21.03.2006
Luft ist durchsichtig. Sie besteht zum größten Teil aus unsichtbaren Gasen wie Stickstoff und Sauerstoff. Das ist aber noch längst nicht alles: auch Blütenpollen, Feinstaub, Wüstensand, Meersalz und sogar Kometenstaub aus dem Weltall atmen wir mit jedem Atemzug ein. Zwei Chemiker haben die "blinden Passagiere" für die Nachwuchsforscher an der Kinderuni Mainz sichtbar bemacht.
Claudia Felser von der Universität Mainz hatte sich für die Kinderuni-Vorlesung Verstärkung mitgebracht: "Staub-Experte" Jens Soentgen war extra aus Augsburg angereist. Er erklärte den jungen Studenten, dass Chemiker nicht von Luft sprechen, sondern von Aerosol. Mit diesem Begriff bezeichnen Wissenschaftler das Gemisch aus verschiedenen Gasen und Schwebeteilchen.
Um die die größeren Bestandteile sichtbar zu machen, muss man einmal das Licht ausschalten. Im Schein einer Taschenlampe kann man ein paar Staubteilchen erkennen. "Leider haben die Putzfrauen vor der Vorlesung den Saal geputzt. Das konnten wir nicht verhindern", entschuldigte sich Claudia Felser. "Aber wenn ihr zu Hause bei halb geschlossenem Rollladen die Bettdecke aufschlagt, dann werdet ihr bestimmt ganz viel Staub zu sehen bekommen."
Damit es auch im Vorlesungssaal so richtig staubt, hat Jens Soentgen ein Stück verharztes Kiefernholz angezündet. Dicke Qualmwolken zogen auf und verteilten sich schnell in der Luft. "Der Mensch erzeugt ständig und überall Schwebeteilchen", erklärte der Professor. Denn auch beim Heizen, Autofahren und in Fabriken werden Gase verbrannt. Dabei entweichen als Abfallprodukt kleine Staubteilchen. Dieser so genannte "Feinstaub" verteilt sich dann in unserer Atemluft.
Die Natur staubt an allen Ecken
Doch nicht alle Schwebeteilchen in der Luft sind vom Menschen gemacht. Das zeigte Jens Soentgen eindrucksvoll an einem Pilz, der "großer Kartoffelbovist" heißt. Sein Aussehen erinnert an eine halbierte Kokosnuss. Als der Professor mit der Hand auf den Pilz schlug, staubten Millionen winziger Pilzsporen auf. "Die einzige Lebensaufgabe solcher Bovist-Pilze ist es, zu reifen und dann den Wald voll zu stauben", erklärte er. " Wenn ihre Sporen dann auf den feuchten Waldboden fallen, wachsen wieder neue Pilze."
So ähnlich machen es viele Pflanzen mit ihren Pollen, die vom Wind fortgetragen werden. Davon konnten einige Kinder im Hörsaal ein Lied singen, denn bei ihnen lösen diese Pollen Heuschnupfen oder sogar Atemnot, so genanntes Asthma, aus.
Ein ganz anderer Ort, an dem ständig feine Teilchen in die Luft geschleudert werden, sind die Meeresküsten. Wenn dort das Wasser mit großer Wucht gegen Steinfelsen prallt, werden in der Gischt Millionen feine Salzkristalle freigesetzt und in der Luft verteilt. Anschließend gelangen diese in die Atmosphäre und können weit ins Landesinnere getragen werden. Auch feiner Sand aus den großen Wüsten, Asche von Vulkanausbrüchen, Bakterien, Viren und sogar Kometenstaub aus den Weiten des Weltalls vermischt sich im Aerosol, den wir dann einatmen können.
Ameisen segeln durch die Luft, Katzen aber nicht!
Überall auf der Welt entsteht ständig Staub. Dabei sollen feste Teilchen doch eigentlich zu Boden fallen oder sinken und nicht dauerhaft in der Luft schweben - oder? Ein Experiment mit einer Kartoffel gab eine erste Antwort.
Jens Soentgen schnitt die Knolle in mehrere Scheiben - immer kleiner, bis Kartoffelchips entstanden waren. Das Gewicht der Kartoffel blieb dabei natürlich gleich groß, doch in Chipsgröße brauchte sie viel mehr Platz. Die vielen dünnen Scheiben haben eine sehr viel größere Oberfläche als eine ganze Kartoffel. Je größer die Oberfläche wird, desto langsamer fallen die Kartoffelstücke zu Boden.
Von einer verhältnismäßig großen Oberfläche bei geringem Gewicht profitieren auch Insekten, wenn sie aus großer Höhe fallen. Eine Ameise plumpst nicht wie ein Stein zu Boden, wenn sie aus dem 20. Stock eines Hochhauses fällt. Stattdessen segelt sie vom Wind getragen sanft zur Erde und läuft dann einfach weiter. "Probiert das aber bitte nicht mit euren Haustieren aus", mahnt Claudia Felser. So haben Säugetiere wie Katzen und Hunde ein viel höheres Gewicht im Verhältnis zu ihrer Größe. Sie würden sich bei solch einem Sturz alle Knochen brechen.
Staub überführt Verbrecher
Sehr feine Teilchen schweben aber nicht nur, weil sie eine verhältnismäßig riesige Oberfläche haben. Sie vermischen sich auch besonders gut mit anderen Stoffen - etwa Gasen oder Wasser. Das bewies das nächste Experiment der beiden Professoren. Ein Löffel Puderzucker und Kandiszucker wurden jeweils in ein Glas Wasser gestreut. Nach kurzem Schütteln war der Puderzucker völlig aufgelöst, während die Kandiszucker-Stückchen am Glasboden lagen. "So ähnlich ist das mit dem Feinstaub in der Atemluft", erklärt Jens Soentgen. Die feinen Teilchen vermischen sich mit den Gasen der Luft zu einem Aerosol. Sie bleiben einfach an den Gasmolekülen haften.
Diese Eigenschaft der Staubteilchen macht sich auch die Polizei zunutze, wenn sie Verbrecher anhand deren Fingerabdrücke überführt. Claudia Felser hielt ein weißes Blatt Papier hoch, auf dem zunächst nichts zu sehen war. Nachdem sie aber Eisenpulver auf das Blatt gestreut hatte, wurden Fingerabdrücke sichtbar. Die feinen Eisenstaub-Teilchen hatten sich an den Schweiß geheftet, den ein paar Finger auf dem Blatt hinterlassen haben. Mit einem magnetischen Pinsel sammelte sie den restlichen Eisenstaub wieder ein - und hielt anschließend das Blatt mit den deutlich sichtbaren Fingerspuren in die Höhe.
Lebensgefährlicher Staub
Eine letzte Eigenschaft von feinem Staub wurde anhand von Weizen aufgezeigt. Wenn man getrockneten Weizen an einen Bunsenbrenner hält, dann fängt der an zu kokeln, brennt aber nicht. Als Jens Soentgen dagegen fein geriebenes Weizenmehl in ein Blasrohr füllte und dann in Richtung Bunsenbrenner pustete, gab es eine gewaltige Stichflamme. Je feiner der Staub ist, desto heftiger reagiert er auf Wärme.
Die Nachwuchsforscher sind begeistert von dem Feuerzauber - und verlangten eine Zugabe. Natürlich wurde Jens Soentgen für sein Publikum noch einmal zum Feuerspucker. Allerdings warnte er ausdrücklich davor, dieses Experiment zu Hause nachzumachen. Es besteht Lebensgefahr!
Feiner Staub kann also sehr gefährlich sein. Das wissen Bergleute in Kohlegruben ganz genau, denn früher gab es auch bei uns oft Katastrophen mit vielen Toten, nachdem ein kleiner Funke unter der Erde den Kohlestaub entzündet und zur Explosion gebracht hatte. In China sterben heute noch jährlich tausende Bergleute bei solchen Unfällen. Anders als bei uns werden dort oft keine ausgeklügelten Entlüftungssysteme eingesetzt, die den Staub aus den Bergwerken absaugen können.
Künstliche Aerosole in Spraydosen
Feiner Staub ist aber nicht immer lästig oder gar gefährlich. Wenn man zum Beispiel einige Medikamente ganz fein zerstäubt, dann können sie viel besser wirken. Und mit fein zerstäubter Farbe aus Graffitidosen kann man sehr raue Oberflächen gleichmäßig färben. Mit einem Pinsel wäre das oft nicht möglich.
In beiden Fällen haben Menschen Mischungen aus Gas und feinen Teilchen, also Aerosole, künstlich hergestellt und in Spraydosen gefüllt. Damit die Teilchen auf Knopfdruck aus der Dose sprühen, ist in den Spraydosen ein Treibmittel enthalten. Dabei handelt es sich heute meist um Butan- oder Propangas. Beim Schütteln der Dose entsteht dann ein großer Überdruck innerhalb der Spraydose. Öffnet man das Ventil, schießt das Gasgemisch nach draußen.
Vergiss nicht, dir oben rechts die Bildergalerie mit vielen Fotos von der Vorlesung anzusehen!
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