20.11.2007
Jede Kultur hat ihre eigene Auffassung von einem Drachen. In China ist es ein gutmütiges, gerechtes und weises Geschöpf, das Glück bringt. Bei uns dagegen - vor allem im Christentum - verkörpert der Drache das Böse. Das Bild dieses Ungeheuers wurde auch durch das berühmte mittelalterliche Nibelungenlied geprägt. In diesem Epos aus dem 13. Jahrhundert tötet der Held Siegfried einen gefährlichen Drachen und badet in dessen Blut, um unverwundbar zu werden. Doch eine Stelle zwischen seinen Schultern, die während des Bades von einem Lindenblatt verdeckt wurde, wird ihm später durch den Verrat eines Freundes zum Verhängnis.
Die ersten Bilddarstellungen eines Drachen lassen sich schon 4.000 Jahre vor Christus nachweisen. Unzählige Sagen ranken sich um den Mythos des Drachen, viele Künstler ließen sich durch das Fabelwesen inspirieren und vollbrachten meisterliche Werke. Heute wissen wir natürlich, dass es nie wirkliche Drachen gegeben hat. Sie sind Ungeheuer, die der menschlichen Fantasie entsprungen sind, in welcher sich die Eigenschaften und das Aussehen verschiedener Tiere vermischten. Häufig sind diese Kreaturen auch geflügelt und fähig, Feuer zu spucken.
Von heldenhaften Drachenkämpfern
Drachen wurden für unerklärliche Geschehnisse verantwortlich gemacht. In der heutigen Zeit wird diese Fantasie eher durch die Vorstellung von außerirdischen Besuchern ersetzt, wenn etwas für uns Unerklärliches geschieht. Die Menschen glaubten einst - obwohl sie die Drachen nur aus Erzählungen, von Bildern oder Skulpturen kannten - an deren Existenz. Sogar mittelalterliche Gelehrte, die sich mit der Medizin befassten, beschrieben in ihren Büchern, welche Teile eines Drachens für welche Heilmittel verwendet werden können.
Tapfere Männer wurden nicht nur zu Helden, sondern sogar zu Heiligen erklärt, da sie als Drachentöter in die Geschichte eingegangen sind. Beispielsweise tötete Sankt Georg den Drachen, der mit Schrecken über die Menschen der Region herrschte und nur durch Opfergaben zu besänftigen war. Die Menschen mussten ihre Kinder opfern. Georg verpflichtete sich einem Mädchen und versprach, es zu retten. Ausgerechnet dieses Mädchen war die Tochter des Königs. Der heilige Georg überlistete den Drachen und erschlug ihn. Dadurch wurde er zum Drachentöter des Christentums und somit zum Helden, da sich alle Bewohner des Landes ab diesem Zeitpunkt zum christlichen Glauben bekannten.
Der Teufel in Drachengestalt
Dieses Schicksal teilen die Fabelwesen in den meisten Sagen: Sie tyrannisieren das Volk oder bewachen einen wertvollen Schatz, bis sie vom Helden überlistet werden. Am Ende siegt das Gute über das Böse und der Drache wird vernichtet. Aber warum verkörpert der Drache in Europa überhaupt das Böse? Selbst Erzengel Michael kämpfte gegen den Teufel, der sich in einen Drachen verwandelt hat.
Der Begriff "Drache" war lange Zeit gleichbedeutend mit dem Wort "Schlange" - und dieses Tier ist in der christlichen Religion bekanntermaßen heimtückisch. Laut Bibel war es nämlich eine Schlange, die Adam und Eva verführte. Daraufhin mussten die beiden, und damit alle Menschen, den Garten Eden - also das Paradies - verlassen. Außerdem ist der Drache, genau wie die Schlange, in der Lage, sich zu häuten. Diese Form der Erneuerung symbolisiert den Tod und die anschließende Wiedergeburt - auch dies ist eine christliche Sichtweise.
Fabelwesen in verschiedenen Kulturen
Riesengroß, den Rachen Furcht einflößend weit aufgerissen, die scharfen Zähne entblößt, Feuer speiend, mit langen Klauen und einem kräftigen Schwanz, der wild um sich schlägt - so wird der Drache in vielen Märchen und Sagen beschrieben. Diese Kreatur hat im Allgemeinen einen schlangenartigen Körper, einen langen Hals, den Kopf einer kräftigen Echse und eine schuppige Haut. Manchmal sind Drachen auch mehrköpfig und mit großen Schwingen dargestellt.
Auch in Ägypten und Indien wurden Drachen mit Schlangen in Verbindung gebracht. Frühe chinesische Drachen ähneln vor allem Eidechsen: Die Fabelwesen vereinen den Kopf eines Ungeheuers mit dem Schwanz einer Schlange. Sie besitzen Merkmale eines Kriechtiers mit einem Schuppenpanzer. Jedem der Drachen wird jedoch die Macht über Naturkräfte wie Feuer und Wasser zugesprochen. Bei der Entstehung all der verschiedenen Mythen über diese Fabelwesen besteht ein Zusammenhang. Auch heute hat die Figur des Drachen nicht an Faszination verloren. Sie taucht in vielen zeitgenössischen Fantasiegeschichten auf - wie zum Beispiel der Glücksdrache in der "Unendlichen Geschichte" oder die gefährlichen Ungeheuer aus der Harry-Potter-Reihe.
Einhorn, Phönix, Hippogryph und Greif...
Der Drache ist bei weitem nicht das einzige Fantasietier - aber wohl das am weitesten verbreitete auf der Welt. In vielen germanischen Sagen wird er durch den Lindwurm ersetzt. Dieser ist ein schlangenartiges Wesen, das eng mit dem Drachen verwandt ist. Auch die Einhörner sind in vielen Teilen der Welt bekannt. Sie verkörpern das Gute und werden als etwas sehr Reines angesehen.
Phönixe sind mythische Vögel, die verbrennen, um aus ihrer Asche wieder neu aufzuerstehen. Die Redewendung "Wie ein Phönix aus der Asche" ist wahrscheinlich jedem ein Begriff. Diese Fabeltiere stehen für etwas, das bereits für verloren gehalten wurde und dann im neuen Glanz wieder erscheint. Ebenso der Hippogryph (auch "Hippogreif" genannt) taucht in vielen internationalen Sagen und Erzählungen auf. Er hat den Kopf, die Flügel und die Vorderbeine eines Adlers, der restliche Körper entspricht einem Pferd. Auch diese Wesen kommen in den Harry-Potter-Geschichten vor. Greife sind Mischwesen aus Adlern und Löwen. Der Pegasus ist ein geflügeltes Pferd.
All diese fantastischen Geschöpfe, die einzig in der Vorstellung der Menschen existieren, unterscheiden sich mitunter in den einzelnen Kulturen in ihrem Aussehen und ihren Fähigkeiten. Wir stellen sie uns eben genauso vor, wie wir es gerne hätten.
Internationale Fabelwesen:
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