenster. Hier beginnt die Wanderwelle, pflanzt sich bis in die Spitze der Schnecke fort und ebbt über die Paukentreppe wieder ab. Vorhof- und Paukentreppe treffen sich also in der Schneckenspitze. Durch die gegenläufigen Flüssigkeitsströmungen in Vorhof- und Paukentreppe wird auch die Endolymphe im mittleren Schneckengang in Bewegung versetzt.
Am Ende der Paukentreppe und als Begrenzung zum Mittelohr befindet sich das "runde Fenster". Hier wird der einmal durch die Perilymphe von Vorhof- und Paukentreppe gewanderte Schallimpuls wieder an das Mittelohr zurückgegeben. Damit ist der Kreislauf geschlossen.
Das "Corti'sche Organ": Pfad ins Gehirn
Im mittleren Schneckengang befindet sich eingelagert in die Membran zur Paukentreppe das eigentliche Sinnesorgan für die Erzeugung von Hörerlebnissen - es trägt den Namen "Corti'sches Organ" und ist nach seinem Entdecker benannt. Hier werden die über die Innenohrflüssigkeiten herangetragenen Schallwellen in die "Sprache des Gehirns" übersetzt, nämlich in elektrische Impulse. Man bezeichnet das Corti'sche Organ deshalb auch als "Schnittstelle".
Das Corti'sche Organ besitzt äußere und innere Haarzellen, die Kontakt mit den etwa 40.000 "Neuronen" (so nennt man die einzelnen Nervenzellen) des Hörnervs haben. Die Haarzellen werden durch die Wanderwellen in der Cochlea ebenfalls bewegt. Die vom Corti'schen Organ beeinflussten Nervenimpulse wandern anschließend den Hörnerv entlang in das Gehirn, ihren Weg nennt man "Hörbahn".
Für die Bearbeitung und sehr wahrscheinlich auch für die Bewusstwerdung der akustischen Signale ist im Gehirn hauptsächlich ein Bereich der "Großhirnrinde" (das ist der äußere Bereich des Gehirns) verantwortlich, den man "auditiven Cortex" nennt. Was hier passiert hat mit den Gesetzen des Schalls und der Akustik schon lange nichts mehr zu tun. Aber wenn dort draußen in der Welt Lärm ist (unregelmäßige Schallereignisse), wenn jemand spricht oder wenn Musik spielt (regelmäßige Schallereignisse), dann kommen die Signale blitzschnell hier an. Auf wundersame Weise bewirkt die Reise der Schallwellen in das menschliche Ohr, dass man hört.
Hinweis zum Copyright: Die private Nutzung unserer Webseite und Texte ist kostenlos. Schulen und Lehrkräfte benötigen eine Lizenz. Weitere Informationen zur SCHUL-LIZENZ finden Sie hier.
Wenn dir ein Fehler im Artikel auffällt, schreib' uns eine E-Mail an redaktion@helles-koepfchen.de. Hat dir der Artikel gefallen? Unten kannst du eine Bewertung abgeben.