20.07.2005
Gleich zwei Professoren entführten die Besucher der Kinderuni Mainz am vergangenen Samstag in die bunte Welt des Orients. Sie zeigten, wie die Menschen es vor 3.000 Jahren anstellten, dass sie bunte Kleider tragen, sich schminken und ihre Tonkrüge farbenfroh bemalen konnten. Die alten Techniken funktionieren auch heute noch.
Wegen des tollen Badewetters am Samstag besuchten nicht ganz so viele Teilnehmer die Mainzer Kinderuni wie sonst. Weniger Kinder - mehr Professoren: Dieses Mal waren sogar zwei Professoren gekommen, um das Thema "Farben des Orients" von verschiedenen Seiten zu beleuchten. Wolfgang Zwickel ist evangelischer Religionswissenschaftler und beschäftigt sich mit der Archäologie der Bibel. Sein Kollege Wolfgang Hofmeister ist Experte für Gesteinskunde.
Wenn Professor Zwickel in Israel bei seinen Grabungen über 2.000 Jahre alte, bemalte Tonkrüge, Teller oder Schmuckstücke findet, dann hilft ihm Professor Hofmeister, mehr über diese Funde zu erfahren. Bei einer solchen Zusammenarbeit profitiert jeder vom Fachwissen des anderen. Wenn zwei Forscher aus verschiedenen Fachrichtungen so zusammenarbeiten, nennt man das in der "Interdisziplinarität" ("Zwischen verschiedenen Bereichen").
Laserstrahlen machen nichts kaputt
Die Kinder haben nun erfahren, wie die Zusammenarbeit konkret aussieht. Professor Zwickel findet Relikte aus uralter Zeit, etwa schöne Siegelsteine, und möchte mehr über sie wissen. Aus welchem Material wurden sie hergestellt? Welche Farben wurden verwendet?
Man könnte natürlich ein kleines Stück herausbrechen, es zermahlen und dann chemisch analysieren. Am Ende hätte man die Antwort auf die Fragen - aber das uralte Fundstück wäre beschädigt. Daher haben moderne Wissenschaftler einen besseren Weg gefunden. An der Universität Mainz bedient Professor Hofmeister ein großes Gerät. Mit Hilfe von Laserstrahlen kann er damit feststellen, aus welchem Material die Siegelsteine bestehen. Der Vorteil: Die wertvollen Fundstücke bleiben dabei unversehrt.
Am Ende liefert das Gerät so genaue Ergebnisse, dass man sogar bestimmen kann, aus welchem Steinbruch des Orients das Material stammt. Manchmal wurde hochwertiges Material von weit her verwendet, das die antiken Kunsthandwerker reisenden Händlern abgekauft hatten. Davon erfährt der Archäologe heute durch die Hilfe des Gesteinskundlers.
Bunte Krüge und Wandmalereien
Zu den spannendsten Funden gehören Dinge, die vor 2.000 Jahren bemalt oder gefärbt wurden. Denn auch damals liebten die Menschen im Orient bunte Farben. Sie bemalten und färbten Wände, Tongefäße, Kleidung und Schmuck.
Das war damals gar nicht so einfach, denn es gab damals natürlich noch keine chemisch hergestellten Farben. Die Menschen mussten zum Färben das nutzen, was sie in der Natur fanden: zermahlene Steine und Mineralien und spezielle Pflanzen. Nur wenige Spezialisten wussten damals, wie man Farben herstellt. Daher waren bunte Kleider und Malereien etwas Besonderes und ziemlich wertvoll.
Malen wir vor tausenden Jahren
Bis heute sind die Farben des Orients nicht verloren gegangen. So durften die Kinderstudenten Mariella und Sara während der Vorlesung einen großen Tontopf mit Farben bemalen, wie es sie auch schon vor 3.500 Jahren gab.
Dafür wurden Steine und Mineralien zu Pulver zermahlen und anschließend zur Farbe angerührt. Für ein leuchtendes Rot nahm man im alten Orient Roteisenstein, für Schwarz Graphit, für Gelb Eisenocker und für Weiß Kalkstein. Diese Farben gab es häufig, da ihre Rohstoffe in der Gegend recht leicht zu finden und sie einfach herzustellen waren.
Wenn man braune Töne erstellen wollte, dann mischte man rote und schwarze Mineralien, so wie du in deinem Wasserfarbenkasten auch rote und schwarze Farbe mischen kannst, damit du braune Farbe erhältst. Rot, braun, gelb, schwarz und weiß hat man daher für die Bemalung von Keramik immer gerne verwendet.
Orientalisches Make-up
Dagegen sind grüne Farben, die aus Malachit, und blaue Farben, die aus Lapislazuli oder Azurit hergestellt werden konnten, im alten Orient sehr selten. Lapislazuli musste zum Beispiel aus dem fernen Afghanistan über 3.000 Kilometer nach Israel transportiert werden. Die Edelsteine waren daher zu wertvoll, um sie zum Färben zu zerstoßen. Sie wurden stattdessen in Ketten und Ringe eingearbeitet. Professor Zwickel sagte: "Ich habe bisher noch keine grünen oder blauen Gefäße bei meinen Grabungen gefunden."
Zehn Kinder konnten anschließend am eigenen Gesicht erfahren, dass die Menschen auch vor 3.000 Jahren schon richtige bunte Schminke herstellen konnten. Ronja stand bereit, um sie nach orientalischer Art zu schminken, wie du es bestimmt von alten ägyptischen Abbildungen kennst. Sie hob die Augen der Kinder mit schwarzen Strichen hervor. Früher wurde dafür zermahlener Bleiglanz verwendet. Doch mittlerweile hat man herausgefunden, dass der giftig ist. Natürlich wurde er in der Vorlesung nicht verwendet.
Honigsüße Küsse
Die Wangen haben sich Frauen auch früher schon rot gefärbt. Dazu benutzte man denselben roten Farbstoff wie zur Keramikbemalung. Nur wurde er jetzt mit Entenfett bzw. Gänseschmalz vermischt. So entstand eine rote Schmink-Creme.
Und auch den Lippenstift gab es damals schon. Auch hierfür hat man den roten Stein verwandt, nun aber das Farbpulver mit Honig vermischt und auf die Lippen aufgetragen. Die Menschen verteilten damals also wirklich "süße Küsse". Annick fand daher auch den Lippenstift am besten, denn "der schmeckt lecker".
Bunte Gewänder für reiche Menschen
Im Orient waren Nomaden unterwegs, die als Händler seltene Gewürze, aber auch Mineralien und Edelsteine transportierten. Sie trugen gerne bunte Kleidung. Damit zeigten sie, dass sie erfolgreiche Händler waren, denn das Färben der normalerweise weißen oder braunen Kleidung konnten sich damals nur reiche Menschen leisten.
Hohenpriester aus dem alten Israel trugen zu besonderen Anlässen Gewänder, in die echte Goldfäden eingewebt waren. Genauso teuer waren aber auch purpurrote Kleider. Denn der Farbstoff wurde aus den Eiern der Karmesinschildlaus hergestellt, die man im ganzen Mittelmeergebiet findet. Wenn man die Eier zerstampft, erhält man eine leuchtend rote Farbe.
Aber noch viel teurer waren der rote und der blaue Purpur. Ein Kilogramm blauer Purpur kostete früher so viel wie ein Porsche heute oder sogar mehr. Dazu musste man erst einmal Purpurschnecken sammeln. Dann musste man sie "melken". Sie sondern nämlich - in sehr kleinen Mengen - ein Sekret aus, das man anschließend zum Färben verwenden konnte. Purpur-Gewänder trugen dann nur die reichsten Leute wie Könige.
Pflanzenfarben für die Bürger
Aber auch die ärmeren Leute wollten gerne etwas Buntes anziehen. Im Laufe der Zeit entdeckte man, dass bestimmte Wurzeln und Blätter färben können, wenn man sie in Wasser gibt und dieses zum Kochen bringt.
Um einen Rot-Ton herzustellen, hat man früher die Wurzel der Krapppflanze oder Färberröte ausgegraben und in kleine Stückchen geschnitten. Wenn man die in Wasser gibt und kocht, dann entsteht eine rote Flüssigkeit. Und wenn man in diese Flüssigkeit dann die Wolle gibt und auch diese kocht, dann färbt sie sich rot.
Bunter Orient, farbloses Europa
Um gelbe Farbe herzustellen, nahm man die getrockneten Blütenblätter des Saflors, für braune Farbe die Blätter des Hennastrauches. Je länger man die Wolle in dem Pflanzensud kochte, desto intensiver und dunkler wurde die Farbe.
Am spannendsten war die Herstellung von blauer Wolle. Hierzu musste man die Blätter des Färberwaids sammeln und trocknen. Anschließend zerrieb man die Blätter und vermengte sie mit Wasser zu Brei. Den ließ man wieder trocknen und zerrieb ihn dann zu feinem blauen Pulver.
Um damit Wolle zu färben, musste das Pulver in einen Wassertopf schütten und erwärmen. Das Wasser verfärbte sich dann zuerst grünlich, dann gelblich. Gab man die Wolle hinein, blieb sie aber zunächst weiß. Erst wenn sie zum Trocknen aufgehängt wurde, verfärbte sie sich nach und nach hellblau. Die Welt der Menschen im Orient war also schon vor 3.000 Jahren ziemlich bunt. In Europa liefen die Menschen zur gleichen Zeit noch fast alle in weißen und braunen Kleidern herum.
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